Nach den frustrierenden Monaten auf der Reservebank schließt der 22-jährige VfB-Spieler Timo Gebhart einen Wechsel nicht mehr aus.

Stuttgart - Auf dieses Andenken hätte Timo Gebhart (22) verzichten können. Sein rechter Oberarm schillert in den buntesten Farben, da sich darauf ein gewaltiger blau-gelb-grüner Fleck gebildet hat. Das ist die Folge des Duells, das er am vergangenen Sonntag gegen Arjen Robben geführt hat. Diese Partie gegen den FC Bayern bedeutete eine doppelte Premiere für Gebhart. Zum einen stand er beim 1:2 erstmals in dieser Saison in der Startelf des VfB Stuttgart - und das nach der Hinausstellung von Cristian Molinaro auch noch in einer Rolle, die er zuvor nie besetzt hatte: als Verteidiger. Gut, dass er da nun neben dem Fleck eine weitere Erinnerung an seinen Auftritt mitnehmen kann - die, dass er auch ein brauchbarer Abwehrspieler ist.

 

Nachzufragen bei Robben. Der Weltstar hat nicht viele Zweikämpfe gewonnen - und so ergibt sich vor der Begegnung des VfB in Wolfsburg eine kuriose Situation, die es in der 48-jährigen Bundesligageschichte vermutlich noch nie gegeben hat. Gebhart dürfte einen Platz in der Mannschaft sicher haben. Die Frage ist nur, ob er als rechter Verteidiger aufläuft oder als Linksaußen - zwei Positionen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Das ist der Gipfel an Vielseitigkeit und Flexibilität.

Der Frust wurde immer schlimmer

Aber zunächst einmal ist er sowieso froh, überhaupt wieder dabei zu sein, nachdem er es als einstige Stammkraft bis zum vergangenen Sonntag in dieser Saison nur auf sieben Einwechslungen gebracht hatte. Deshalb liegen schwere Wochen und Monate hinter Gebhart, in denen bei ihm ein unangenehmes Gefühl immer stärker wurde: "Jenes, hier nicht mehr gebraucht zu werden", wie er es selbst beschreibt. Dieser Eindruck ist im Herbst von Tag zu Tag beherrschender geworden, woran auch die Gespräche nichts ändern konnten, die er mit dem Trainer Bruno Labbadia führte. Im Gegenteil, sein Frust wurde immer schlimmer. Offensichtlich ist in seinem Verhältnis zum VfB etwas kaputtgegangen.

Nicht, dass er die Argumentation von Labbadia gar nicht verstanden hätte, der meinte, "dass ich wegen meiner Verletzung im Sommer noch Nachholbedarf besitze", sagt Gebhart. Öffentlich monierte der Trainer zudem taktische Mängel bei seinem Schützling, dem er speziell ein unzureichendes Defensivverhalten vorhielt. Mit dieser Kritik habe er sich ja auch auseinandergesetzt, sagt Gebhart. Er glaubte, Fortschritte zu machen. "Ich habe dazugelernt", sagt er, aber seine Lage besserte sich dennoch nicht.

"Ich habe gegrübelt und gegrübelt"

So nahm die Misere ihren Lauf und entwickelte eine nicht ungewöhnliche Eigendynamik. Überall habe ihn das Thema verfolgt, ob in den Diskussionen mit der Familie oder bei Freunden oder um die Ecke beim Bäcker, sagt Gebhart: "Ich habe gegrübelt und gegrübelt. Bei mir und in meinem Umfeld dreht sich doch alles um Fußball."

Hinzu kam, dass er auch innerhalb der Mannschaft plötzlich anders wahrgenommen wurde als zuvor in den guten Zeiten. "Zumindest habe ich mir das eingebildet", sagt Gebhart, der nicht immer lachen konnte, wenn ein Kollege wie etwa Martin Harnik wieder mal eine flapsige Bemerkung über sein Reservistendasein machte. "In solchen Phasen fühlt man sich schnell angegriffen und ist sensibler und empfindlicher als sonst", sagt Gebhart.

Alle Möglichkeiten offen lassen

Das ist die Verfassung, in der er sich nach wie vor befindet. Noch ist seine Grübelei nicht abgeschlossen. Er sei zwar keiner, der bei Problemen gleich davonlaufe oder den Kopf hängenlasse, sagt Gebhart, aber eines will er beim VfB jetzt spüren: Vertrauen. Und wenn nicht? "Wenn man mir signalisieren würde, dass man nicht mehr unbedingt auf mich baut, würde ich mir Gedanken machen."

Das heißt, dass Gebhart einen Vereinswechsel in der Winterpause nicht mehr grundsätzlich ausschließt, was er bisher immer getan hatte. Jetzt will er sich alle Möglichkeiten offenlassen - auch einen Transfer nach Hoffenheim, wo Ernst Tanner der Manager ist. Ihn kennt Gebhart schon, seit er mit 15 Jahren den FC Memmingen verlassen und sich der B-Jugend von 1860 München angeschlossen hat.

Gebhart nimmt es, wie es kommt

Dort arbeitete Tanner damals als Chef der Nachwuchsabteilung. Er war die treibende Kraft bei dieser Verpflichtung. Wiederholt sich die Geschichte vielleicht sieben Jahre später im Kraichgau? "Jetzt konzentriere ich mich zuerst einmal auf die letzten beiden Spiele vor der Winterpause - und danach sehen wir dann weiter", sagt Timo Gebhart.

Die erste Partie findet in Wolfsburg statt. Wenn er die Wahl hätte, würde er lieber Linksaußen als rechter Verteidiger spielen. Denn dass er einen ähnlichen Weg wie in den 70er Jahren der beim VfB erfolgreich vom Stürmer zum Abwehrrecken umgeschulte Manfred Weidmann gehen wird, glaubt Gebhart nicht - obwohl er das Lob von Labbadia nach der Partie gegen die Bayern gerne gehört hat. "Da hat er seine Sache sehr, sehr ordentlich gemacht", sagte der Trainer, der sich rechts hinten zwischen Gebhart und dem jungen Antonio Rüdiger (18) entscheiden muss.

Gebhart nimmt es, wie es kommt. "Momentan ist meine Stellung nicht so, dass ich Ansprüche erheben kann", sagt er, "ich will einfach nur spielen." In diesem Fall ließe sich dann sogar ein weiterer blauer Fleck relativ leicht verschmerzen.

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