Der Grüne Fritz Kuhn stand beim Treffen der Kanzlerin mit den abgasbelasteten Städten im Zentrum des Interesses. Er hat Geld bekommen, um die Schadstoffwerte in der Landeshauptstadt zu senken – sieht aber vor allem andere in der Pflicht.

Stuttgart - Stuttgarts OB Fritz Kuhn stand beim Treffen der Kanzlerin mit den abgasbelasteten Städten im Zentrum des Interesses. Geld allein reicht ihm nicht.

 
Herr Kuhn, wie fühlt man sich, wenn man plötzlich als Deutschlands Stickoxid-König im Berliner Rampenlicht steht?
Stuttgart steht mit dem Problem nicht alleine. Bei uns tritt die Abgasbelastung wegen der topografischen Lage mit dem Kessel zwar geballter auf, aber München und viele andere Städte haben dieselben Probleme. Viele Oberbürgermeister haben der Bundesregierung klar zu verstehen gegeben, dass sie die Städte nicht alleine lassen darf.
Wie groß ist der Sack Geld, mit dem Sie zurückkehren?
Wir können davon ausgehen, dass wir als besonders belastete Stadt ordentlich bedacht werden. Über die genaue Größenordnung zu spekulieren, wäre aber verfrüht. Schließlich ist die eine Milliarde Euro, die nun bereitgestellt wird, für alle betroffenen Städte gedacht. Wir sind aber mit meinem Konzept „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ gut vorbereitet und werden bis Oktober viele zuschussfähige Projekte und Vorhaben auflisten. Ich gehe davon aus, dass wir mehrere von ihnen dann zeitlich vorziehen können.
Welche könnten das sein?
Ein Thema wird die Nachrüstung der Dieselbusse sein, die noch nicht die Euro-6-Norm erfüllen. Wir planen weitere Brennstoffzellen- und Hybridbusse zu kaufen, von denen wir bereits 18 Stück haben. Wir haben vor, im Bereich Elektromobilität, zum Beispiel bei der Taxi-Infrastruktur, mehr zu tun. Wir brauchen Geld für den Radwegebau und ein Fahrradparkhaus. Wir überlegen, ob man nicht am Österreichischen Platz einen sogenannten Hub einrichten könnte, wo Waren angeliefert und mit Elektrolastenrädern zu den Geschäften gefahren werden, damit weniger Transporter die Luft in der Innenstadt belasten. Die Liste ist noch länger.
Allein damit werden die Grenzwerte nicht eingehalten.
Richtig. Bund und Autoindustrie müssen jetzt dafür sorgen, dass der Stickoxidausstoß bei Dieselfahrzeugen tatsächlich um 30 Prozent sinkt, wie das mit der Softwarenachrüstung versprochen wurde. Zudem muss der Bund den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs stärker fördern. Wenn wir etwa die Stadtbahnlinie U19 vom Stadion zum Daimler-Werkstor und dem Daimler-Museum verlängern wollen, kostet das sehr viel Geld. Da muss der Bund nach der Bundestagswahl dringend helfen.
Der ÖPNV-Ausbau dauert. Wann wird der Grenzwert denn realistischerweise eingehalten?
Ich spekuliere nicht, weil das im Wesentlichen davon abhängt, ob die Autoindustrie bei der Nachrüstung etwas zustande kriegt. Das ist der große Brocken, den wir aber nicht beeinflussen können.
Ärgert Sie das erneute Nein zur Blauen Plakette?
Ich bin überzeugt, sie kommt nach der Wahl. Wären Fahrverbote einmal höchstrichterlich entschieden, ginge es nicht mehr ohne, um Verbote umzusetzen.
Fühlen Sie sich vom Bund im Stich gelassen?
Wer gerade eine Milliarde bekommen hat, kann schlecht sagen, er werde im Stich gelassen. Aber bei der Frage, welche Aufgaben der Bund lösen muss, muss mehr geschehen. Da sind wir noch nicht zufrieden. Zumindest wurde die Frage heute andiskutiert.
Und warum erst nach so vielen Jahren Debatte?
Das frage ich mich manchmal auch.
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