Verhandeln gehört für Politiker zum Kerngeschäft. Dennoch haben die wenigsten richtig gelernt, wie das geht. Die große Mehrheit fühlt sich zwar trotzdem sehr satisfaktionsfähig. Zwei Professoren aus Hohenheim und Potsdam werben trotzdem für Professionalisierung.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wie gut sind die deutschen Politiker eigentlich, wenn es ums Verhandeln geht? Darüber gibt es bisher kaum handfeste Daten. Ein wenig Abhilfe wollen die Wirtschaftswissenschaftler Markus Voeth (Universität Hohenheim) und Uta Herbst (Universität Potsdam) mit einer Studie schaffen, die am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wird. Die Wissenschaftler haben sowohl Parlamentarier als auch Bürger nach ihrer Einschätzung gefragt. Die Abgeordneten selbst – immerhin 353 Angehörige aus dem Europäischen Parlament, dem Bundestag und den Landtagen haben die Fragen beantwortet – geben sich im Durchschnitt eine Zwei minus in dieser Disziplin. Zwei Drittel der Bundes- und Landtagsabgeordneten bewerten ihre eigene Verhandlungsleistung als gut oder sehr gut. Die Europaabgeordneten sind sogar noch selbstbewusster: Bei ihnen sind es 85 Prozent.

 

Bürger geben den Politikern ein knappes befriedigend

Bei der Bevölkerung schneiden die politischen Akteure nicht ganz so gut, aber immer noch ordentlich ab: Die Befragten schreiben der Politik beim Verhandeln eine Drei minus ins Zeugnis. Im internationalen Vergleich attestieren 21 Prozent der befragten Bürger den deutschen Politikern, dass sie besser, 45 Prozent, dass die deutschen gleich gut verhandelten wie die Kollegen aus anderen Nationen. Übereinstimmend sehen Politiker (88 Prozent) und Bürger (86 Prozent) das Verhandeln als wichtige Aufgabe. Beide Gruppen halten die Verhandlungen in der Politik für langwieriger, öffentlichkeitswirksamer und komplexer als vergleichbare Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft. Markus Voeth hütet sich, diese Zensuren durch eine eigene Bewertung des wissenschaftlichen Verhandlungsgeschicks der deutschen Politiker zu ergänzen. „Als Wissenschaftler interessieren mich Fakten“, sagt er auf eine entsprechende Frage. „Da stelle ich fest, dass es keine Untersuchungen zur objektiven Messung der Verhandlungsleistung von Politikern gibt. Allerdings wissen wir aus anderen, zum Teil eigenen Studien, dass Menschen, die das Verhandeln gelernt haben, anschließend bessere Verhandelnde sind.“

Die Professoren wollen weg vom Prinzip „learning by doing“

Ob sie geschickt sind beim Verhandeln oder sich eher dumm anstellen, überlassen die Führungskräfte in Deutschland offenbar weitgehend dem Zufall. Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft wird laut der Untersuchung aus Potsdam und Hohenheim vor allem auf „learning by doing“ gesetzt. Nur knapp ein Viertel der Politiker (24 Prozent) hat der Studie zufolge das Verhandeln in der Ausbildung oder im Studium gelernt. „Auch unter den Verhandlungsführern in der Wirtschaft hat nur ein knappes Drittel das Verhandeln gelernt“, sagt der Hohenheimer Betriebswirt Markus Voeth dazu. „Das macht die Sache zwar nicht besser, ordnet sie aber als generelles Problem der Verhandlungspraxis ein“.

„Dass sich Politiker selber nicht als exzellente Verhandlungsführer einstufen, ist ehrlich, zugleich aber auch etwas beunruhigend“, meint Ute Herbst, die Direktorin der NAP aus Potsdam . „Immerhin ist das Verhandeln eine Kernaufgabe der Politik.“ Die wichtigste Erkenntnis, die Voeth aus der Studie zieht: „Politiker verhandeln viel, haben das aber überwiegend nie richtig gelernt. Sie sehen das auch als Problem, tun aber wenig dagegen.“ Voeth und Herbst würden das gerne ändern, und stellen ihre Studie sicher nicht ohne Eigeninteresse in Berlin vor. Ihre beiden Institute haben die Negotiation Academy Potsdam (NAP) gegründet, deren zweiter Standort Hohenheim ist. Ihr Anspruch ist, Verhandlungsforschung und Praxis zusammenbringen. Entsprechende Studiengänge und Seminare haben sie im Angebot.