Dürfen Rathaus-Mitarbeiter Stuttgart-21-Plaketten im Büro tragen oder nicht? Dieser Streit holt Staatskanzleichef Murawski jetzt ein.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die "Politik des Gehörtwerdens" interpretiert Klaus-Peter Murawski auf seine ganz eigene Weise. Nicht auf andere beziehe der Amtschef von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne) dessen Losung, wird in der Staatskanzlei gelästert, sondern auf sich selbst: Er koste es weidlich aus, dass man ihm zuhören müsse - und strapaziere die Geduld seiner Mitarbeiter gerne mit weitschweifigen Welterklärungen.

 

Nun wird sogar juristisch geklärt, wie es Murawski mit dem Gehörtwerden hält. Beim Verwaltungsgericht Stuttgart ist ein - bisher nicht bekanntes - Verfahren anhängig, in dem es um sein Wirken als Verwaltungsbürgermeister der Landeshauptstadt geht. Kläger (genauer: Antragsteller) ist der Gesamtpersonalrat des Rathauses. Er wirft dem Ex-Dezernenten vor, Mitspracherechte der Mitarbeiter ignoriert und sogar die Meinungsfreiheit unterdrückt zu haben. Selbiges soll das Gericht in einem "Beschlussverfahren" der Stadt bescheinigen, die die Vorwürfe indes von sich weist.

Es geht, wieder einmal, um das leidige Thema Stuttgart 21. Per Rundschreiben Nr. 018/2010 gab Murawski im vorigen Herbst "Hinweise", wie sich städtische Bedienstete im Streit über den Tiefbahnhof zu verhalten hätten. Außerhalb ihrer Arbeitszeit dürften sie selbstverständlich "von ihren Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen"; tabu seien jedoch strafrechtliche Verstöße wie schwere Beleidigungen oder Übergriffe gegen Polizeibeamte. Während der Arbeit aber gelte für Angehörige des öffentlichen Dienstes der "Grundsatz der Unparteilichkeit", da hätten sie sich "politischer Äußerungen zu enthalten". Was das bedeutet, konkretisierte der Bürgermeister vor allem an einem Punkt: Nicht erlaubt sei am Arbeitsplatz "das Tragen von Buttons, Aufklebern pro oder contra Stuttgart 21".

Personalrat hält Rundscheiben für überflüssig

Für den Gesamtpersonalrat war eigentlich das gesamte Rundschreiben überflüssig. "Es gab nirgendwo Probleme", sagt der Vorsitzende Uwe Theilen. Schon gar "keinen Anlass" sah er für das Verbot von Buttons. Auch die Stadträte zeigten mit Ansteckern ganz offen, was sie - so oder so - von dem Bahnprojekt hielten; da müsse man es den Mitarbeitern nicht verwehren. Am meisten störte Theilen an dem Ukas, dass das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung verletzt worden sei. Murawski bestritt ein solches Recht, also landete der Fall "wegen der grundsätzlichen Bedeutung" vor dem Verwaltungsgericht.

Dort stehen sich die Positionen, wie eine Gerichtssprecherin erläuterte, nun ziemlich konträr gegenüber. Der Personalrat pocht auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch am Arbeitsplatz. Das Tragen einer Plakette für oder gegen etwas könne nach allgemeiner Rechtsprechung nicht beanstandet werden. Zudem sei das Verbot viel zu allgemein, weil es weder Status und Aufgaben der Bediensteten noch den Grad ihres Öffentlichkeitskontakts berücksichtige. Da die "Ordnung im Betrieb" betroffen sei, so die Argumentation, hätte der Personalrat vor dem Buttonverbot gefragt werden müssen.

Ganz anders sieht das die Stadtverwaltung, für die als "Dienststellenleiter" Murawskis einstiger Chef, der Stuttgarter OB Wolfgang Schuster (CDU) den Kopf hinhalten muss. Es gebe gar keinen Stuttgart-21-Ukas, argumentiert sie, vielmehr habe das Rundschreiben "ganz allgemein auf die bestehende Rechtslage hingewiesen". Angesichts der aufgeheizten Stimmung im Bahnhofsstreit sollte dadurch der Betriebsfrieden im Rathaus gesichert werden: Für Andersdenkende könne es nämlich "schwer erträglich" sein, wenn sie ständig mit Bekenntnissen für oder gegen den Tiefbahnhof konfrontiert würden.

Keine Stellungnahme von Murawski

Das Plakettenverbot sieht die Stadt voll durch die Rechtsprechung gestützt, eine differenzierende Lösung wäre nicht praktikabel gewesen: Man könne bei 17.000 Mitarbeitern nicht jeden Einzelfall regeln. Zudem hätte dann jedes Buttonmotiv - bis hin zu sexistischen wie "oben ohne" - einzeln beurteilt werden müssen. Am 8. November wird die 22. Kammer des Gerichts über den Fall verhandeln, vielleicht, so die Sprecherin, falle dann schon eine Entscheidung.

Von Murawski war auf StZ-Anfrage auch nach mehreren Tagen keine Stellungnahme zu erhalten. Ob es im Staatsministerium, wo der Amtschef die Verwaltung leitet, vergleichbare Vorgaben wie im Rathaus gebe? Davon, so der Zwischenbescheid eines Regierungssprechers, sei ihm nichts bekannt.