Die Stadt Stuttgart will 75 Millionen Euro in einen innovativen Schulcampus investieren. Doch die vier Schularten in Vaihingen wollen keinen gemeinsamen Unterricht der Fünft- und Sechstklässler.

Stuttgart - Die Idee, vier Schularten auf einem neu zu gestaltenden Vaihinger Campus auch pädagogisch zu einem Pilotprojekt zusammenzuführen, wird dort entgegen der Planung der Stadt mittelfristig nicht umgesetzt werden. Es wird keine gemeinsame Sekundarstufe eins geben. Vor allem das Hegel-Gymnasium hatte den Vorschlag von Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) für eine gemeinsame Orientierungsstufe aller Fünft- und Sechstklässler in einem „Lernhaus“ vehement abgelehnt.

 

Inzwischen haben sich die vier Campuspartner – neben dem Hegel-Gymnasium auch die Robert-Koch-Realschule, die Pestalozzischule und die Verbundschule Rohr – auf ein „Campushaus C4“ geeinigt: mit modernster Medien- und Laborausstattung, mit Werkstätten, Räumen zum Musiküben, Arbeitsräumen für Lehrer und Schüler, einem Theater- und Versammlungsraum und einer Sternwarte. Diese Infrastruktur würden alle Schulen nutzen wollen – im wesentlichen aber jede für sich.

Stadt will 75 Millionen Euro in Schulcampus investieren

Dass die vier Schulen dem von Eisenmann initiierten Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vor knapp zwei Jahren in der pädagogischen Linie nicht folgen würden, hatte sich schon kurz darauf abgezeichnet. Das Konzept der Stadt sieht vor, 75 Millionen Euro zu investieren, um durch Sanierungen und Ersatzneubauten einen neuen Campus „mit hochmodernem Ansatz“ zu schaffen. Das war nicht nur auf die Räume, sondern auch auf die Pädagogik bezogen.

Doch ein Bekenntnis zur Gemeinschaftsschule kam nur von Sabine Nafe, der Leiterin der Pestalozzischule, einer Grund- und Werkrealschule, die den Rückgang der regulären Anmeldungen mit der Aufnahme von Inklusionsschülern zu kompensieren versucht. Die Robert-Koch-Realschule lehnt eine Gemeinschaftsschule jedoch mit klarer Mehrheit ab, wie deren Leiter Fred Binder sagt, der auch Campussprecher ist. „Die Kollegen konnten sich das einfach nicht vorstellen.“ Barbara Graf, die Leiterin des Hegel-Gymnasiums, hatte schon damals klargestellt: „Wir werden uns aus der Gemeinschaftsschulgeschichte raushalten und ein Gymnasium bleiben.“

Debatte über Kooperation der Schulen verunsichert Lehrer

Binder sagt, bereits die Debatte über eine mögliche Kooperation der Schularten habe die Kollegien verunsichert und am Gymnasium einen Anmelderückgang zur Folge gehabt. Viele Kollegen hätten „Ängste, ob man in einer Lerngruppe drei verschiedene Niveaus unterrichten kann“. Vorübergehend sei das Hegel-Gymnasium sogar ganz aus dem Campus-Projekt ausgestiegen. Dahinter habe wohl die Angst gestanden, dass das Gymnasium Gemeinschaftsschule werden müsste, ohne das zu wollen, so Binder. Deshalb habe man die Idee vom gemeinsamen „Lernhaus“ für die Orientierungsstufe, ursprünglich als Herzstück des Campus gedacht, verworfen.

Das neue Motto heißt: „Vier gestalten Schule“, so Binder. Am 23. Juni werde man das Konzept im Bezirksbeirat und am 14. Juli im Schulbeirat vorstellen.“ Man habe intensiv daran gearbeitet, unterstützt von einem externen Prozessbegleiter. „Die Kollegen aus den vier Schulen sind sich auf Augenhöhe begegnet.“ Die Kernfrage sei gewesen: „Was brauchen unsere Schüler auf dem Campus in Vaihingen?“

Synergien bei Schulsozialarbeit und Berufsorientierung

Vom Ergebnis sei er „begeistert“, so Binder. Im C4 sollen die Schüler aller Schulen in einem großen Labor mit Lern- und Arbeitsinseln naturwissenschaftliche und technische Experimente machen. Neben dem (getrennten) Fachunterricht, auch in Musik und Kunst, soll es im C4 auch schulartenübergreifende Angebote geben, etwa in Form von AGs. Synergieeffekte gebe es auch bei der Schulsozialarbeit, die Berufsorientierung könne ebenfalls zentral erfolgen. Und, so fügt Binder hinzu: „Die Kinder dieser vier Schulen treffen sich in diesem Haus.“ Durch eine Schülerbibliothek sowie Arbeitsplätze für Schüler und Lehrer werde sich womöglich ganz von allein der eine oder andere Kontakt ergeben.

Im Herbst soll ein Architektenwettbewerb vorbereitet werden, im Frühjahr mit der Planung des C4 begonnen werden.