Tatort-Folgen, die im Gefängnis spielen, gab es in letzter Zeit häufig. Diesmal ermitteln also die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz im Knast. Warum es sich trotzdem lohnt, einzuschalten.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Zugegeben: Tatort-Folgen, die im Gefängnis spielen, gab es in letzter Zeit häufig. Jüngst ermittelte in einer Wiederholung das Frankfurter Gespann Steier/Mey im Jugendknast, Anfang des Jahres starb bei den Kölnern die Assistentin Franziska als Geisel eines Inhaftierten. Doch die Häufung ist lediglich das Ergebnis einer ungeschickten Programmplanung und sagt nichts über die Qualität des jeweiligen Krimis aus. Was die Stuttgarter aus dem Sujet machen, kann sich jedenfalls sehen lassen: „Freigang“ (Montag, 9. Mai 2014, 20.15 Uhr im Ersten sowie in der ARD Mediathek) zählt eindeutig zu den besseren Tatorten aus der Landeshauptstadt.

 

Holger Drake ist der Hauptverdächtige in einem Mordfall – bei dem Opfer, seiner Ex-Frau Irina Meinert, wurden DNA-Spuren von ihm gefunden. Doch Drake hat ein felsenfestes Alibi: Er saß zur Tatzeit in der JVA Zuffenhausen. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, schleust sich Thorsten Lannert (Richy Müller) als Vollzugsbeamter Peter Seiler in die JVA ein. Er versucht, sich mit dem Kollegen Carsten Scheffler anzufreunden, um an Informationen zu kommen; auch dessen Vater, Schultz, arbeitet im Vollzug. Doch dann bringt sich der als labil geltende Scheffler in der JVA um. Um das zu vertuschen, weiht der Sicherheitschef Andreas Franke (Herbert Knaup) Seiler in das perfide System von Korruption, Repression und Vorzugsbehandlungen von Gefangenen ein, das er in dem nach außen als Vorzeigeanstalt präsentierten Knast aufgebaut hat. Als es Lannerts Kollegen Sebastian Bootz (Felix Klare), der draußen offiziell ermittelt, gelingt, das Vertrauen von Schefflers Frau (Valerie Koch) zu gewinnen, gerät Barbara Scheffler in große Gefahr.

Plausible Milieuzeichnung, überzeugende Schauspieler (vor allem Herbert Knaup und Valerie Koch) und Nervenkitzel bis zum Schluss: wer „Freigang“ (Drehbuch und Regie: Sönke Lars Neuwöhner und Martin Eigler) noch nicht beim SWR Sommerfestival auf dem Stuttgarter Schlossplatz gesehen hat, sollte am Montagabend auf jeden Fall einschalten!

Schönste Krimifloskel: „Die Leute da draußen, die wollen dass der Knast unsichtbar ist und nicht riecht und nicht schmutzt“, legitimiert der Sicherheitschef Andreas Franke, den die Insassen „King“ nennen (herrlich skrupellos: Herbert Knaup), seine kriminellen Machenschaften.

Heimliche Stilikone: Lannert trifft sich mit Bootz im Hinterzimmer eines Bordells, um sich über die Undercover-Aktion auszutauschen: Sonnenuntergang-Fototapete, Lederriemen und Ketten, ein Metallkäfig – alles da, akustisch überzeugend untermalt mit Gestöhne von nebenan.

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Die Gefängnis-Mafia unter Frankes Ägide organisiert wieder einen nächtlichen Freigang für einen Gefangenen – und Seiler alias Lannert wird erstmals in eine solche illegale Aktion eingeweiht. Als er herausfindet, um welchen Häftling es sich handelt, wird ihm klar, welches Spiel hier gespielt wird.