Forscher wollten genau herausfinden, was Hunde wirklich können. Es ist weniger, als der Mensch annimmt.    

Stuttgart - Der Terrier Maggie weckte sein Frauchen, als der Kohlenmonoxid-Gehalt der Luft wegen eines defekten Kamins zu hoch wurde. Pudel Sophie weckte wiederum ihre Besitzerin, weil deren Tochter einen diabetischen Schock hatte, und Border Collie Patty holte Hilfe für einen Bauern, der gerade von einer Sämaschine überrollt worden war. Es gibt sie zuhauf, die Geschichten von Hunden, die Notfälle erkennen. Dass Hunde das Verhalten ihres Herrchens nachahmen und schuldig drein schauen, wenn sie etwas Verbotenes gemacht haben, davon gehen viele Hundehalter wie selbstverständlich aus.

 

Die Berichte von erstaunlichen Leistungen haben Forscher dazu inspiriert, zu überprüfen, was Hunde wirklich können. Der kanadische Psychologe William Roberts hat getestet, ob Hunde tatsächlich Hilfe holen, wenn ihr Herrchen in Not gerät. Er ließ Hundebesitzer einen Herzinfarkt vortäuschen. In Sichtweite saßen, ein Buch lesend, zwei weitere Personen.

Doch als die Herrchen und Frauchen zu Boden gingen, machte kein Hund die anderen Personen auf den Notfall aufmerksam. Nur ein Pudel sprang auf den Schoß eines Zeitungslesers - er schmiegte sich an, als ob er gestreichelt werden wollte. Auch in einem zweiten Experiment - die Hundebesitzer lagen dabei unter einem umgekippten Regal und riefen um Hilfe - holten die Hunde keine Hilfe bei Personen, die im Nebenraum waren.

Hunde lernen meist nichts grundsätzlich Neues

"Es mag sein, dass Hunde manchmal in einem solchen Fall Menschen retten", sagt Roberts, "aber ich glaube nicht, dass sie das mit Absicht tun." Menschen seien so oft mit Haustieren zusammen, dass es wohl eher durch Zufall zu solchen Situation komme - und spektakuläre Rettungen seien eben eher einen Bericht wert, als die weitaus höher einzuschätzende Zahl von Begebenheiten, in denen Hunde keine Heldentaten vollbracht hätten.

"Im Prinzip hat die Studie untersucht, ob Hunde wie Lassie aus der Fernsehserie handeln können", sagt Claudio Tennie vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. "Aber solche Fähigkeiten konnten bislang im gesamten Tierreich nicht nachgewiesen werden." Tennie und seine Kollegen haben Experimente gemacht, die viel grundlegendere Begabungen von Hunden untersuchten, nämlich, ob sie Handlungen imitieren können, die ihnen andere Hunde vormachen.

Hunde können Sprengstoff erschnüffeln und Menschen, die unter Lawinen begraben sind, sie können Blinde führen und Jagdbeute apportieren. Durch Training, das heißt durch Belohnung, wenn ein Tier eine Handlung immer besser ausführt, können Hunde darin Perfektion erlangen - aber sie lernen meist nichts grundsätzlich Neues. "Uns Menschen dagegen zeichnet aus, dass wir durch Nachahmen ständig Neues lernen können", sagt Tennie. So lernten wir schnell, Rock 'n' Roll zu tanzen oder einen Computer zu bedienen, Fähigkeiten, die es vor wenigen Generationen noch gar nicht gab. "Für uns ist Imitation so selbstverständlich, dass es uns schwer fällt zu glauben, dass andere Spezies anders lernen", sagt Tennie.

