Seit drei Monaten kann man im ehemaligen Bonus-Markt in Steinhaldenfeld Boxen lernen. Es geht um Kraft, Kondition, Disziplin und natürlich Spaß am Sport. Cannstatt-Reporterin Annina Baur hat eine Probestunde bekommen.

Bad Cannstatt - Beschaulich geht es zu in Steinhaldenfeld. Erst recht in den Sommerferien. Am Kiosk an der Stadtbahnhaltestelle halten Verkäuferin und Kundin ein Schwätzchen, ein älterer Herr lässt sich in der Sonne ein Eis schmecken. Ein- und Zweifamilienhäuser säumen die Falchstraße, kaum ein Auto ist an diesem Augusttag unterwegs. Wer möchte, kann inmitten des ruhigen Cannstatter Stadtteils aber richtig Gas geben. Vor drei Monaten hat die Thaibox Akademie Stuttgart im ehemaligen Lebensmittelmarkt eröffnet. Bad Cannstatt-Reporterin Annina Baur wollte wissen, was sich dahinter verbirgt und hat bei Andreas Elsässer eine Einzelstunde bekommen.

 

Boxen ist nichts für Weicheier, das wird schon in den ersten Minuten klar. Das Aufwärmen hat es in sich: Seilspringen steht an. Vorwärts, rückwärts, auf einem Bein und mit angezogenen Knien. „Bei den Erwachsenen stehen drei mal fünf Minuten Seilspringen auf dem Plan“, erklärt der Ingenieur, der das Studio zusammen mit Nordin Firaouni und Phisit Saengwilai vor genau drei Monaten, Ende Mai diesen Jahres, eröffnet hat. 100 Mitglieder kommen inzwischen regelmäßig zum Training, 40 davon sind Kinder und Jugendliche. „Die Kinder sind alle aus Steinhaldenfeld, Erwachsene kommen auch von weiter her.“ Doch zurück zum Aufwärmtraining, das mit ein bisschen Seilspringen natürlich noch nicht vorbei ist: Unterarmstütz, Kräftigung für den Bauch und Joggen im Kreis runden das 30-minütige Warm-Up ab. Seitgalopp und Schubkarre gehören auch dazu – ich fühle mich an den Schulsport erinnert.

Kraft und Kondition

Das ändert sich schlagartig, als wir mit den ersten Box-Übungen beginnen. Kleine Schrittstellung und dann los: Einmal mit dem linken Arm schlagen, einmal mit dem rechten – erst einmal wird die richtige Technik trainiert: Die Faust dreht sich, die Hand, die gerade nicht schlägt, bleibt immer eng am Gesicht – Deckung ist oberstes Gebot beim Boxen. Wenn die Jabs sitzen, werden die Beine mit einbezogen. Links, rechts boxen, Knie nach oben in Richtung Bauch des Gegners ziehen. Variante: links, rechts boxen, einmal mit gestrecktem Bein kicken. „Beim Sidekick kommt es darauf an, zuerst einen Schritt zu machen und dann die Hüfte mit zu drehen“, erklärt Elsässer. Boxen, Kickboxen und Thaiboxen stehen auf dem Kursplan der Schule. Alles ist schweißtreibend, fördert Kraft und Kondition. Doch nirgends geht es so hart zu wie beim Thaiboxen: Ellenbogen, Knie, Kicks gegen das Schienbein und den Gegner „clinchen“, also die Person packen, ziehen und auf den Boden werfen, ist erlaubt.

Den Kreislauf auf Hochtouren bringen

Spätestens jetzt ist mir warm. Doch bereit für den Ring bin ich noch nicht, findet mein Trainer. Zuerst müssen meine Hände bandagiert werden. „Das stabilisiert die Handgelenke.“ Erst dann dürfen seine Schüler die Boxhandschuhe überziehen und noch mal richtig schwitzen. „Bevor es in den Ring geht, wird der Kreislauf auf Hochtouren gebracht.“ Heißt im Klartext: Boxen und Knie anziehen jetzt mit Handschuhen – und zwischendurch zur Wand rennen. Hin und her, her und hin – und dabei natürlich weder langsamer werden noch Kraft einbüßen. Zwei Minuten dauert ein Durchgang, die Stoppuhr an der Wand verkündet mit lautem Signal das Ende. Andi ist heute gnädig: „Eigentlich stehen drei Durchgänge an, aber heute gehen wir gleich in den Ring.“ Puh. Glück gehabt.

Was folgt, ist allerdings nicht weniger anstrengend: Boxschlag links, rechts, einmal Knie anziehen, einmal kicken. Jede Trainingsrunde dauert zwei Minuten, solange wie eine Wettkampfrunde im Thaiboxen. Kommt einem übrigens länger vor, wenn man selbst boxt, als wenn man mit einer Tafel Schokolade auf der Couch einen Boxkampf im Fernsehen verfolgt. Aber ich halte durch. Mein Trainer ist zufrieden und setzt deshalb gleich noch einen drauf. Die nächsten zwei Minuten sind was für Fortgeschrittene, erklärt er mir. Boxschlag rechts, Boxschlag links, ein Hecksprung, ein Liegestütz. Was können zwei Minuten lang sein! Ich muss die Zähne zusammenbeißen. Aber aufgeben ist keine Option. Schließlich will ich kein Weichei sein. Und am Ende bin ich schweißgebadet, aber glücklich.