Vor der fundamental wichtigen Partie in Bremen fahndet der VfB Stuttgart nach Führungsspielern. Doch viele sind nicht in Sicht – aus unterschiedlichen Gründen.

Stuttgart - Zehn Minuten vor Schluss ist die Hoffnung endgültig dahin, doch noch zum Einsatz zu kommen. Für die Einwechslung von Philipp Heise entscheidet sich der VfB-Trainer Jürgen Kramny bei seinem dritten und letzten Spielerwechsel, was für Toni Sunjic, Jan Kliment und Artem Kravets bedeutet: sie haben sich umsonst hinterm Tor von Przemyslav Tyton die Oberschenkel gedehnt. An ihrer guten Laune jedoch ändert das ebenso wenig wir der 0:3-Rückstand gegen Borussia Dortmund. Mit einem kaum verborgenen Lachen begeben sich die drei Reservisten auf den Rückweg zur Ersatzbank.

 

Sunjic, bosnischer Abwehrspieler und im Sommer aus Russland gekommen, Kliment, als Sturmhoffnung zu Saisonbeginn aus Tschechien geholt, und Kravets, Winterleihgabe aus der Ukraine, sind nicht schuld daran, dass der VfB schon wieder gegen den Abstieg kämpft. Doch sollten sich die Stuttgarter offensichtlich besser nicht darauf verlassen, dass in den letzten drei Spielen ausgerechnet die Osteuropa-Fraktion den Karren aus dem Dreck zieht.

Fragt sich nur: wer dann?

Oft und ausgiebig ist bereits in den vergangenen Jahren darüber geklagt worden, dass dem VfB die Anführer fehlen. Nun, da der Abgrund immer näher rückt, wird dieser Ruf besonders laut, denn diesmal scheint die Not am größten.

Die Forderung des Präsidenten bleibt unerfüllt

„Wir müssen weiter an der Mentalität der Mannschaft arbeiten“, sagte der VfB-Präsident Bernd Wahler nach dem leblosen Auftritt in der Vorwoche in Augsburg (0:1) – und nahm vor dem Spiel gegen Dortmund die Stuttgarter Profis in die Pflicht: „Entscheidend wird sein, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht. Sie muss jetzt auf dem Platz Akzente setzen.“ Auf Akzente wartete dann aber nicht nur dem Vereinschef vergeblich. Weitgehend widerstandslos ergab sich der VfB am Ende der Borussia, die beim mühelosen 3:0-Sieg kombinieren durfte wie im Training.

Bremen ist nicht Dortmund“, sagt nun der Manager Robin Dutt vor dem fundamental wichtigen Abstiegsduell am Montag bei Werder. Das stimmt natürlich – andererseits bedarf es gerade in so einem Spiel einer Mannschaft, die über sich hinauswächst. Doch fällt es schwer, sich das vorzustellen, wenn man die letzten VfB-Auftritte gesehen hat und nun den Kader durchforstet auf der Suche nach Spielern, die furchtlos vorneweg marschieren könnten.

Die Ausfälle von Großkreutz, Dié und Ginczek wiegen schwer

Es trifft die Stuttgarter knüppelhart, dass in Serey Dié und Kevin Großkreutz ausgerechnet jene beiden Kräfte ausfallen, die genau für diese Rolle vorgesehen sind. Schwer vermisst wird zudem Daniel Ginczek, der den VfB im Vorjahr mit seinem Siegtreffer in Paderborn vor dem Abstieg bewahrt hat. „Es nützt nichts zu jammern“, sagt Wahler, „unser Kader ist gut genug, um trotz der Ausfälle den Klassenverbleib zu schaffen.“ Das mag in der Theorie stimmen – in der Praxis aber reicht Potenzial alleine häufig nicht. Dann nämlich, wenn auch andere Faktoren eine Rolle spielen.

Daniel Didavi zum Beispiel, ein Mann mit herausragenden Qualitäten, wechselt zur neuen Saison nach Wolfsburg. Niemand wird ihm ernsthaft unterstellen können, das Schicksal seines Heimatclubs sei ihm egal. Doch fällt es eben schwerer, alles aus sich herauszuholen, wenn zumindest die eigene Zukunft gesichert ist. In den letzten Spielen war das deutlich zu sehen.

Die Leiden von Harnik und Niedermeier

Martin Harnik, körperlich zwar wieder fit, mental aber ausgelaugt vom ewigen Abstiegskampf der vergangenen Jahre, wird aller Voraussicht nach ebenfalls Abschied nehmen. Sein Vertrag läuft aus, genau wie der von Georg Niedermeier, dem Inbegriff des Kämpfers. Er wiederum hat es nie verstanden, warum er immer wieder aussortiert wurde, nicht nur von Alexander Zorniger, sondern auch von Huub Stevens vor den entscheidenden Spielen der Vorsaison, als sich Antonio Rüdiger ins Gefecht warf. Soll nun also ausgerechnet Niedermeier retten, was noch zu retten ist? Gegen Dortmund musste er wieder einmal auf die Bank zurück, nachdem er in Augsburg das spielentscheidende Tor verschuldet hatte.

Bleibt am Ende Christian Gentner, der Kapitän. Dass er alles tut, was in seiner Macht steht, dass er redet, gestikuliert und auch sonst alles versucht, um den Abstieg zu verhindern – daran gibt es keinen Zweifel. Ob das reicht, wird man in Bremen sehen. „Wir, die Mannschaft, sind die einzigen, die es richten können“, sagt Gentner.