Bei den Stuttgarter Kickers steht im heißen Trainingslager in Südtirol auch Rafting auf dem Programm. Der Fußball-Drittligist hat sein Camp in St. Leonhard im Passeiertal aufgeschlagen – wie 2014 die deutsche Nationalelf.

St. Leonhard - Im blauen Trikot der Stuttgarter Kickers gibt der Mann mit der Nummer zehn gerne lautstark den Ton auf dem Platz an. Das kalte Wasser ist dagegen nicht so das Element des temperamentvollen Italieners Enzo Marchese: Beim Rafting nahm der Kapitän des Fußball-Drittligisten im Trainingslager in St. Leonhard freiwillig in der hintersten Reihe des aufblasbaren Bootes Platz. Zusammen mit fünf weiteren Mitspielern an Bord paddelte er durch das eiskalte Wildwasser der Passer – als alternative Trainingseinheit während des Vorbereitungscamps in Südtirol.

 

Seit dem vergangenen Samstag bereiten sich die Drittliga-Profis aus Degerloch im 3600-Seelen-Ort St. Leonhard auf die nächste Saison vor, trainieren zweimal täglich im Stadion des Südtiroler Landesligisten ASC Passeier. Die Bootsfahrt war eine Abwechslung dazu – nicht mehr und nicht weniger. „Ich halte nichts von einmaligem Teambuilding“, sagt der Trainer Horst Steffen, bevor er ins Rafting-Boot mit den Betreuern steigt, „das funktioniert meiner Erfahrung nach nicht, denn im Spiel ist alles vergessen.“ Vielmehr versuche er „den Zusammenhalt im Team“ jeden Tag auf dem Platz zu vermitteln.

Das Tal der Weltmeister

Das Passeiertal zwischen Timmelsjoch und Meran gilt seit dem vergangenen Jahr als „Tal der Weltmeister“: Abgeschottet von rund 2000 Meter hohen Bergen bereitete sich die Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien vor, der Bundestrainer Joachim Löw legte dort mit seinen Jungs den Grundstein für den Titel.

In St. Leonhard ist man aber auch stolz auf seine aktuellen Gäste, begrüßt die Stuttgarter mit einem Transparent am Ortseingang und lädt Einwohner und Touristen zum kostenlosen Testspiel gegen den österreichischen Zweitligisten FC Wacker Innsbruck an diesem Mittwoch ins heimische Stadion ein. „Andere machen Urlaub hier, wir machen Trainingslager“, sagt Steffen über die guten Bedingungen vor Ort.

Nur die anhaltenden Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius machen seinen Spielern zu schaffen: Daniel Engelbrecht, der an einer Herzmuskelentzündung leidet und daher bei jedem Spiel einen Defibrillator unter dem Trikot trägt, musste aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig heimreisen. Der Neuzugang Edisson Jordanov trat die Reise nach Südtirol gar nicht erst an: Der Mittelfeldspieler hatte sich ja noch auf heimischem Boden verletzt.

Nur fünf der sechs Boote kommen ins Ziel

Im Passeiertal sorgt Marc Stein derweil selbst für Abkühlung, indem er nach einer harten Trainingseinheit in den nahegelegenen Fluss springt: „Das ersetzt die Eistonne.“ Wegen der Hitze lässt der Trainer seine Spieler bereits um 9.30 Uhr antreten, die zweite Einheit des Tages findet erst am frühen Abend statt. Somit bleibt ausreichend Zeit für die Regeneration: Die meisten Spieler gehen nach dem Mittagessen auf ihre Zimmer und ruhen sich aus. „Bei einem Zeitraum von neun Tagen muss sich jeder mit seinem Zimmerpartner arrangieren“, sagt Enzo Marchese. Der Spielführer teilt sich das Hotelzimmer mit seinem Stellvertreter Sandrino Braun, mit dem er sich auch privat gut versteht.

Auf dem Platz gibt es noch Abstimmungsschwierigkeiten, Positionen müssen ausgelotet werden – deshalb lässt der Coach Steffen seine Spieler zunächst in verschiedenen Formationen auflaufen. Steilpässe und Standardsituationen werden eingeübt, bevor es auf dem Kleinspielfeld ans Eingemachte geht. „Die Jungs wollen immer nur spielen“, weiß der Trainer aus Erfahrung. Damit keine Langeweile aufkommt, nimmt Steffen kurzfristig einen 30-minütigen Lauf ins Programm – nach ausgiebigem Aufwärmen mit Pilatesübungen: „Da war das Gejammer wieder groß.“

Einig waren sich Spieler und Betreuer dagegen bei der alternativen Trainingseinheit: Unter drei Auswahlmöglichkeiten habe sich die Mannschaft gemeinsam fürs Rafting entschieden, betont der Coach, der dabei selbst „bespaßt werden“ wollte. Das Zusammenspiel der Mannschaft an Bord ist indes noch ausbaufähig: Von sechs Booten kamen nur fünf im Ziel an – eins blieb auf der neun Kilometer langen Wildwasserstrecke auf einem Felsbrocken liegen.