Baden-Württemberg will, dass die „Ewigen Chemikalien“ unter bestimmten Umständen weiter eingesetzt werden dürfen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Der Name Nicole Hoffmeister-Kraut dürfte in vielen Brüsseler Amtsstuben bestens bekannt sein. Mit großer Regelmäßigkeit reist Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin in die EU-Hauptstadt, um für die Interessen ihres Bundeslandes zu werben. Auch am Dienstag war die CDU-Politikerin erneut in Brüssel, um mit den Verantwortlichen das umstrittene Thema des geplanten EU-Verbots von sogenannten Pfas-Chemikalien zu diskutieren. Viele von ihnen sind zwar giftig und reichern sich über lange Zeit gefährlich in der Umwelt an. Auf der anderen Seite sind sie für die Produktion von Produktion von Windrädern, E-Autos, Energiespeicher oder Halbleiter im Moment noch immer unverzichtbar.

 

Unabsehbare Folgen für Hightechbranche

Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission sieht aber vor, die gesamte Pfas-Stoffgruppe kurz- bis mittelfristig zu verbieten. Die Landesregierung in Stuttgart hält ein pauschales Verbot allerdings für fatal, da es unabsehbare Folgen etwa für den Hochtechnologiebereich hätte. „Verlagerungen von Produktionsstandorten in andere Weltregionen wären absehbar. Damit würden Abhängigkeiten vom außereuropäischen Ausland erheblich vergrößert. Das in einer Zeit, in der wir unsere Wirtschaft stärken und Abhängigkeiten verringern müssen“, argumentiert Nicole Hoffmeister-Kraut am Dienstag am Rande einer auswärtigen Kabinettssitzung in Brüssel.

Rückendeckung erhält sie vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. „Solche Stoffe gehören nicht in die Umwelt“, betonte er in Brüssel und berichtet geradezu empört über die Verseuchung eines Ackerareals und des Grundwassers in Rastatt durch die sogenannte Ewigkeitschemikalie. Als Ursache wird die Verschmutzung von Ackerland mit Kompost angenommen, der mutmaßlich mit Pfas-belasteten Papierschlämmen versetzt war. Ein Kompostunternehmen aus Baden-Baden soll das Gemisch bis Ende 2008 auf Feldern in den Kreisen Baden-Baden und Rastatt ausgebracht haben.

Keine Alternativen zu den Ewigkeitschemikalien

Dann aber formuliert auch Kretschmann das große Dilemma: „In manchen Bereichen sind einfach noch keine Alternativen zu den Stoffen vorhanden.“ So sieht er kein Problem für ein Verbot etwa im Fall von Regenjacken, in denen sich wegen der wasserabweisenden Eigenschaften ebenfalls Pfas befinden kann. Plädiert aber, wie Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut, für sehr genau definierte Ausnahmen in bestimmten Industriebereichen. Auf längere Sicht sieht Kretschmann aber ein Ende der Verwendung von Pfas-Chemikalien durch die Industrie.

Millionen Tonnen Pfas gelangen in die Umwelt

Schätzungen zufolge werden in den kommenden 30 Jahren mindestens 4,4 Millionen Tonnen Pfas in die Umwelt gelangen, wenn es keine Regelung für die risikoreichen Chemikalien gibt, wie es in dem Papier der EU-Kommission heißt. Im Moment berät die EU-Chemikalienagentur ECHA über ein mögliches Verbot. Zuvor konnten sich in einer öffentlichen Konsultation alle betroffenen Unternehmen, Verbände und Gruppen dazu äußern. Die Entscheidung trifft die Europäische Kommission schließlich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten. Mit dem Beginn einer Umsetzung des Verbots wird frühestens 2026 gerechnet.