Der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster will die Bürgerbeteiligung über Stuttgart 21 hinaus auf eine breitere Basis stellen.  

Stuttgart - Der Oberbürgermeister möchte aus der Not eine Tugend machen: "Die Forderungen, die Heiner Geißler in seinem Schlichterspruch zu Stuttgart 21 in Bezug auf das Rosensteinquartier erhoben hat, werden wir erfüllen. Ich schlage dem Gemeinderat darüber hinaus vor, das Themenfeld der geplanten Stiftung Rosenstein auszuweiten und aufzuwerten." Schusters Idee: die Stiftung solle als "Zukunftswerkstatt" agieren, um in den kommenden Jahren die interessierte Bürgerschaft auch in Projekte wie etwa das Schochareal in Feuerbach, das Olgäle-Projekt im Westen, die Neuordnung auf dem Bürgerhospital im Norden oder andere Vorhaben in den Stadtbezirken einzubinden.

 

Wie wiederholt berichtet, hatte Geißler in seinem Schlichterspruch verlangt, die rund einhundert Hektar stadteigener Flächen auf dem Areal von Stuttgart21 der Grundstücksspekulation zu entziehen und den Städtebau, der dort im Jahr 2020 beginnen kann, nach sozialen, ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten auszurichten.

Lutz schlägt ein Zweisäulenmodell vor

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz im Auftrag der Stadt ein Gutachten erstellt: Es schlägt ein sogenannte Zweisäulenmodell vor: einerseits die Stiftung Rosenstein, die das Verfahren konzipiert, organisiert und die Bürgerbeteiligung sicherstellt, andererseits einen städtischen Eigenbetrieb, in den die Grundstücke eingebracht werden, die die Stadt im Jahr 2002 für rund 470 Millionen Euro von der Deutschen Bahn erworben hat.

Auf Drängen des Gemeinderats hat der Dresdener Stiftungsexperte Martin Schulte seit April das Gutachten seiner Stuttgarter Kollegen von Gleiss Lutz unter die Lupe genommen und in dieser Woche um eigene Vorschläge ergänzt. Vor der Presse in Stuttgart sagte Schulte: "Ich schlage vor, dass der Vorstand der künftigen Stiftung als Mediator fungiert - als Mittler zwischen der Bürgerschaft und der Stadtverwaltung." Um dies sicherzustellen, so Schultes Anregung, "sollte die ,Mediationsstiftung Stuttgart21' auch auch eine Anlaufstelle für die Bürgerschaft einrichten". Auf diese Weise wäre ein ständiger Kontakt zwischen der Öffentlichkeit und den für das städtebauliche Projekt auf dem Rosensteinareal gewährleistet.

Der Grundsatzbeschluss soll im Herbst folgen

Nach Auskunft des Oberbürgermeisters hat der Unterausschuss des Gemeinderats zu Stuttgart21 am Donnerstagabend das Gutachten und die Vorschläge des Dresdner Wissenschaftlers entgegengenommen und diskutiert. Schuster sagte: "Die Materie ist höchst kompliziert, deshalb werden wir uns in zwei Wochen erneut zusammensetzen und das weitere Vorgehen festlegen."

Die Sommerpause, die Ende Juli beginnt, könnten der Rat und die Verwaltung dann nutzen, um einen Entwurf für das in der Bundesrepublik bisher einmalige Modell zu erarbeiten; im Herbst, so der OB, sollte der Gemeinderat dann einen Grundsatzbeschluss schaffen. Schuster wörtlich: "Mir schwebt vor, dass die Arbeit der Stiftung und des Eigenbetriebs am 1. Januar 2013 beginnt."

Die geplante Stiftung nicht nur auf das Rosensteinquartier beschränken

Im Zuge der Debatten über die juristisch komplexe Konstruktion einer Stiftung und eines Eigenbetriebs, in deren Gremien interessierte Bürger mitwirken sollen, ist der Oberbürgermeister jetzt noch einen Schritt weitergegangen: "Wir müssen bedenken, dass wir im Rosensteinquartier rund 50 Hektar zu bebauende Flächen haben - die praktische Umsetzung wird jedoch 15 bis 20 Jahre dauern und ein Investitionsvolumen von vier bis fünf Milliarden Euro haben."

Wegen der zeitlichen Dimensionen werde es schwierig sein, so der OB, "die Bürger jetzt schon für eine Mitarbeit zu motivieren". Deshalb werde er dem Gemeinderat vorschlagen, die geplante Stiftung nicht nur auf das Rosensteinquartier zu beschränken - ihm schwebe vor, daraus "ein Modell für eine Bürgerbeteiligung zu machen, die grundsätzlich früher einsetzt und tiefer wirkt als bisher". Dies sei für ihn eine Lehre aus Stuttgart21.