Seit mehr als zwei Jahrzehnten steht die lokalpolitische Forderung im Raum: Die Buslinie 65 soll zum Flughafen verlängert werden. Und genauso lang halten die Stuttgarter Straßenbahner dagegen. Die Linie rechne sich schlichtweg nicht.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Der Antrag war zu erwarten. Diesmal kommt er von der CDU Birkach-Plieningen. Überschrieben ist er mit: „Durchbindung der Linie 65 von der Garbe in Plieningen zum Stuttgarter Airport Busterminal zum Fahrplanwechsel im Mai 2016.“ Damit just von jenem Datum an, zu dem die Buslinie 79 eingestellt wird. Also die Hybridbusse, die drei Jahre lang zwischen Plieningen und dem Flughafen gependelt sind: um den Antrieb mit Brennstoffzelle zu erproben und, vor allem, um zu prüfen, ob der Bus genutzt wird. Dies ist seit Jahrzehnten ein Streitthema zwischen Lokalpolitikern und der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB).

 

Im Archiv dieser Zeitung taucht die Forderung, dass die Linie 65 zum Flughafen verlängert werden soll, zum ersten Mal Anfang der 1990er-Jahre auf. Über die Jahre wurde in dieser Sache Antrag um Antrag geschrieben. Mal in Birkach und Plieningen, mal in Sillenbuch und mal in den Neckarvororten. Die Linie 65 ist eine alte Bekannte auf Roland Krauses Schreibtisch, ein Endlosthema. Der SSB-Planer hat den Bezirksbeiräten ein ums andere Mal erklärt, dass sich die Linie nicht rechnet, dass sie ein gehöriges Defizit einbrächte.

Drei Fahrgäste pro Bus

Dass die SSB den 79er wider aller Überzeugung fahren ließ, war „dem politischen Druck“ geschuldet, sagt Krause. Doch die Fahrgastzahlen sprächen für sich. Eine Zählung im Herbst habe ergeben, dass statistisch gesehen drei Fahrgäste in jedem Bus sitzen– zwischen Plieningen und Flughafen, nicht innerorts. „Das ist für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht auskömmlich“, sagt er. 15 000 Euro Einnahmen stünden 600 000 Euro Betriebskosten gegenüber. Das wird er auch auf diesen neuen Antrag aus Plieningen und Birkach antworten. „Wir werden das nicht machen können, weil wir es uns nicht leisten können.“

Einer, der sich damit nicht zufrieden geben wird, ist Jürgen Holzwarth. „Ich traue den Zahlen nicht“, sagt der Birkacher CDU-Bezirksbeirat. Als er am Handy erzählt, warum die SSB die verlängerte Buslinie „schlecht redet“, sitzt er im 65er, in fünf Minuten muss er an der Garbe aussteigen. Für den Bus ist hier Endstation, für Holzwarth an diesem Tag auch, aber er hätte gern die Option, bei Bedarf sitzen zu bleiben bis zum Flughafen. Die Linie braucht es seiner Meinung nach, die Gegenargumente der SSB überzeugen ihn nicht.

Holzwarth weiß wohl, dass der 79er ein „Saisongeschäft“ ist, wie er sagt. Schüler sind auf anderen Linien feste Größen, die gibt’s zum Flughafen nicht.„Das ist keine lukrative Linie. Aber ich bin überzeugt, die wird bald wirtschaftlich sein.“ Es dauere eben seine Zeit, bis eine neue Linie angenommen würde, „dass man nicht morgen den großen Gewinn damit machen kann, wissen wir auch“, sagt Holzwarth. „Das muss sich einpendeln, das ist wie mit einer neuen Straße.“

Nur der Blick in die Zukunft

In ihrem Antrag, den der Bezirksbeirat bei seiner jüngsten Sitzung befürwortet hat, argumentieren die Christdemokraten, dass in „Airport City“ gerade neue Arbeitsplätze entstanden seien, dass es bald einen Fernbusbahnhof gebe und dass Stuttgart 21 die Karten neu mischen wird.

Bei Letzterem würde SSB-Planer Roland Krause nicht gleich widersprechen. „Aber das ist der Blick in die Zukunft“, sagt er. Für den Moment gelte: „Man hat versucht und alles getan, und es hat alles nichts gebracht.“ Dass das Thema demnächst von seinem Schreibtisch verschwindet, ist allerdings ziemlich unwahrscheinlich. Nachdem Roland Krause den Plieninger und Birkacher Antrag beantwortet haben wird, wird mit Gewissheit der nächste hereinflattern.