Die Klage von Ex-Ministerin Tanja Gönner gegen die Verwertung ihrer Mails befremdet: Sie sollte die Aufklärung des „schwarzen Donnerstags“ befördern, nicht blockieren, kommentiert der StZ-Redakteur Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist einerseits das gute Recht von Tanja Gönner, die Auswertung ihrer Mails aus dem Herbst 2010 gerichtlich verhindern zu wollen. Ob die Klage Erfolg hat, muss man sehen. Andererseits befremdet ihr Vorgehen, und das gleich aus mehreren Gründen. Der Untersuchungsausschuss zum „schwarzen Donnerstag“ hatte ihr ein überaus faires Angebot gemacht: Bei der Auswahl, welche Mails dienstlicher Natur waren, hätte Gönner selbst mitwirken dürfen; Privates wäre so von vornherein aussortiert werden.

 

Bei der Ex-Ministerin liegen die Dinge auch etwas anders als bei ihrem Ex-Chef Stefan Mappus, der die Löschung seiner Mails bereits erfolgreich durchgesetzt hat. Anders als Mappus, der die Brücken zur Politik weitgehend abgebrochen hat und heute Privatmann ist, bekleidet Gönner nach wie vor ein öffentliches Amt. Ohne ihre guten Kontakte zur Kanzlerin wäre sie wohl kaum an die Spitze der halbstaatlichen Entwicklungsorganisation GIZ gelangt. Von jemandem in solcher Verantwortung kann man erwarten, dass er zur Klärung von Vorgängen aus seiner Vergangenheit als Regierungsmitglied aktiv beiträgt und sie nicht blockiert; damit schürt Gönner den Verdruss über Politiker nur weiter.

Welche „Dritten“ will Gönner schützen?

Wer soll der CDU-Frau eigentlich glauben, sie klage keineswegs deshalb, weil sie etwas zu verbergen hätte? Ihr Auftritt als Zeugin vor dem Ausschuss gab zusätzlich Anlass zu Misstrauen. In diversen brisanten Punkten – etwa der Abstimmung mit Mappus über den Polizeibericht – konnte sie sich angeblich nicht mehr erinnern oder will erst gar nicht informiert oder zuständig gewesen sein.

Aufhorchen ließ vor allem Gönners Erklärung, sie schütze nicht nur ihre eigenen Rechte, sondern auch die Dritter. Welcher Dritter – etwa von Berliner Spitzenpolitikern, deren Rolle im Herbst 2010 noch nicht hinreichend ausgeleuchtet ist? Der seltsame Anruf von Merkels Kanzleramt in Stuttgart, zum Beispiel, ist bis heute ungeklärt. Der Ausschuss tut gut daran, ob Gönners Spiel auf Zeit nicht die Geduld zu verlieren und seine Arbeit zu beenden, sondern das Urteil zu den Mails abzuwarten.