Der argentinische VfB-Verteidiger Emiliano Insúa spricht im Interview mit der Stuttgarter Zeitung über passende Veränderungen, schlechtes Wetter und gute Schiedsrichter.

Sport: Carlos Ubina (cu)
Stuttgart – - Seit einem halben Jahr spielt Emiliano Insúa für den VfB Stuttgart und hat sich dabei schnell eingefunden. Nun peilt der 27-jährige Argentinier über die Fußball-Bundesliga die Rückkehr in die Nationalmannschaft an und sagt: „Dass Stuttgart gegen den Abstieg kämpft, sehe ich nicht als den Normalfall an.“
Herr Insúa, haben Sie schon einmal auf Schnee gespielt?
Ja, schon zweimal, als ich noch in England gespielt habe. Aber hier in Deutschland kommt es mir zurzeit kälter vor als damals. Ich hatte auch vergessen, wie das bei diesen eisigen Temperaturen ist, weil es bereits fünf Jahre her ist, dass ich beim FC Liverpool war.
Und wie erging es einem Südamerikaner in den vergangenen Tagen bei der Eiseskälte?
Danke der Nachfrage, ganz gut. Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, als zu trainieren und zu spielen.
Eine kurze Hose wie sie Georg Niedermeier oder Christian Gentner beim Training tragen, kommt aber für Sie nicht in Frage?
Nein, das mache ich nur im Spiel, aber Handschuhe werde ich auch da tragen.
Wir gehen aber davon aus, dass Ihr dreijähriger Sohn Noah im Schnee seinen Spaß hat?
Den hätte er bestimmt, er ist mit seiner Mutter aber noch bis nächste Woche bei der Familie in Argentinien – und dort ist Sommer.
Nach der Rückkehr von Frau und Kind können Sie schon vom ersten Rückrundenspiel mit dem VfB berichten. Wie lief die Wintervorbereitung?
Gut. Wir haben deutlich mehr Selbstvertrauen als über weite Strecken der Vorrunde. Auch der Geist in der Mannschaft hat sich verändert. Es ist ein neuer Zug drin.
Hat das alles mit dem Trainerwechsel von Alexander Zorniger zu Jürgen Kramny im vergangenen November zu tun?
Schwer zu sagen. Es ist aber auf jeden Fall so, dass wir unseren Fehlstart mit fünf Niederlagen nacheinander teuer bezahlt haben. Das steckt keine Mannschaft leicht weg. Natürlich ist es aber auch so, dass sich nach dem Trainerwechsel alle Spieler neu beweisen wollten. Das hat sich ausgewirkt. Ebenso, dass wir das letzte Vorrundenspiel gegen Wolfsburg überzeugend gewinnen konnten. Davon zehren wir noch heute.
Was erwarten Sie von der Begegnung beim 1. FC Köln?
Wir wollen natürlich einen guten Start hinlegen, und über das Spiel hinaus das zeigen, was wir lange haben vermissen lassen: Stärke und Konstanz.
Vor allem Konstanz ist den vergangenen Jahren beim VfB ein Fremdwort geblieben.
Mag sein. Jetzt haben wir in den ersten sehr wichtigen Spielen jedoch die Chance, es besser zu machen. Schließlich ist es unser oberstes Ziel, schnell aus dem Tabellenkeller herauszukommen.
Was sind Ihre persönlichen Ziele?
Im Grunde könnte ich sagen: Ich muss nur so weiter machen wie bisher. Es ist ja alles so eingetreten, wie ich mir das bei meinem Wechsel im vergangenen Sommer vorgestellt hatte. Ich wollte viel Spielzeit – und habe diese erhalten. Jetzt geht es aber auch darum, beim VfB restlos zu überzeugen, um wieder in den Kreis der Nationalmannschaft zurückzukehren.
Die „Albiceleste“– ein Traum für jeden Argentinier oder eine reelle Chance für Sie?
Ich rechne mir schon echte Chancen aus, auch wenn ich die vergangenen zwei Jahre nicht mehr dabei war. Das hatte vor allem damit zu tun, dass ich während meiner Zeit bei Atlético Madrid kaum zum Einsatz kam. Danach habe ich bei Rayo Vallecano regelmäßig gespielt, aber Rayo steht nicht sehr im Fokus. Jetzt ist das anders.
Tatsächlich? Der VfB ist seit einigen Jahren Abstiegskandidat.
Schon, aber der VfB verfügt über eine viel bessere Mannschaft als Rayo. Der VfB ist auch der viel größere Club: Rayo spielt in Spaniens erster Liga immer unten herum, der VfB ist dagegen ein Club mit Geschichte – fünfmal deutscher Meister, häufig im Europapokal dabei. Dass Stuttgart gegen den Abstieg kämpft, sehe ich nicht als den Normalfall an.