Forscher rekonstruieren Denkweise der Tiere

Mit seinen Kollegen ließ er Hunde dabei zuschauen, wie ein trainierter Hund auf einen Ruf mit einem bestimmten Verhalten reagierte, zum Beispiel damit, sich tot zu stellen. Dem Demonstrierhund war dieses Verhalten antrainiert worden. Dann wurde getestet, ob Hunde, die die Szene beobachtet hatten, diese Handlung öfter ausführten als Hunde, die sie nicht gesehen hatten. Ergebnis: negativ. "Wir haben keinen Hinweis gefunden, dass Hunde imitieren", sagt Tennie.

Zuvor hatten Forscher um Friederike Range von der Universität Wien berichtet, dass Hunde nicht nur imitieren, sondern dabei sogar darauf achten, ob die beobachtete Handlung sinnvoll ist. Die Wissenschaftler hatten einen Border Collie darauf trainiert, eine Klinke zum Öffnen einer Futterkiste mit der Pfote zu betätigen - normalerweise würden Hunde das mit der Schnauze machen.

Unterscheiden Hunde zwischen Vernunft und Unvernunft?

Andere Hunde schauten zu und manche übernahmen das Verhalten auch. Ob sie anschließend die Kiste mit der Pfote öffneten, hing aber davon ab, ob bei ihrem Vorbild die Schnauze durch den Tennisball blockiert war. Trug der Border Collie den Ball in der Schnauze, imitierten ihn die anderen Hunde nicht. Vermutlich dachten sie, dass er die Pfote bloß benutzte, weil er die Kiste nicht mit der Schnauze öffnen konnte - so rekonstruieren zumindest Friederike Range und ihre Kollegen die Denkweise der Tiere.

Was steckt hinter dem Hundeblick?

Claudio Tennie und seine Kollegen sind von dem Experiment nicht überzeugt und haben den Versuch überprüft. In ihrem Experiment trug der Border Collie, der das Öffnen der Kiste vormachte, keinen Tennisball in der Schnauze - der Tennisball hing vielmehr neben der Klinke. Doch schon das genügte, um die anderen Hunde davon abzuhalten, den Border Collie zu imitieren.

Offenbar bewirkt also alleine die Tatsache, dass ein Ball zu sehen ist - egal wo -, dass die Hunde daraufhin die Schnauze benutzen und nicht die Pfote. "Wir haben keinen Hinweis darauf gefunden, dass Hunde unterscheiden können, was vernünftig und was unvernünftig ist", sagt Tennie.

Auch ein anderes scheinbar menschenähnliches Verhalten, das Halter von ihren Hunden zu kennen glauben, haben Wissenschaftler untersucht: den betretenen Blick, der zu zeigen scheint, dass sie sich schuldig fühlen, gegen Regeln verstoßen zu haben. Alexandra Horowitz vom Barnard College in New York erdachte dazu ein Experiment: Ein Hundesnack wurde im Wohnzimmer der Besitzer ausgelegt, der Halter verbot dem Hund, den Snack zu fressen und verließ dann den Raum. Bei einer Gruppe entfernte der Versuchsleiter den Snack dann schnell, bei einer zweiten hielt er es dem Hund direkt zum Fressen hin (diese Einladung nahmen alle Tiere an).

Wir Menschen könnten klüger sein

Als der Besitzer anschließend zurückkam - nicht wissend, was in seiner Abwesenheit geschehen war - blickten alle Hunde schuldig drein, wenn er mit ihnen schimpfte, gleichgültig, ob sie gehorsam gewesen waren oder nicht. Wenn sie den Snack gefressen hatten, aber nicht gescholten wurden, blickten sie nicht schuldig.

Die Studienleiterin schließt daraus, dass der schuldige Blick eine Reaktion auf die Reaktion des Besitzers sei - ohne dass die Hunde verstünden, was in den Augen des menschlichen Halters richtig oder falsch sei. "Das alles heißt nicht, dass Hunde dumm sind", sagt Tennie. Sie seien es sicher nicht. "Wir Menschen neigen allerdings dazu, tierische Verhaltensweisen so zu interpretieren, als ob Tiere wie Menschen handelten." Man könnte auch sagen: wir Menschen könnten klüger sein.