Ihr Schatzmeister ist Mitbesitzer einer Bordellimmobilie – das wussten viele CDU-Leute nicht. Nun eskaliert die Diskussion, ob das mit den Parteiwerten vereinbar ist: die Vizekreischefin Karin Maag droht sogar mit Rücktritt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Stuttgarter CDU droht eine Zerreißprobe um das Engagement ihres Schatzmeisters Eberhard Graf im Rotlicht-Milieu. Im Kreisvorstand gibt es eine kontroverse Debatte um die durch einen Bericht unserer Zeitung bekannt gewordene Tatsache, dass der Ex-Banker Graf Miteigentümer des Dreifarbenhauses ist, des größten Bordells in der Landeshauptstadt. Die Vize-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Karin Maag, die sich besonders stark gegen Missstände in der Prostitution engagiert, hält dies nach StZ-Informationen für unvereinbar mit den Werten der CDU. Sie hat intern ihren Rücktritt von ihrem Parteiamt angekündigt, sollte Graf Schatzmeister bleiben. Maag wollte sich auf Anfrage zunächst nicht äußern, sondern verwies auf die noch andauernde Klärung.

 

Ein Sprecher des Kreisvorsitzenden Stefan Kaufmann bestätigte, der Vorgang sei in der jüngsten Sitzung Ende Oktober „kontrovers diskutiert“ worden. „Zum Umgang mit diesem Thema gibt es in unserer Partei durchaus unterschiedliche Auffassungen“, teilte er mit. Die Diskussion werde nun „in kleinerer Runde fortgesetzt“. Geplant ist ein klärendes Gespräch zwischen Kaufmann, Graf und Maag; dessen Ergebnis soll dann in der nächsten Vorstandssitzung wohl im Dezember beraten werden. Von Eberhard Graf war aktuell keine Stellungnahme zu erhalten.

Schatzmeister spricht von Privatsache

Der langjährige Christdemokrat aus Riedenberg war im Dezember 2016 zum neuen Schatzmeister gewählt worden – auch auf Vorschlag des Kreisvorsitzenden Kaufmann. Für ihn sprach besonders sein beruflicher Hintergrund: er war bei Banken in München, Düsseldorf und Stuttgart in leitenden Funktionen tätig und betätigt sich im Ruhestand noch als Unternehmensberater. Nach CDU-Auskunft ist er zudem „seit vielen Jahren finanziell an einer Immobiliengesellschaft beteiligt“, der das Dreifarbenhaus gehört; mit der Vermietung und dem Betrieb des Hauses sei er aber nicht befasst. Damit bestätigte die Partei Anfang Oktober Informationen unserer Zeitung. Graf selbst äußert sich nicht weiter zu der Angelegenheit; diese sei seine Privatsache, argumentiert er intern. Unbeantwortet ließ er auch eine Anfrage der StZ – unter anderem dazu, ob das Dreifarbenhaus wirklich noch ein „Vorzeigebordell“ sei, als das es einmal galt.

Vielen Stuttgarter Christdemokraten war das Rotlicht-Engagement nicht bekannt – dem Vernehmen nach auch Kaufmann und Maag nicht. Einzelne Vorständler wussten wohl davon, fanden es aber nicht problematisch. Unter den Mitgliedern stieß es teilweise auf Unverständnis und Empörung, teilweise wurde es als politisch nicht relevant eingestuft. Auf Betreiben von Maag wurde das Thema in der jüngsten Sitzung unter „Verschiedenes“ aufgerufen; einen offiziellen Tagesordnungspunkt wollte man vermeiden.

Für Karin Maag geht es um Glaubwürdigkeit

Für die Bundestagsabgeordnete geht es dem Vernehmen nach auch um ihre persönliche Glaubwürdigkeit. Die Juristin kämpft seit vielen Jahren für bessere Rahmenbedingungen und strengere Regeln in der Prostitution. Die wenigsten Prostituierten seien freiwillig in der Branche, sondern befänden sich in einer Not- oder Zwangslage, argumentiert sie immer wieder; kriminelle Zuhälter und Menschenhändler profitierten davon. Maag plädiert für ein mittelfristiges Verbot von käuflichem Sex, das derzeit aber nicht durchsetzbar sei. Stark engagiert war sie bei der Verabschiedung des neuen Prostitutionsgesetzes im Jahr 2016, mit dem einige Regeln verschärft werden.

Rückendeckung bekommt Maag nun von der Frauenunion (FU). Die Stuttgarter Kreisvorsitzende Donate Kluxen-Pyta äußerte sich „fassungslos und empört“ über Grafs Verbindung zum Dreifarbenhaus. „Hiermit Geld zu verdienen, und sei es indirekt, ist mit unseren Werten keinesfalls vereinbar“, sagte sie der StZ; die Frauen-Union stehe „absolut auf der Seite von Karin Maag“. Ebenso äußerte sich die FU-Landeschefin und Europaabgeordnete Inge Grässle. Die CDU-Frauen sähen das Engagement des Schatzmeisters „extrem kritisch“, sagte sie der StZ. Mit den christlich-demokratischen Werten sei dieses für sie „nicht vereinbar“. „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim“, fügte sie hinzu. Der Stuttgarter CDU riet Grässle, rasch zu einer Klärung zu kommen. Wünschenswert sei eine Lösung, bei der Karin Maag „an Bord“ gehalten werde.

Scharfe Kritik von Sisters-Chefin Breymaier

Scharfe Kritik kommt auch von der Organisation Sisters, die Prostituierten beim Ausstieg hilft und Missstände anprangert. Als Vorstandsmitglied des Vereins sagte die SPD-Landeschefin Leni Breymaier, das „fette Geld“ werde in der Branche über die Immobilien gemacht: „Horrende Tageszimmerpreise führen dazu, dass Frauen . . . täglich fünf, sechs Freier zu bedienen haben, nur für die Miete“. Die Immobilienbesitzer seien damit „Teil des menschenverachtenden Systems Prostitution – auch der CDU-Amtsträger Eberhard Graf“, sagte Breymaier. Ihr Fazit: „Das ist unsäglich, auch für die CDU.“