Zuletzt hat der VfB wieder besser gepunktet. Hat der Mannschaft der Systemwechsel durch Jürgen Kramny gutgetan?
Ich denke schon, auch wenn man nicht sagen kann, dass wir jetzt taktisch besser oder schlechter spielen. Wir spielen jetzt intelligenter, weil wir im Spiel auf unsere Momente warten: Wenn wir vorne pressen können, pressen wir – aber wenn es besser ist, sich zurückzuziehen, dann tun wir genau das.
Wie beurteilen Sie die Bundesliga generell?
Für mich ist die Bundesliga sehr nah an der Premier League in England. Es wird ein aggressiver Fußball gepflegt, ständig geht es rauf und runter. Im Vergleich zu anderen europäischen Ligen gefallen mir in Deutschland vor allem die Schiedsrichter.
Das hört man selten.
So ist es aber. In der Bundesliga wird der Körperkontakt zugelassen, in Spanien dagegen nicht. In der Primera Division wird ständig das Spiel unterbrochen. Stars wie Messi, Ronaldo oder Neymar darf man kaum berühren. Das ist einerseits richtig, weil sie außergewöhnlich gut sind und geschützt werden müssen. Andererseits gehört der Körpereinsatz zum Fußball eben dazu.
Dennoch gibt es auch hier viel Kritik an den Schiedsrichtern.
In Deutschland spielen sich die Schiedsrichter jedenfalls nicht so in den Vordergrund wie in Spanien. Ich bin der Meinung, dass das Feld den Spielern gehören sollte und der Schiedsrichter die Sache auf dem Platz nur regelt. In Spanien kann man sich jedoch kaum einem Unparteiischen nähern, ohne gleich die Gelbe Karte zu erhalten.
Auch Ihr Bruder Emanuel hat Erfahrungen in Spanien und zuletzt Italien gesammelt. Jetzt spielt er aber wieder in Argentinien.
Ja, er ist für ein halbes Jahr leihweise zu den Newell’s Old Boys in Rosario gewechselt. Der Trainer Lucas Bernardi wollte ihn haben, weil er Emanuel aus dessen Zeit bei Boca Juniors kennt, und bei Udinese Calcio hat Emanuel überhaupt nicht gespielt.
Für den VfB ist er jedoch kein Thema, weil die Position gut besetzt ist?
Ja, er ist ebenfalls linker Verteidiger.
Haben Sie noch mehr Brüder, die gut Fußball spielen?
Nein, obwohl wir insgesamt sechs Brüder sind. Zwei davon sind, wie gesagt, Fußballprofis, der Älteste ist unser Berater, der Jüngste ist dagegen Tänzer und trat zuletzt in einer populären Fernsehshow auf. Die zwei anderen sind Geschäftsmänner.
Ist das ein Zufall mit den zwei Linksverteidigern aus einer Familie?
Das hat sich so entwickelt, obwohl ich in der Jugend immer als Innenverteidiger aufgestellt wurde. Doch dann holte mich Rafael Benitez mit 18 zum FC Liverpool und schob mich nach links, weil ich ihm im Zentrum nicht groß genug war.
Mit 1,80 Meter? Der frühere argentinische Weltklassemann Roberto Ayala war kleiner.
Richtig, aber er hatte eine enorme Sprungkraft. Mir hat es damals auch an Erfahrung gefehlt. Seitdem spiele ich eben links und bin vollauf zufrieden. Zumal es aktuell ja offenbar ein Glück ist, Linksverteidiger zu sein – die werden weltweit gesucht.
Eines Ihrer fußballerischen Vorbilder war auch linker Verteidiger.
Stimmt, Juan Pablo Sorin. Als Kind habe ich mich für ihn begeistert. Weil er ebenso wie Roberto Ayala und Wálter Samuel immer in der Nationalmannschaft gut spielte. Am meisten hat sich mir dabei Sorin ins Gedächtnis eingegraben, da er überall auf dem Platz auftauchte, auch Tore erzielte, obwohl er nominell Linksverteidiger war – ziemlich beeindruckend.
Hier war er vor allem wegen seiner wehenden Mähne bekannt.
Ja klar. Heute arbeitet er als Journalist in Brasilien und trägt – so glaube ich – immer noch lange Haare.
Auch Juan Pablo Sorin war während seiner aktiven Zeit viel auf Wanderschaft, einmal machte er beim Hamburger SV Station. Kann es bei Ihnen sein, dass Ihre Europareise nach Halts in England, der Türkei, Portugal und Spanien nun in Stuttgart endet?
Das weiß man im Fußball nie – und ich spreche da aus Erfahrung.