Muss das Staatsministerium alte Mails von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus löschen? Darum geht es am Mittwoch vor dem Verwaltungsgerichtshof. Das Urteil ist wichtig für den zweiten Ausschuss zum schwarzen Donnerstag.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - In der Terminvorschau des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg liest sich der Rechtsstreit wie einer von vielen. „M. gegen Land Baden-Württemberg wegen Löschung von Daten“, wird da für diesen Mittwoch, 10.30 Uhr, angekündigt. Doch das Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 S 1352/13 ist alles andere als gewöhnlich. „M“ steht für Stefan Mappus, den früheren CDU-Ministerpräsidenten, bei den Daten handelt es sich um seine nur vermeintlich gelöschten Mails vom Herbst 2010 aus dem Staatsministerium. Darunter sind jene Dokumente, die den zweiten Untersuchungsausschuss zum „schwarzen Donnerstag“ im Stuttgarter Schlossgarten mit ausgelöst haben.

 

In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte der Ex-Regierungschef vor gut einem Jahr überwiegend obsiegt. Die Richter verpflichteten das Land, drei Dateien mit Sicherungskopien seines Outlook-Postfaches zu löschen – allerdings erst, nachdem diese dem Landesarchiv zur Übernahme angeboten worden seien. Dagegen hat das Land Berufung eingelegt. Laut VGH argumentiert Mappus, personenbezogene Daten seien nach dem Landesdatenschutzgesetz zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich sei. Das Land halte dem entgegen, die Speicherung der Dateien und deren Nutzung seien „zur Erfüllung staatlicher Aufgaben erforderlich“. Die mündliche Verhandlung werde voraussichtlich zwei Stunden dauern, sagte ein Gerichtssprecher der StZ; eine Entscheidung werde am Mittwoch „sicher nicht“ verkündet.

Wichtig für zweiten Schlossgarten-Ausschuss

Für den Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz ist das VGH-Urteil von großer Bedeutung. Die Mails von Mappus liegen dem Gremium zwar vor, so weit sie den „schwarzen Donnerstag“ betreffen. Im Zuge der Ermittlungen vor dem Wasserwerfer-Prozess wurden sie von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und später dem Landtag zugeleitet. Doch von der Entscheidung der Richter hängt es mit ab, wie der Ausschuss mit anderen, bisher nicht ausgewerteten Datenbeständen umgeht. Da die betreffenden Rechtsfragen bisher höchstrichterlich nicht geklärt seien, solle man den Spruch aus Mannheim abwarten, hatte der Landesdatenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil dem Gremium empfohlen. Drei Datenbestände dürften für die Aufklärung des Polizeieinsatzes und der Umstände des ersten Untersuchungsausschusses von Interesse sein:

– Mail-Kopien aus dem Herbst 2010 existieren nicht nur von Mappus, sondern auch von einstigen engen Mitarbeitern: seiner Chefsekretärin, seinem Büroleiter, seinem Medienberater Dirk Metz, dem früheren Staatskanzleichef Hubert Wicker und offenbar auch von Ex-Staatsminister Helmut Rau (beide CDU). Nur Wicker erlaubte es der neuen Regierung bisher, die Daten anhand von Suchbegriffen auszuwerten; besonders ergiebig soll dies nicht gewesen sein. Wegen der anderen Mail-Accounts wartet man nun das VGH-Urteil ab.

Tauziehen um die Daten von zwei Beamten

– Auch von zwei höheren Beamten, die auf der Mitarbeiterebene Schlüsselfiguren beim Polizeieinsatz und dessen Aufarbeitung waren, gibt es noch Mails und Dateien. Es handelt sich um einen einstigen Abteilungsleiter und einen früheren Referatschef, die beide nicht mehr im Staatsministerium tätig sind. Im März wurden die Daten gemeinsam mit ihnen gesichtet, um Privates und Dienstliches einvernehmlich zu trennen; die Beamten verweigern aber auch die Einsicht in den dienstlichen Teil. Wie das Tauziehen weitergeht, dürfte ebenfalls vom VGH-Urteil abhängen.

– Der größte noch vorhandene Datenbestand, nämlich 600 Outlook-Postfächer, stammt aus dem einstigen Umwelt- und Verkehrsministerium. Darunter sind auch Daten von Ministerin Tanja Gönner und ihrem Amtschef Bernhard Bauer, gegen den inzwischen wegen des Verdachts auf Aussagedelikte ermittelt wird. Gönner hat bisher nicht erklärt, ob sie einer Auswertung zustimmt. Auch hier wird vom VGH mehr rechtliche Klarheit erhofft.

Kopien erst durch StZ-Recherchen entdeckt

Die Kopien der Mappus-Mails waren im Herbst 2010 wegen technischer Probleme von einer externen Firma angefertigt worden. Ans Licht kam dies 2012 durch Recherchen der Stuttgarter Zeitung: Erst auf eine StZ-Anfrage hin erfuhr das Staatsministerium hausintern, dass Mappus seine Festplatte hatte vernichten lassen. Daraufhin erkundigte sich die Staatsanwaltschaft nach möglicherweise noch erhaltenen Daten, was prompt zur Entdeckung der Kopien führte; man habe den Vorgang vergessen, hieß es entschuldigend. Bei einer Durchsuchung wurden die Mails kurz darauf von der Justiz beschlagnahmt. Während Staatsanwaltschaft, Landgericht und Landtag die Mails teils kennen, hat das Staatsministerium sie bisher nicht gelesen.