Die Polizei würde die Theodor-Heuss-Straße gerne in eine 30er-Zone mit Blitzgeräten umwandeln. Eindrücke einer Kontrolle, bei der ein Ferrari-Fahrer selbst abschleppen will und ein Taxifahrer ohne Fahrerlaubnis unterwegs ist.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Richtig spannend wird es erst nach 24 Uhr. Mitternacht ist an der Theodor-Heuss-Straße Geisterfahrerstunde. Nicht, weil sich vereinzelt Verkehrsteilnehmer auf die falsche Spur verirren, sondern weil die bösen Buben dann mit ihren getunten Autos und Motorrädern an der Partymeile entlang rasen, um die Mädchen zu beeindrucken. Zumindest solche, die sich von Rennlenkrad, Felgen und einem mattschwarz lackierten 3er-BMW verführen lassen.

 

Vor einer Woche hatte ein junger BMW-Fahrer einen schweren Unfall auf der Theodor-Heuss-Straße verursacht, bei dem nur durch ein Wunder keine Fußgänger verletzt wurden. Da wurde es dem grünen Oberbürgermeister und ausgewiesenen KFZ-Skeptiker Fritz Kuhn, der im Wahlkampf einst medienwirksam mit der U-Bahn unterwegs war, zu viel. Er erklärte das seit Jahren bestehende Raser-Problem auf der Theo zur Chefsache und bestellte den Ordnungsbürgermeister und den Polizeipräsidenten ein. Kuhn forderte bei dieser Elefantenrunde ein Konzept ein, wie sich die nächtliche Rennstrecke wieder in eine zivilisierte Straße zurückverwandeln ließe. Polizei und Ordnungsamt tüfteln nun an diesem Konzept. Zur Debatte steht die Installierung einer Zone 30, die allerdings nur nachts greifen soll, und das Aufstellen von Blitzgeräten.

Die Tuning-Szene spiel Katz’ und Maus mit der Polizei

Da man aber eine Bundesstraße nicht so einfach in eine 30er-Zone verwandeln kann, ohne vorher mit dem Bundesverkehrsminister über dieses Vorhaben geplaudert zu haben, dürfte es noch eine Weile dauern, ehe das Konzept zur verkehrstechnischen Befriedung der Partymeile bei Fritz Kuhn auf dem Tisch liegt. Bis dahin hilft nur eine verstärkte Polizeipräsenz, wie Roland Haider, der Leiter der Verkehrspolizeidirektion Stuttgart feststellt.

Das Problem an einer verstärkten Polizeipräsenz ist aber die Tatsache, dass sie sich schnell herumspricht. Die Tuning-Szene spielt an diesem Samstagabend Katz’ und Maus mit der Polizei. „Die warten in den Seitenstraßen, bis wir wieder weg sind“, stellt Haider lakonisch fest.

Es sind mehr Medienvertreter als Autofahrer unterwegs

Tatsächlich sind bis 24 Uhr mehr Medienvertreter als kontrollierte Autofahrer zu beobachten. Zwei Kamera-Teams, eine Radioreporterin und zahlreiche Print-Kollegen sollen transportieren, dass OB Kuhn jetzt aber wirklich ernst macht.

Nach Mitternacht wird es dann endlich ein wenig unterhaltsam. Ein roter Ferrari mit Böblinger Kennzeichen wird gleichzeitig mit einem Golf aus dem Verkehr gezogen. Der Ferrari war der Polizei zu laut, der Golf war nicht verkehrssicher genug. Der Ferrari-Fahrer ist zuerst nicht sehr begeistert, als er seinen Schlüssel abgeben muss. „Die kontrollieren doch nur wegen des Unfalls am vergangenen Wochenende, das ist voll übertrieben, das ist keine nachträglich eingebaute Auspuffanlage“, sagt der Fahrer. Später fragt er den Polizisten, der ihn aus dem Verkehr gezogen hat, ob er KFZ-Meister sei oder wie so er sich so gut auskenne. Und ehe der Abschleppdienst kommt, versucht er noch ganz lässig die Schönheiten aus dem Calwer Golf abzuschleppen. „Sollen wir nicht alle zusammen noch ein bisschen weggehen?“ Die Golf-Gang verneint dankend, eine Dame lässt sich aber immerhin noch auf der Motorhaube des Ferraris ablichten. „Wir wollten heute Abend doch nur die Scheidung meiner Freundin feiern und dann ist hier so viel Polizei“, so eine andere Golf-Insassin.

Ein Taxi-Fahrer ist ohne Fahrerlaubnis unterwegs

Haider, der seit 15 Jahren die Stuttgarter Verkehrspolizei leitet, ist diese Reaktion sehr recht. „Wir müssen der Tuning-Szene die Straße so unattraktiv wie möglich machen. Es muss sich bis nach Göppingen und Waiblingen herumsprechen, dass es sich nicht lohnt, mit einem aufgemotzten Auto auf die Theodor-Heuss-Straße zu kommen“, so Haider. Das Versteckspiel der Raser zu Beginn des Abends zeigt aber auch, dass die Polizeikontrollen kein Allheilmittel sind. Im schlimmsten Fall warten die PS-Protzer in einer Seitenstraße, bis die Beamten wieder abgezogen sind. „Unsere Maßnahmen sind endlich. Bei der Theodor-Heuss-Straße hilft eigentlich nur noch eine bauliche Veränderung“, sagt Haider und ergänzt, das er von Tempo 30 und den Blitzgeräten viel halten würde.

Kurz vor dem Ende der Polizeiaktion fährt ein Cayenne-Fahrer einem Taxi hinten rein. Bei der Kontrolle wird festgestellt, dass der Taxifahrer vor einiger Zeit seinen Führerschein abgeben musste. „Der ist nun ein doppeltes Opfer der Tuning-Szene geworden“, sagt Haider, und lächelt zum ersten Mal an diesem Abend.