Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Februar 2000
– Nach zwölf Jahren unter anderem in Deutschland kehrt Slahi nach Mauretanien zurück.

 

September 2001 –
Er wird nach den Anschlägen des 11. September von FBI-Agenten wegen Terrorverdachts verhört.

November 2001 –
Die CIA fliegt ihn nach Jordanien aus.

Juli 2002 –
Die Amerikaner bringen ihn nach Afghanistan.

August 2002
– Flug nach Kuba.

Die Bilder aus Guantanamo sind zu Inbildern der Grausamkeit geworden: Gefesselte Männer in orangen Anzügen, die mit verbundenen Augen vor den Wachen knien. Es gibt andere Berichte, etwa des deutschen Häftlings Murat Kurnaz, und nicht zuletzt den jüngst vorgestellten Untersuchungsbericht des US-Senats. Doch Slahis Buch ist das erste große Originaldokument, das von einem Gefangenen in Guantanamo selbst verfasst wurde. Es beschreibt seine Gefangenschaft bis 2005 und konnte erst nach langem Rechtsstreit veröffentlicht werden. Slahi wird ohne Prozess weiter in seiner Zelle auf Kuba festgehalten, obwohl 2010 ein US-Bundesrichter seine Freilassung verfügte – gegen die allerdings die US-Regierung Berufung einlegte.

Slahis Buch ist trotz seiner Seitenhiebe auf die Heuchelei der USA kein politisches Dokument. Über seine Lebensgeschichte als Mujahid in Afghanistan, über seine, nach eigenen Angaben nur losen, Kontakte zu Al-Qaida-Mitgliedern, die ihn ins Visier der Amerikaner brachten, erfährt man nichts. Auch über mögliche objektive Verdachtsgründe bleibt man im Unklaren. Sagt Slahi die Wahrheit? Sein Text blickt in Abgründe des Menschen – und strahlt zugleich Humanität aus, besonders wenn der Autor seinen Humor aufblitzen lässt.

Die USA hatten willige Helfer

Eine dieser Szenen ist etwa der Moment als einem christlich-fundamentalistischen Wärter klar wird, dass er zwar Slahi im Jenseits in der Hölle schmoren sieht – doch dass das aus Sicht des Gefangenen umgekehrt genauso der Fall ist: „Er war erleichtert, weil ich ihn ebenfalls in die Hölle schickte: Tja, – dann kommen wir also beide in die Hölle und treffen uns dort!“ Für Absurditäten sorgen die US-Zensoren mit ihren penetranten Schwärzungen im Buch auch selbst. Sie sind oft so schlecht gemacht, dass sie zum Beispiel nicht verhüllen, dass Slahi auch von Frauen verhört und sexuell gedemütigt wurde. Das Porträt, das der Häftling von seinen Peinigern zeichnet, weist über den historischen Kontext hinaus: Folterer erniedrigen nicht nur ihre Opfer – sie entwürdigen auch sich selbst. Die Amerikaner hatten willige Helfer, ob es nun Jordanier waren, auf welche die USA vor Guantanamo als outgesourcte „Folter-Fachkräfte“ zurückgriffen oder ob es Ägypter sind, die auf Kuba Gefangene auf ihre Weise „bearbeiten“ durften. Slahi schreibt sogar von einem Verhör durch Beamte des Bundesnachrichtendienstes auf Guantanamo 2002, die bei ihren Drohungen nicht zimperlich waren. „Wenn Sie wollen, dann können wir die Wachen auffordern, Sie an die Mauer zu hängen und in den Arsch zu treten!“, sagte laut Slahi einer von ihnen. Wenn es um die aktuelle Islamistenangst geht, darf man sich in Deutschland durchaus daran erinnern.

Mohamedou Ould Slahi: Das Guantanamo Tagebuch.
Herausgegeben von Larry Siems. Aus dem Amerikanischen von Susanne Held. Tropen-Verlag/Klett-Cotta, Stuttgart. 459 Seiten, 19,95 Euro.

Chronik einer Gefangenschaft

Februar 2000
– Nach zwölf Jahren unter anderem in Deutschland kehrt Slahi nach Mauretanien zurück.

September 2001 –
Er wird nach den Anschlägen des 11. September von FBI-Agenten wegen Terrorverdachts verhört.

November 2001 –
Die CIA fliegt ihn nach Jordanien aus.

Juli 2002 –
Die Amerikaner bringen ihn nach Afghanistan.

August 2002
– Flug nach Kuba.

2003 bis 2004 –
Slahi wird in Guantanamo einem „Spezial-Befragungsplan“ unterzogen, der vom US-Verteidigungsminister Rumsfeld persönlich genehmigt wurde.

Sommer 2005 –
Slahi verfasst sein Tagebuch.

März 2010 –
Ein US-Richter ordnet Slahis Entassung an.

September 2010
– Ein Berufungsgericht verlangt eine neue Prüfung des Falls. Er ist immer noch anhängig