Morgen startet der VfB ins erste Gruppenspiel der Europa League gegen Steaua Bukarest. Einer der Hoffnungsträger ist Gotoku Sakai. Der hat aber einen großen Trainingsrückstand.

Stuttgart - Das Mittagessen muss auch dieses Mal warten. Eine Flanke nach der anderen tritt Gotoku Sakai vors Tor, obwohl das Mannschaftstraining des VfB längst beendet ist und die ersten Kollegen schon vom Hof fahren. Das sei für ihn völlig normal, das mache er immer, sagt der Japaner, „das gehört zu unserer Mentalität“. Im aktuellen Falle jedoch sind die Zusatzschichten nicht nur mentalitätsbedingt – sondern dringend notwendig.

 

Auf Gotoku Sakai ruhen einige Hoffnungen – nicht nur morgen Abend (19 Uhr, Mercedes-Benz-Arena) im ersten Gruppenspiel der Europa League gegen Steaua Bukarest. Auch in den nächsten Wochen und Monaten, wenn der VfB im Dreitagesrhythmus seine Spiele bestreitet, sind auf der rechten Außenverteidigerposition wegen der Verletzung von Tim Hoogland die Dienste des 21-Jährigen gefragt. Das Problem jedoch ist: Sakai hat großen Trainingsrückstand, „es wird zwar langsam besser, in den Zweikämpfen aber fehlt noch einiges“.

Olympia in London statt Training in Stuttgart

Es ist die Folge eines turbulenten Sommers, der hinter dem Außenverteidiger liegt und keinen vernünftigen Aufbau für die neue Saison zuließ. Nach dem Ende der vergangenen Saison begab sich Sakai – zum Leidwesen des VfB – zur Vorbereitung der japanischen U-23-Nationalmannschaft auf die Olympischen Spiele in London. Von Ende Juli an spielte er das Turnier – anschließend ging es fast nahtlos weiter mit Lehrgängen der A-Nationalmannschaft.

Eine „interessante Zeit“ sei es gewesen, sagt Sakai, vor allem Olympia werde ihm in Erinnerung bleiben. Sehr genossen hat er das Leben im olympischen Dorf, die Begegnungen mit anderen Sportlern, die Atmosphäre in den Stadien – auch wenn er im abschließenden kleinen Finale der Japaner gegen Südkorea (0:2) nicht mehr zum Einsatz kam. Weniger erfreulich dagegen war die viele Reiserei im Anschluss an die Spiele, als Sakai fleißig Bonusmeilen sammelte und immer wieder zwischen Japan und Stuttgart hin- und herpendelte: „Das war alles sehr, sehr anstrengend.“

Von der DFB-Auswahl ist keine Rede mehr

So kam es, dass der Verteidiger fast die komplette Saisonvorbereitung des VfB verpasste – und bei seinen bisherigen Einsätzen weit hinter den Leistungen zurückblieb, die er in seinem ersten halben Jahr in Stuttgart gezeigt hatte. „Ich habe damals vor allem deshalb so gut gespielt, weil ich im Wintertrainingslager in der Türkei die nötigen Grundlagen gelegt hatte.“

Die große Überraschung war Sakai in der Rückrunde der vergangenen Saison. Nach seinem Wechsel von Albirex Niigata in der Winterpause benötigte er keine lange Anlaufzeit und zeigte auf der rechten wie linken Verteidigerposition beeindruckende Vorstellungen. So unbekümmert und offensivstark agierte der Bundesliganovize, dass er aufgrund seiner deutschen Mutter schon als Kandidat für die DFB-Auswahl gehandelt wurde. Davon ist inzwischen nicht mehr die Rede. „Ich denke nur noch an die japanische Nationalmannschaft“, sagt Sakai – und ansonsten vor allem daran, beim VfB wieder in Tritt zu kommen.

Zweimal hat er in dieser Saison gespielt – beide Male war unübersehbar, dass er noch viel Nachholbedarf hat. Beim Auswärtsspiel in Moskau (1:1) fiel dies nicht so ins Gewicht – beim 1:6 in München jedoch offenbarte Franck Ribéry ein paar Tage später schonungslos die Schwächen seines Gegenspielers (und die der ganzen Stuttgarter Mannschaft). „Da habe ich wegen der fehlenden Spielpraxis einige Fehler gemacht, die mir sonst nicht passieren.“

Die Familie lässt die Hoffnung wieder aufkeimen

Jetzt soll es wieder aufwärtsgehen – auch mit Hilfe seiner Frau und der zwei kleinen Kinder, die vergangene Woche in Stuttgart eingetroffen sind und mit Sakai unweit der Wilhelma wohnen. Er sei guter Hoffnung, wieder an die alten Leistungen anknüpfen zu können, wenn er erst mal richtig fit sei, dann komme alles andere von alleine. Die nötige Spielpraxis wird er bekommen – zumindest zwei Monate dürfte Hoogland nach seinem doppelten Bänderriss im Sprunggelenk ausfallen.

Beim 0:0 gegen Düsseldorf passierte dieses Malheur – zur allgemeinen Verwunderung war Sakai in diesem Spiel von Trainer Bruno Labbadia nicht einmal für die Ersatzbank nominiert worden. „Kein Problem für mich, der Trainer entscheidet“, sagt der Japaner, der vermutlich nie auf die Idee käme, sich öffentlich zu beschweren. Auch das gehört neben dem Arbeitseifer zur Mentalität der Fußballspieler aus Fernost.