Amerikas Politiker haben fürs Erste einen Weg aus der Schuldenkrise gefunden. Neuer Streit über einen wirklichen Sparkurs ist bereits absehbar.

Washington - Barack Obama hat nicht glücklich ausgesehen. Als der US-Präsident vor die Fernsehkameras trat, konnte er zwar verkünden, dass sich Demokraten und Republikaner nach langem Hin und Her auf einen Kompromiss geeinigt haben, der eine Erhöhung der Schuldenobergrenze zulässt und damit die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA verhindert, aber Obama stellte sich selber die Frage, ob er mit dem Kompromiss zufrieden sein könne und beantwortete sie mit einem klaren: "Nein."

 

Das ist kein Wunder, denn erreicht wurde nur, dass die USA in der Nacht zum Dienstag die Schuldenobergrenze von bisher 14,3 Billionen Dollar um 900 Milliarden Dollar sofort anheben konnten. Damit kann die Regierung ihre Rechnungen weiter begleichen, kann die Überweisungen an die Pensionäre tätigen und auch ihre Staatsbediensteten vorerst weiter bezahlen. In einem zweiten Schritt wird die Obergrenze zum Jahresende noch einmal nach oben gesetzt, so dass der Schuldenberg insgesamt bis auf 16,7 Billionen Dollar steigen kann. Damit, so hofft Obama, sollte das Thema Schulden im anstehenden Präsidentschaftswahlkampf keine Rolle mehr spielen, bis Anfang 2013 sei die Zahlungsfähigkeit gesichert.

Schulden wachsen schneller als Wirtschaftsleistung

Die Anhebung der Schuldenobergrenze ist eine Praxis, die in dem mächtigsten Land der Welt seit Jahren üblich ist, weil die Schulden schneller wachsen als die Wirtschaft. In der Amtszeit von Obamas Vorgänger George W. Bush kletterten die Schulden von 5,8 Billionen Dollar auf gut zehn Billionen mit einem jährlichen Wachstum von 7,8 Prozent. In der gleichen Zeit wuchs die US-Wirtschaftsleistung dagegen nur um durchschnittlich 4,9 Prozent pro Jahr. Durch die Finanz- und anschließende Wirtschaftskrise beschleunigte sich das Tempo unter der Regierung Obama, in nur zwei Jahren kamen weitere 3,5 Billionen Dollar Schulden hinzu. Die US-Wirtschaft dagegen wuchs in diesem Zeitraum trotz aller Konjunkturprogramme kaum.

Die Republikaner wollten den Kurs des demokratischen Präsidenten nicht mehr mittragen, vor allem die 87 Abgeordneten der rechten Tea Party wollten die drohende Zahlungsunfähigkeit dazu nutzen, um Obama zu einem Sparkurs zu zwingen. Der Präsident selbst drang schon vor Wochen auf eine Grundsatzlösung, mit der er die Staatsschulden binnen zehn Jahren um vier Billionen Dollar verringern wollte. Der Kompromiss, der nach langem und heftigem Ringen erzielt wurde, bleibt weit dahinter.

Arbeitsgruppe soll Sparplan ausarbeiten

Übrig geblieben ist ein Zweistufenplan, der in der Phase eins bis 2021 gerade einmal Einsparungen von einer Billion Dollar vorsieht. Eine Arbeitsgruppe aus Demokraten und Republikanern soll bis zum Herbst einen weiteren Sparplan ausarbeiten, der Kürzungen um 1,8 Billionen Dollar vorsieht. Einzelheiten stehen dazu noch nicht fest, es wird nur vage von Einschnitten ins soziale Netz und einer Steuerreform gesprochen. Die von Obama angestrebte Steuererhöhung für Amerikas Reiche, US-Bürger mit einem Einkommen über 250.000 Dollar pro Jahr, ist nach dem Kompromisspapier vom Tisch - der Präsident hat sie dennoch nicht ausgeschlossen. Neuer Streit ist also schon absehbar.

