Matthieu Delpierre, Cacau und Christian Gentner tun sich schwer mit ihrer Rolle als Leitfiguren in der Mannschaft des VfB.  

Stuttgart - Als Markus Babbel in der Novemberkrise von 2009 nicht mehr weiter gewusst hat, veränderte er die Hierarchie. Der damalige Teamchef entmachtete den Kapitän Thomas Hitzlsperger und ersetzte ihn durch Matthieu Delpierre. Als Cacau wenig später um einen neuen Vertrag pokerte, verlangte er neben einer Gehaltserhöhung mehr Wertschätzung vom Club. Der VfB reagierte, indem er ihn zum Vizekapitän bestimmte. Und als Fredi Bobic im August gefragt wurde, wer ein Führungsspieler sei, nahm der Manager speziell Christian Gentner in die Pflicht.

 

Drei Spieler, ein Los: die Last ist für die Häuptlinge in spe offenbar zu gewaltig, die Verantwortung scheint sie zu überfordern, ja zu lähmen. Jetzt haben Delpierre, Cacau und Gentner sogar ihren Stammplatz verloren. Beim 1:1 am Samstag in Bremen saßen sie draußen. So ist die Beförderung ins Gegenteil umgeschlagen - in eine Degradierung. Das ist bei allen drei das (vorläufige) Ergebnis der Entwicklung, auch wenn jeder seine eigene Geschichte hat.

Zu viele Probleme mit sich selbst

Der Fall Delpierre: Beim VfB heißt es, der Innenverteidiger sei einer, der intern durchaus seine Meinung sage und Diskussionen anrege. Nach außen tritt Matthieu Delpierre (29) allerdings kaum in Erscheinung. Er ist alles andere als ein Sprachrohr der Mannschaft - was er in seiner Funktion als Kapitän aber eigentlich sein müsste. Doch das passt nicht zu seinem Naturell. Hinzu kommt, dass er seit längerer Zeit viele Probleme mit sich selbst hat. Verletzungen werfen ihn in dieser Saison immer wieder zurück. Das wirkt sich offenbar auf sein inneres Gleichgewicht aus. Zwei Rote Karten belegen, dass er seine Nerven nicht immer im Griff hat. Wie soll er so den anderen helfen können? "Wenn Matthieu gesund ist, sieht das anders aus", sagt Bobic. Aber in der Schule taugt auch nicht jeder zum Klassensprecher. So ist es auch bei einer Fußballmannschaft.

Der Fall Cacau: Beim VfB wird gerätselt, was mit dem Stürmer los ist und warum er seit Monaten neben sich steht. Die Antwort kennt nur Cacau (30), bei dem die Verwandlung nach der Ernennung zum Führungsspieler am deutlichsten sichtbar ist. Denn plötzlich fühlt er sich auf dem Platz für alles zuständig. Er taucht überall auf - vorzugsweise bei den Schiedsrichtern, um sich über deren Entscheidungen zu beschweren. Mit seiner Art wurde Cacau zu einer unberechenbaren Größe - weniger für den Gegner denn für die eigenen Kollegen. So machte er sich keine Freunde in der Mannschaft, wo er fast schon den Status eines Einzelkämpfers hat. Offenbar setzte er sich nach seiner Vertragsverlängerung vor einem Jahr zu sehr unter Druck und wollte unbedingt beweisen, dass er eine Leitfigur ist. Das war der Anspruch, den er an sich selbst hatte - und bei der Umsetzung schoss er übers Ziel hinaus. Positiver ausgedrückt: Cacau wollte es zu gut machen, was laut Bobic vielleicht zu "einer gewissen Verkrampfung" geführt hat. Bis vor kurzem war Cacau auch noch verletzt - so wie Matthieu Delpierre.

Keine richtige Hackordnung beim VfB

Der Fall Gentner: Bei seiner Verpflichtung im Sommer waren die Erwartungen hoch - zu hoch? Zwar hatte sich der Mittelfeldspieler in den drei Jahren zuvor in Wolfsburg sehr gut entwickelt und war sogar zum Nationalspieler geworden, aber er stand nicht in der ersten Reihe und konnte seinen Job weitgehend unbehelligt ausüben. Stars wie Misimovic und Dzeko marschierten vorneweg. Solche Leute hat der VfB gerade aber nicht. Deshalb trugen in dieser Runde auch schon acht verschiedene Profis die Kapitänsbinde. Eine richtige Hackordnung existiert nicht. Gentner (25) sollte das Vakuum an der Spitze füllen - eine Rolle, die er noch nie in seiner Karriere innehatte. Dazu war seine Startphase in Stuttgart kompliziert. Er kam in eine wenig homogene Mannschaft, in der er zunächst auch noch als Innenverteidiger ausprobiert wurde - was ihn ähnlich verunsichert hat wie der Fehlstart in die Runde. "Als Neuzugang hat man es in einer solchen Situation doppelt schwer", sagt Bobic. Zudem war Gentner zuletzt nicht immer fit. Delpierre und Cacau lassen grüßen.

Drei Spieler, ein Fazit: alles ein Missverständnis? So weit ist es für Bobic noch lange nicht. Delpierre, Cacau und Gentner stecken mitten in einem Prozess, sagt er, "daraus gehen alle drei gestärkt hervor".

Kapitäne und Häuptlinge

Leitfiguren In den vergangenen zehn Jahren hatte der VfB Stuttgart viele Führungsspieler: Krassimir Balakov (2001-2003), Zvonimir Soldo (2001-2006), Fernando Meira (2001- 2008), Silvio Meißner (2001-2008), Horst Heldt (2002-2005), Mario Gomez (2004- 2009), Thomas Hitzlsperger (2005-2010), Pavel Pardo (2006-2008), Sami Khedira (2006- 2010), Jens Lehmann (2008-2010).

Wechsel In dieser Saison haben bereits acht Spieler die Kapitänsbinde beim VfB getragen: Matthieu Delpierre, Cacau, Christian Gentner, Serdar Tasci, Georg Niedermeier, Martin Harnik, Timo Gebhart und Christian Träsch.