Ungewöhnlich viele Menschen aus dem Kosovo kommen ins Land. Der Stuttgarter Anwalt Roland Kugler fordert im Interview eine „ehrliche Debatte“ über Armutszuwanderung.

Stuttgart - Die Zahl der Asylbewerber aus dem Kosovo ist in den vergangenen Wochen sprunghaft gestiegen. Ungeachtet der jüngsten Meldung des Bundesinnenministeriums, dass der Trend nun wieder leicht rückläufig sei, wirkt sich die Zuwanderung inzwischen in Stuttgart aus. In der ersten Februarhälfte stammten die meisten der zugewiesenen Flüchtlinge aus dem Kosovo. Wie realistisch sind beschleunigte Asylverfahren? Ein Gespräch mit dem Fachanwalt Roland Kugler.

 
Herr Kugler, nach Baden-Württemberg sind in den vergangenen Wochen ungewöhnlich viele Menschen aus dem Kosovo gekommen. Inwiefern merken Sie das in Ihrer Kanzlei?
Bei uns spiegelt sich das noch nicht wider. Menschen aus dem Kosovo kommen bisher nur vereinzelt. Ähnliches höre ich von Kollegen. Ich vermute aber, dass sich das noch ändert, wenn etwas Zeit verstrichen ist.
Was erzählen die Klienten, was sie dazu treibt, ihre Heimat zu verlassen?
Das ist verschieden, aber es ist mir jetzt schon einige Male passiert, dass gesagt wurde, sie seien hier, um zu arbeiten. Ich habe dann erklärt, dass der Weg über das Asyl der falsche ist. Die nächste Frage lautete: Wie lange können wir hier arbeiten, wenn wir einen Asylantrag stellen.
Warum wird nicht versucht, auf normalem Weg eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu bekommen?
Das Problem ist, dass Menschen ohne Berufsabschluss auf legalem Weg keine Möglichkeit haben, nach Deutschland zu kommen. Die Optionen, die es gibt, richten sich an qualifizierte Bewerber: Akademiker oder Menschen aus einem sogenannten Mangelberuf wie Altenpfleger. Vor sechs Jahren war der deutsche Arbeitsmarkt selbst diesen Gruppen verschlossen.
Die Innenminister wollen Asylverfahren für Menschen aus dem Kosovo auf 14 Tage verkürzen. Wie realistisch schätzen Sie das ein?
Ich halte das für unmöglich. Asylverfahren in 14 Tagen, das gab es noch nie. Wir haben Rechtsmittelfristen, die einzuhalten sind. Das europäische Recht schreibt vor, dass ein Asylbewerber zu seinem Asylbegehren angehört werden muss. Ohne Anhörung darf es keine Entscheidung geben. Das ist ein Mindeststandard, der eingehalten werden muss. Das ist aber in 14 Tagen nicht zu machen. Ich habe eine iranische Mandantin, die wartet seit 18 Monaten auf ihre Anhörung. Ich befürchte, dass sich die Fälle wirklich Verfolgter noch weiter hinziehen, wenn man jetzt versucht, die Menschen aus dem Kosovo vorzuziehen.
Und wenn das Kosovo sicherer Herkunftsstaat würde, brächte das etwas?
Auch dann kommen Sie um die Anhörung nicht herum. Auf sie kann nur im Fall einer Flüchtlingsanerkennung verzichtet werden, wie bei den syrischen Flüchtlingen. Syrer dürfen ihre Fluchtgeschichte und ihren Reiseweg schriftlich schildern – und dann kommt die positive Entscheidung. Die Erklärung des Kosovo zum sicheren Herkunftsstaat würde zwar einen Beschleunigungseffekt beim Bundesamt für Migration haben, doch für die Rechtsmittel bringt es kaum etwas.