Die PS-Branche ist elektrisiert von den Zukunftschancen der mobilen Kommunikation. Die Autos sollen künftig auch untereinander Daten austauschen.

Genf/Hannover - Der Siegeszug der Smartphones stellt Autoverkäufer vor ganz neue Herausforderungen. Seit eine Generation heranwächst, die immer und überall erreichbar sein will und keine Sekunde auf Facebook und Twitter verzichten mag, geht es im Verkaufsgespräch nicht mehr so sehr um PS, Hubraum, Drehmoment oder andere technische Angaben. „Diese Generation erwartet von einem Auto mehr als Agilität, Effizienz und Sicherheit“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Diese Kunden „haben ihr erstes Auto auf der Playstation gefahren“, sagt Zetsche. Und ihre erste Frage ist: „Wo kann ich mein iPhone einstöpseln?“

 

Mit der neuen A-Klasse, die derzeit auf dem Genfer Autosalon erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird, will der Stuttgarter Autobauer eine Antwort auf diese Frage geben. „Sie ist ein Smartphone auf Rädern“, sagt Zetsche. Das iPhone wird im Handschuhfach eingestöpselt und überträgt dann alle Bilder, Karten und anderen Informationen auf einen großen Farbbildschirm in der Mitte des Armaturenbretts. Wer die neueste iPhone-Generation 4S hat, kann auch eine Spracheingabe nutzen und zur elektronischen Beifahrerin Siri sagen: „Wo gibt es den nächsten Kaffee?“, „Finde die nächste Tankstelle“, „Spiele ,Turn me on‘ von David Guetta“ oder „Rufe meine Frau an“. Man kann Siri auch fragen: „Brauche ich morgen einen Regenschirm?“, worauf das Fahrzeug per GPS geortet und der entsprechende Wetterbericht vorgelesen wird. Daimler bietet als erster Autohersteller den Internetzugang über das iPhone von Apple. Wer jedoch ein Smartphone eines anderen Herstellers hat, dem bleibt dieser Zugang zum World Wide Web bis jetzt zumindest verschlossen. Man arbeite daran, heißt es. Schwierigkeiten bereite dabei, dass dabei jeweils angepasste Lösungen für die unterschiedlichen Versionen des Betriebssystems Android der einzelnen Gerätehersteller entwickelt werden müssen.

Nicht nur Daimler, sondern die gesamte Autobranche ist elektrisiert von den neuen Chancen der mobilen Kommunikation. Audi präsentiert sich in diesem Frühjahr erstmals nicht nur auf dem Genfer Autosalon, sondern gleichzeitig auf der Computermesse Cebit in Hannover. Zuvor präsentierte sich Audi ebenso wie Mercedes-Benz nicht nur auf der Autoshow in Detroit, sondern auch auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas. „Die IT-Anwendungen und das Auto bewegen sich immer schneller aufeinander zu, das Auto wird ein aktiver Teil des Netzes“, meint Audi-Finanzvorstand Axel Strotbek.

Es geht um die Kommunikation der Autos untereinander

Dabei geht es nicht nur um die Kommunikation des Autofahrers, sondern auch um die Kommunikation der Autos untereinander. Die Wagen werden zu Datenlieferanten. Diese Vernetzung soll den Verkehr sicherer machen. In kritischen Situationen könnten so Autofahrer früher gewarnt werden: Muss ein Wagen vor dem Stauende hinter einer Kurve abrupt bremsen, so blinkt in den Cockpits der nachfolgenden Fahrzeuge in Sekundenbruchteilen eine Warnmeldung auf. Ebenso werden Wagen in der Umgebung frühzeitig gewarnt, wenn der elektronische Schleuderschutz (ESP) eines Autos tückisches Glatteis auf einer Brücke bemerkt.

In diesem Sommer soll der Startschuss für den weltweit größten Feldversuch zum drahtlosen Informationsaustausch zwischen Autos gegeben werden. Geplant ist der Test dieser Technik unter Alltagsbedingungen mit 120 Fahrzeugen im Rhein-Main-Gebiet. An diesem Großprojekt nehmen mehrere Autohersteller und Zulieferer teil, darunter auch Audi, BMW, Daimler und Bosch. Dabei wird es auch Routenvorschläge zum nächsten freien Parkplatz geben oder eine Steuerung der Ampelanlagen je nach Verkehrsfluss.

Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie, meint euphorisch, dass derzeit geradezu „eine Revolution in den Köpfen“ stattfinde. „Wir sind hier auf einem langen und spannenden Weg“, sagt Wissmann. „Das Auto wird künftig zur mobilen Kommunikationszentrale.“ Die Vernetzung des Autos sei neben den Anstrengungen zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen derzeit das herausragende Thema. Alle Unternehmen investierten erheblich. Die große Bedeutung habe sich im letzten Herbst bei der zur Frankfurter Automesse IAA veranstalteten Konferenz zum Thema Car IT (Informationstechnik im Auto) gezeigt, die ein starkes Interesse gefunden habe und wo ein „unglaublich kreativer Dialog“ stattgefunden habe.

2016 sollen 80 Prozent der verkauften Autos vernetzt sein

„In den nächsten fünf Jahren geht rund um das vernetzte Fahrzeug die Post ab“, sagt Matthias Bentenrieder von der Unternehmensberatung Oliver Wyman voraus. Im Jahr 2016 sollen nach einer Studie der Berater bereits 80 Prozent der weltweit verkauften Fahrzeuge vernetzt sein. Die jährliche Wachstumsrate in diesem Bereich wird bis dahin auf mehr als 36 Prozent geschätzt.

Wie stark das Internet im Auto gefragt sein wird, zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey, die deutliche Unterschiede bei jüngeren und älteren Bundesbürgern zeigt. Danach sagten 67 Prozent der 18- bis 39-Jährigen voraus, dass sie in zehn Jahren vom Auto aus auf ihre Daten zugreifen können. Bei den 40- bis 69-Jährigen sind nur 45 Prozent der Befragten dieser Meinung. Bisher benutzen laut dieser Studie hierzulande 28 Prozent der Smartphone-Besitzer ihr Gerät auch im Auto, wobei 60 Prozent der Zeit auf Datenverkehr und nicht auf Telefongespräche entfällt.

Die Berater von Ernst & Young haben vor Kurzem Bundesbürger gefragt, für welche Angeboten besonderes Interesse besteht. Danach legen rund drei Viertel der Befragten Wert auf vernetzte Navigation, die etwa auf aktuelle Staumeldungen oder Wetterwarnungen reagiert. Jeder zweite will Hotels und Restaurants bequem im Auto ausfindig machen und buchen. Fast 40 Prozent der Befragten wünschen sich Entertainment-Angebote im Wagen. Jeder dritte kann sich auch eine Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Wohnung vorstellen. „Obwohl es bislang kaum entsprechende Angebote gibt – der Bedarf ist eindeutig da“, kommentiert Holger Forst, Partner bei Ernst & Young, die Ergebnisse dieser Umfrage.

Zu teuer dürfen die Kommunikationsangebote aber nicht sein

Allzu viel bezahlen wollen die Befragten für die Kommunikationsangebote der Zukunft allerdings nicht. Jede dritte gibt an, nur kostenfreie Angebote nutzen zu wollen, jeder fünfte würde eine Flatrate in Kauf nehmen, bei der keine sichtbaren Zusatzkosten entstehen. „Viele Verbraucher sind an die Kostenloskultur im Web gewöhnt und tun sich schwer damit, für die Vernetzung ihrer Autos Zusatzkosten zu akzeptieren“, bedauert Forst. Gefragt seien deshalb innovative Bezahlmodelle. Der Berater erwartet, dass Autokäufer künftig ihren Wagen inklusive smarter Angebote erwerben werden. Die Kostenabrechnung könnte dann zwischen Autohersteller und Telekommunikationsanbieter erfolgen. Forst rechnet damit, dass hier zunehmend   branchenübergreifende Allianzen geschlossen werden. Autobauer und Telekommunikationsunternehmen müssen eng zusammenarbeiten und ihre Entwicklungs- und Investitionskosten gemeinsam über die Autopreise refinanzieren.

Die Autobauer werden in den kommenden Jahren entscheiden müssen, ob die klassische Arbeitsteilung mit den IT-Unternehmen und Internetfirmen weiterhin gilt oder ob sie eigene Hard- und Software für die Mobilkommunikation entwickeln wie beispielsweise eine eigene Sprach- oder Gestensteuerung.

Daneben können sie auch selbst unterwegs Internetdienste anbieten und damit auch das Serviceangebot erweitern. So können sie etwa über das sogenannte Condition-Monitoring den Betriebszustand des Wagens überwachen oder dem Kunden per Internet neue Winterreifen anbieten und zugleich schon einmal Termine für den Reifenwechsel vorschlagen. „Der Autohersteller wird künftig sehr viel häufiger Kontakt mit den Kunden haben und die Onlinemedien als Vertriebskanal nutzen“, sagt der McKinsey-Berater Andreas Cornet voraus.