Nach Einschätzung von Ökonomen und Analysten ist der gefundene Kompromiss, der am Montagabend noch von den beiden Kammern der US-Regierung abgesegnet werden musste, ohnehin nur eine Notlösung. Die USA bewegten sich auf einem schmalen Grat zwischen ausufernden Defiziten und einem Abwürgen der Konjunktur durch harte Sparmaßnahmen, urteilte die Commerzbank. Das langfristige Schuldenproblem der USA bleibe weiter ungelöst. Selbst wenn die verabredeten Einsparungen erreicht würden, werde der Schuldenberg weiter wachsen, meinen Analysten. Daher sei auch die Gefahr, dass die Ratingagenturen die Topbonitätsnote der USA herabstufen, noch nicht gebannt.

Das Beste an der Nachricht sei, dass die Zahlungsunfähigkeit der USA verhindert werde, sagten Börsenhändler in Frankfurt. Dies hätte zur Folge haben können, dass die Finanzmärkte erneut in heftige Turbulenzen geraten wären. Vor allem die Banken rund um den Globus wären in Schwierigkeiten gekommen, weil sie über US-Staatsanleihen mit an den Schulden des Landes beteiligt sind und diese bei einer Abwertung der Bonität durch die Ratingagenturen im Wert hätten berichtigen müssen. Die griechischen Schulden seien damit verglichen verschwindend gering, betonten Analysten.

Japanische Regierung begrüßt den Kompromiss

Die deutsche Bundesregierung betonte, sie sei sehr zufrieden, dass es eine Einigung in dieser schwierigen Frage gegeben habe, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin. Auch die japanische Regierung begrüßte den Kompromiss und äußerte die Hoffnung auf eine Beruhigung der Märkte. Die USA stehen bei Japan mit mehr als 900 Milliarden Dollar in der Kreide. China als größter Gläubiger der USA warf der Politik in Washington unverantwortliches und unmoralisches Handeln vor.

Mit Erleichterung nahmen die europäischen Aktienmärkte den Kompromiss auf. Der Deutsche Aktienindex und der Euro-Stoxx 50 legten erst zu, am Nachmittag drehten die Märkte jedoch schon wieder, weil schlechte Konjunkturdaten aus den USA die Stimmung verdarben. Parallel dazu zogen sich einige Investoren aus dem sicheren "Anlagehafen Gold" zurück: Das Edelmetall verbilligte sich nach seiner Rekordjagd der Vorwoche auf 1618,09 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Auch die meisten übrigen europäischen Börsen zogen zunächst kräftig an, bröckelten dann aber wieder ab. In Asien das gleiche Bild: während in Tokio der Nikkei-Index höher schloss, fiel das Plus in Shanghai deutlich magerer aus. Der Euro verharrte bei 1,44 Dollar und lag damit auf dem Niveau des Schlusskurses aus der Vorwoche.

Die Detaila des Schuldenkompromisses

Option: Der Vorschlag ermöglicht Obama, die Schuldenobergrenze von derzeit 14,3 Billionen Dollar in drei Schritten zu erhöhen. Der Kongress hat die Möglichkeit, zwei dieser Schritte abzulehnen.

Einschnitte: Vorgesehen sind Ausgabenkürzungen auf Bundesebene von rund 2,4 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren. Davon sollen 917 Millionen Dollar Einsparungen sofort in Kraft treten, wenn der Deal beide Kammern im Kongress passiert hat. Die übrigen 1,5 Billionen Dollar an Kürzungen sollen bis Ende des Jahres ausgehandelt werden.

Planung: Die erste Runde an Kürzungen betrifft die Teile des Bundeshaushalts, über die der Kongress jedes Jahr abstimmt. Sie reichen von Mitteln für Rüstungsprojekte bis hin zu Ausgaben zur Lebensmittelkontrolle. Die ersten Kürzungen sollen noch moderat ausfallen, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Über die nächsten zehn Jahre fallen die Einschnitte dann immer größer aus.

Rüstung: Von den insgesamt 917 Milliarden Dollar an Einsparungen entfallen etwa 350 Milliarden Dollar auf den Rüstungsetat sowie weitere Posten für die Sicherheit. Die Republikaner lehnen dies eigentlich ab. Der Punkt bleibt einer der umstrittensten.

Vorgehen: Ein Kongress-ausschuss, der mit jeweils sechs Vertretern beider Parteien besetzt sein wird, soll sich bis Ende des Jahres auf Details der zweiten Runde von Kürzungen verständigen. Dies dürfte eine Steuerreform und eine Überprüfung der Sozialprogramme einschließen. Beide Felder sind umstritten.