Der Landesflughafen zahlt für seinen Gleisanschluss bei Stuttgart 21 fast 340 Millionen Euro. Unsicher ist, wann er ihn bekommt. Airport und Land wollen Ansprüche gegen die Bahn prüfen.

Stuttgart - Bei ei ihrem Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 kämpft die Bahn mit wachsender Zeitnot. Entscheidende Termine für die von der Projektgesellschaft erwarteten Baugenehmigungen sind erneut überschritten. Betroffen ist besonders der Landesflughafen.

 

Die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft (FSG) befürchtet, dass der auf den Fildern geplante Fernbahnhof deutlich später als das übrige S-21-System in Betrieb gehen könnte. Wenn es dazu kommt, soll die Möglichkeit geprüft werden, von der Bahn einen „finanziellen Ausgleich“ einzufordern. Eine Möglichkeit für Schadenersatz könnte sich aus den Verträgen ergeben. „Es gibt als Anlage zum S-21-Finanzierungsvertrag Terminpläne“, so ein Sprecher der Flughafengesellschaft.

Terminplan stimmt schon heute nicht mehr

Im öffentlichen Rahmenterminplan zum Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 sollte S 21 Ende 2019 in Betrieb gehen. Inzwischen spricht die Bahn von Ende 2021. Der Termin ist unsicher.

Im Flughafen-Aufsichtsrat ist von einem „Schreckensszenario“ die Rede – und zwar nicht nur wegen des verspäteten Schienenanschlusses für den Airport. Bleibe der Flughafen als letzter unfertiger Bauabschnitt des Projekts übrig, bekomme die Bahn damit einen „riesigen Hebel“ in die Hand. Mit diesem, so die Sorge im Aufsichtsrat, könnte sie das Land zu einer Beteiligung an potenziellen zwei Milliarden Euro Mehrkosten zwingen. Im März 2013 hatte die Bahn die Kostenexplosion von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro eingeräumt. Das Land lehnt eine Mitzahlung strikt ab.

Die FSG-Kontrolleure sehen beim Flughafen ein Erpressungspotenzial. Daher solle geklärt werden, ob die FSG die Bahn im Zweifelsfall auf die Fertigstellung verklagen könne. Eine Ausnahme für den Endtermin 2021 gilt nur für die Gäubahn zum Airport. Deren Zuführung wurde von den sonstigen Planungen abgekoppelt. Sie solle voraussichtlich 2023 zum Airport fahren, sagte Bahn-Vorstand Volker Kefer.

Hermann soll Aufsichtsratschef am Flughafen bleiben

Rückendeckung erhält der Flughafen aus der Landesregierung. Das Kotrollgremium führt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Für die neue Legislatur muss ihn der Landtag in dieser Rolle noch bestätigen. „Die Frage von möglichen Ansprüchen gegen die Bahn wegen nicht zeitgerechter Fertigstellung des Gesamtprojekts kann sich stellen“, sagt Hermanns Sprecher. „Und zwar im Zusammenhang mit angeblichen Forderungen der Bahn gegen die Projektpartner hinsichtlich der Beteiligung an Mehrkosten.“

Der Flughafen trägt erheblich zur Finanzierung von Stuttgart 21 bei, weil er sich hohe Flugastzuwächse erwartet. Bereits im Juli 2008, also vor dem Abschluss des S-21-Finanzierungsvertrages, wurde die Kasse des profitablen Unternehmens geleert, um Stuttgart 21 zu retten. Man habe 112,242 Millionen Euro an die Bahn bezahlt, um die Wirtschaftlichkeit des Projekts sicher zu stellen, erfuhr die Öffentlichkeit Monate nach der Finanzspritze.

An den im Finanzierungsvertrag im April 2009 genannten Baukosten von 3,1 Milliarden Euro zahlt die FSG 107,8 Millionen. Die letzte Rate soll 2018 fließen. Am vereinbarten S-21-Risikotopf ist der Flughafen mit weiteren 119,4 Millionen Euro beteiligt. Rund 37 Millionen Euro mussten die FSG-Geschäftsführer Georg Fundel und Walter Schoefer bereits 2015 zahlen. In diesem Jahr sollen zum Ärger des Aufsichtsrats weitere fast 40 Millionen Euro fließen. Das Unternehmen kommt damit in die roten Zahlen. „Die Risikoraten waren im Wirtschaftsplan nicht vorgesehen“, sagt ein Kontrolleur, Fundel und Schoefer hätten sich über Zeitpunkt und Höhe der Forderung überrascht gezeigt. Im Aufsichtsrat will man sich gegen eine Bauruine absichern. Die Bahn könnte sie hinterlassen, wenn ihr das Geld ausgeht. Der Flughafen hätte dann 340 Millionen Euro bezahlt, aber keinen Anschluss an schnelle Züge.