Torhüter und Ex-Torhüter - Timo Hildebrand hat vor dem Spiel des VfB gegen die Bayern Sven Ulreich und Przemyslaw Tyton genauer unter die Lupe genommen.

Stuttgart - Es ist eine der Fragen, welche die Fans des VfB Stuttgart seit Beginn der Saison eifrig diskutieren: Ist Prezemyslaw Tyton (29) besser als sein Vorgänger Sven Ulreich (27)? Die einen sagen so, die anderen so. Zeit für einen kleinen Vergleich vor dem Aufeinandertreffen am Samstag. Auf der Linie: Würde man das Torwartspiel wie früher auf das beschränken, was einen Schlussmann letztlich auszeichnet, nämlich das Halten von Bällen, die aktuelle Nummer eins im Tor des VfB wäre einer der besten seiner Zunft: Mit durchschnittlich vier Paraden pro Spiel liegt Przemyslaw Tyton laut der vom Sportdatenanbieter Opta erhobenen Statistiken im Ranking aller Bundesligatorhüter auf dem dritten Platz. Tatsächlich verfügt der Schlaks (1,95 Meter) über erstaunliche Reflexe, mit denen er seiner Mannschaft erst am vergangenen Wochenende in Darmstadt (2:2) wieder einen Punkt rettete.

 

Bei Ulreich steht in der Paradenstatistik eine Null – wie auch bei der Zahl der Spielminuten. Der Ex-VfB-Torhüter ist beim FC Bayern, wo er vor der Saison für 3,5 Millionen Euro hin wechselte, hinter Manuel Neuer nur Bankangestellter. Aus seiner Vergangenheit auf dem Wasen aber weiß man: Auf der Linie gehört auch Ulreich zu den besseren Keepern der Liga. Strafraumbeherrschung: Drinbleiben oder rauskommen? Tyton trifft leider oft die falsche Entscheidung – siehe den Ausgleichstreffer in Darmstadt, als er auf der Linie kleben blieb. Auch Tytons Vorgänger hat seine Schwächen in der Strafraumbeherrschung. An Jens Lehmann, der zwischen 2008 und 2010 das Tor der Roten hütete, reicht keiner von ihnen heran. „Sven ist ein eher defensiver Torhüter“, urteilt Timo Hildebrand, der mit dem VfB 2007 deutscher Meister wurde. „Er bleibt im Zweifel lieber auf der Linie.“ Ähnlich verhält es sich bei Tyton, der dank seiner Statur eigentlich dafür prädestiniert wäre, viele Bälle aus der Luft zu sichern. Bei der Zahl der abgefangenen Flanken liegt der Pole aber nur auf dem 19. Platz aller in dieser Saison eingesetzten Schlussmänner. Eins gegen eins: Eins–gegen-eins-Situationen waren oder sind die große Stärke des Sven Ulreich. „Alte Ebbo-Trautner-Schule“, erklärt Hildebrand mit Blick auf den langjährigen VfB-Torwarttrainer. Ulreichs Nachfolger sah im Angesicht des auf ihn zulaufenden Stürmers schon das eine oder andere Mal schlecht aus in dieser Saison. Dabei wurde er allerdings auch häufig von der weit aufgerückten Viererkette im Stich gelassen, speziell in der Anfangszeit unter Alexander Zorniger. Spieleröffnung: Ulreich brachte das lange Zögern beim Abschlag häufig den Unmut des Stuttgarter Publikums ein. Tyton macht das Spiel von hinten heraus schneller, auch wenn die Unterschiede nur marginal sind. Meister-Torwart Hildebrand rät dazu, die fußballerischen Fähigkeiten seiner früheren Kollegen nicht überzubewerten. „Wenn man sieht, wie perfekt ein Marc-André ter Stegen links wie rechts mit dem Ball umgehen kann, ist das zwar schön. Man kann es aber auch übertreiben“, findet der 37-Jährige. Kommunikation/Ausstrahlung: „In meinen Augen ist die Kommunikation mit den Vorderleuten viel entscheidender“, sagt Hildebrand. Dies sei von außen aber nur schwer zu beurteilen. Fakt ist, dass die polnische Nummer drei ihre Abwehr schon in einem ganz passablen Deutsch dirigiert. Stärker noch als auf die richtigen Vokabeln kommt es aber auf die gemeinsame Erfahrung an. Die fehlt der VfB-Defensive und dem erst vor dieser Saison für eine Million Euro an den Neckar gewechselten Torwart aber noch. Anders als der Schorndorfer Ulreich, lange Jahre ein Gesicht des VfB, findet sein introvertierter Nachfolger in der Öffentlichkeit quasi nicht statt. Vielleicht hat er auch deshalb bei den Fans einen eher schweren Stand. Fazit: So verschieden die beiden auf den ersten Blick sind, so ähnlich ist ihr Torwartspiel – mit den gleichen Stärken und Schwächen. „Ich sehe beide in etwa auf einem Level“, urteilt Hildebrand. Tyton traut er trotz seiner 29 Jahre noch eine Entwicklung zu, wenn er in der Bundesliga erst einmal richtig angekommen ist. Die Frage wird nur sein, ob er seinen Stammplatz über die Saison hinaus behält. Spätestens in der Sommervorbereitung wird Trainer Jürgen Kramny den Konkurrenzkampf mit Mitch Langerak neu ausrufen. Der Australier galt bereits vor dieser Saison als neue Nummer eins – ehe er sich verletzte und Tyton zum Zug kam.