Im zweiten Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz gegen S-21-Gegner bestätigt ein leitender Beamter die Bagger-Episode um Stefan Mappus und Siegfried Stumpf. Doch Interpretationen gehen auseinander.

Stuttgart - Ekkehard Falk bleibt dabei: „Wenn es nicht gesagt worden wäre, dann wäre es auch nicht aufgeschrieben worden.“ Was der Leitende Polizeidirektor – seine Berufung zum Konstanzer Polizeipräsidenten musste in den Wirren der Polizeireform vorerst auf Eis gelegt werden – bei seinem Zeugenauftritt vor dem Untersuchungsausschuss Schlossgarten II so umständlich wie trocken formulierte, birgt eine gewisse Brisanz. Denn Falk ist, auch wenn das sicherlich nicht in seiner Absicht lag, einer der Urheber der neuerlichen parlamentarischen Beschäftigung mit dem Schwarzen Donnerstag und der von Grünen und SPD vermuteten politischen Einflussnahme der Regierung Stefan Mappus auf den Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten.

 

Der Bagger müsse rein, und wenn Stumpf nicht wolle, „dann hole ich eben Polizei aus anderen Bundesländern“, so fasste Falk im Ausschuss jenen Satz zusammen, der dem früheren Ministerpräsidenten Mappus zugeschrieben wird. Überliefert wurde er bei einer Besprechung von leitenden Polizeibeamten aus dem ganzen Land am 10. September 2010. Der Stuttgarter Polizeipräsident berichtete von dem sich verfestigenden Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21, dem sich stetig erhöhenden Kräftebedarf der Polizei – und dabei erzählte er auch von der Mappus-Äußerung.

Die Besprechung in Stuttgart galt der Frage, welche Polizeireserven aus dem Land zur Verfügung standen, um die dauergestressten Kollegen in der Landeshauptstadt zu entlasten. Stumpf berichtete demnach von einer großen „Emotionalität des bürgerlichen Spektrums“, von Stolperfallen gegen Polizeipferde und anderen Fährnissen. Auch benannte er zwei Ebenen, die den Gang der Ereignisse bestimmten: eine Leitungsebene mit dem Ministerpräsidenten Mappus sowie eine operative Ebene, der er sich selbst zurechnete. Zwischen beiden Ebenen gebe es durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Die Arbeitsebene sei mit ihren Vorschlägen auf der Leitungsebene nicht immer durchgekommen.

Mappus-Äußerung bezieht sich nur auf Nordflügel-Abriss

Die von Stumpf während der Polizeibesprechung überlieferte Mappus-Äußerung bezog sich allerdings auf den Abriss des Nordflügels des Hauptbahnhofs, nicht auf den Schwarzen Donnerstag, weshalb der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Reinhard Löffler, die Episode ohnehin als irrelevant betrachtet, weil sie durch den Untersuchungsauftrag des Ausschusses gar nicht gedeckt sei; der befasse sich nur mit dem Polizeieinsatz im Schlossgarten drei Wochen später. SPD und Grüne sehen das anders. Wenn Mappus schon am Nordflügel Einfluss genommen habe, dann könne das auch prägend für das spätere Vorgehen der Polizei gewesen sein. In der Bagger-Kontroverse mit Mappus war es konkret darum gegangen, dass Stumpf um eine Woche Aufschub bat, weil er mehr Polizei heranführen wollte.

Aber handelt es sich denn dabei überhaupt um eine Einflussnahme oder nur um den in seiner Wirkung überschätzten Wutausbruch eines unduldsamen Regierungschefs? In Ekkehard Falks Notizen finden sich keine Hinweise, dass die Bagger-Anekdote des Polizeipräsidenten bei der Besprechung von den Teilnehmern in der einen oder anderen Richtung kommentiert wurde. Allerdings merkte Falk im Untersuchungsausschuss an, er habe sich schon über die Mappus-Äußerung gewundert: „Ich habe das als schwierig empfunden und aufgeschrieben, weil es doch ein beachtliches Faktum ist.“ Außerdem habe er damals gedacht: „Die Stuttgarter Kollegen habe es auch nicht leicht.“

Forderung nach Aussetzung des Ausschusses fallengelassen

CDU und FDP wiesen im Ausschuss darauf hin, dass das offizielle Protokoll der Besprechung von alledem nichts weiß. Doch sagte die ebenfalls als Zeugin gehörte Protokollantin, sie habe ein Ergebnisprotokoll verfasst, kein Protokoll über den Diskussionsverlauf. Ein Polizeidirektor aus dem Stuttgarter Regierungspräsidium vermochte sich an den Mappus-Satz in der überlieferten Form nicht zu erinnern und nannte es auch „ganz normal, dass es unterschiedliche Vorstellungen“ zwischen der Polizei und der politischen Ebene gebe.

Ein Polizeibeamter aus dem Präsidium Karlsruhe bestätigte, dass Stumpf von einer „engen politischen Begleitung“ des Projekts Stuttgart 21 gesprochen habe, allerdings sei er selbst bei der Besprechung gar nicht dabei gewesen, sondern habe dies von seinem Chef gehört, dem jetzigen Inspekteur der Polizei, Detlef Werner.

Berichte vom Hörensagen aber wollten CDU und FDP nicht gelten lassen. Der FDP-Abgeordnete Timm Kern resümierte die Zeugenbefragung: „Der Versuch vor allem der Grünen, eine politische Einflussnahme zu konstruieren, ist heute gescheitert.“ Der Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl sagte, eine endgültige Wertung liege ihm fern. Voll bestätigt sieht sich Sckerl durch den Auftritt des Landesdatenschutzbeauftragten Jörg Klingbeil. Dieser attestierte dem Untersuchungsausschuss wie auch der Landesverwaltung im Streit um die Verwertung von Mails und Notizen der damals Beteiligten: „Ich bin der Überzeugung, dass die Ministerien sorgfältig draufgeschaut haben, dass man nicht willkürlich alles Material an Land zieht.“ Die Ministerien hatten dem Ausschuss Daten zum Polizeieinsatz im Zusammenhang mit den Protesten gegen das umstrittene Bauprojekt Stuttgart 21 im Umfang von 200 Aktenordnern übergeben.

Es gilt noch Probleme mit Mail-Accounts zu lösen

Noch nicht gelöst ist dagegen, wie mit den Mail-Accounts zweier wichtiger ehemaliger Mitarbeiter des Staatsministeriums umzugehen ist. Die beiden Beamten hätten sich zunächst bereit erklärt, zusammen mit Dritten ihre Mails durchzusehen und in private und dienstliche zu trennen, berichtete Klingbeil. Bei einigen Mails konnte aber offenbar keine Einigung erzielt werden, ob bei der Öffnung private oder eben auch dienstliche Sachverhalte zu Tage kämen.

Die auf Magnetbändern abgelegten Datensätze von 600 Mitarbeitern des damals von Tanja Gönner (CDU) geführten Umwelt- und Verkehrsministeriums können laut Justizministerium unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit genutzt werden. Klingbeil erkennt jedoch gewisse Probleme mit dem Fernmeldegeheimnis. In nicht-öffentlicher Sitzung beantragte der CDU-Obmann Reinhard Löffler ein Gutachten, um die Verfassungsmäßigkeit des Ausschusses prüfen zu lassen.

Aus seiner Sicht missbrauchen Grün-Rot das Gremium als „Kampfinstrument“. Seine Forderung, die Arbeit des Ausschusses aus diesem Grund vorerst auszusetzen, ließ Löffler jedoch fallen.