Der VfB Stuttgart ist Tabellenletzter und empfängt am Freitagabend Hertha BSC. Die Bedeutung dieses Spiels könnte größer kaum sein – nicht nur für die persönliche Zukunft von Huub Stevens, sondern für den gesamten Verein.

Stuttgart - Die neue Woche beginnt für Huub Stevens sehr früh. Als einer der ersten VfB-Mitarbeiter betritt der Trainer am Montagmorgen die Geschäftsstelle, einige Stunden bevor die Spieler zum Dienst erscheinen. Erst nachmittags um halb vier beginnt das Training, doch Stevens hat auch so genügend zu tun: Gespräche mit seinen Assistenten, Videostudium, Taktikanalyse, allgemeine Lagebesprechung in düsteren Zeiten. Niemand kann behaupten, der Niederländer lasse es im Herbst seiner Trainerkarriere etwas ruhiger angehen – schon gar nicht jetzt, da dem VfB die Woche der Wahrheit bevorsteht.

 

Ein Heimsieg gegen Hertha BSC ist Pflicht

Es ist eine entscheidende Woche für die persönliche Zukunft des Stuttgarter Cheftrainers – und eine fundamental wichtige für den gesamten Verein. Denn am Freitagabend steht dem VfB gegen den Abstiegsrivalen Hertha BSC das vielleicht wichtigste Heimspiel seit Jahren bevor. Zwar wäre der VfB auch im Falle einer Niederlage noch nicht abgestiegen. Doch würde die Hoffnung auf den Klassenverbleib ganz entscheidend sinken. Mit anderen Worten: ein Heimsieg ist Pflicht, auch ein Unentschieden wäre diesmal zu wenig. Ansonsten, sagt der VfB-Stürmer Daniel Ginczek, „ist mit Hertha auch die nächste Mannschaft weg“.

Klägliche zwei Punkte hat der VfB in den sechs Rückrundenspielen gesammelt. Mit viel Mühe und gutem Willen ließen sich die Enttäuschungen bislang zumindest ansatzweise erklären: Mal waren die Gegner zu gut (Bayern, Dortmund), mal fehlte das Glück im Abschluss (Gladbach, Köln), mal kam in der Nachspielzeit das Pech dazu (Hoffenheim). Beim 1:1 am Samstag in Hannover durften die Verantwortlichen nun zumindest einen zarten Aufwärtstrend im Spiel nach vorne konstatieren. Die Erklärungen aber werden ausgehen, wenn auch gegen Hertha der erste Heimsieg seit mehr als fünf Monaten ausbleibt.

Die Verantwortlichen verbreiten Zuversicht

Wie geht man also in diese Woche, an deren Ende für alle Beteiligten so viel auf dem Spiel steht? Was tut man, um mit vollem Tatendrang ans Werk gehen zu können, gleichzeitig aber auch nicht den Kopf zu verlieren? Der Trainer Huub Stevens, der den Rauswurf fürchten muss, stellt sich selbst in den Wind oder nimmt die Sache mit Galgenhumor – und versucht so, den ärgsten Druck von den Spielern zu nehmen. Der Manager Robin Dutt wiederum verbreitet Zuversicht und weigert sich daher standhaft, das Wort Abstieg in sein Vokabular aufzunehmen. Und auch Daniel Ginczek rät dazu, sich nicht zu viele Gedanken zu machen: „Wir wollen am Freitag auf den Platz gehen und Spaß haben. Das ist ein Flutlichtspiel, das müssen wir genießen.“

Beim Thema Abstiegskampf ist Ginczek ein guter Gesprächspartner – der 23-Jährige weiß immerhin, wie es sich anfühlt, diesen Kampf zu verlieren. Im Vorjahr hat es ihn mit dem 1. FC Nürnberg erwischt. Er war damals zwar über weite Strecken der Rückrunde verletzt, aber dennoch immer „sehr nah an der Mannschaft“. Noch gut kann er sich an die Wochen des Hoffens und Bangens erinnern und an das letzte Spiel auf Schalke, das den Abstieg schließlich besiegelt hat. „Danach war sehr viel Trauer“, berichtet Ginczek und sagt: „Noch einmal werde ich nicht absteigen.“

Alles Kopfsache, glaubt er und hat einen interessanten Schlachtplan entworfen, wie die Sache klappen könnte: „Es sind nur noch drei Monate – und wir müssen verinnerlichen, dass wir in dieser Besetzung das letzte Mal zusammen sind. Wir sehen uns häufiger als unsere Frauen, wir sind eine kleine Familie geworden und möchten nicht als Verlierer dastehen. Mit dieser Einstellung müssen wir versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.“

Und wenn es doch nicht klappt? Dann wäre Ginczek immerhin bereit, die Sache im nächsten Jahr zu korrigieren: „Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch im Falle eines Abstiegs beim VfB zu bleiben.“