In Plieningen bahnt sich ein Präzedenzfall an: Der Bezirksbeirat will, dass ein von der Stadt saniertes Bauwerk wieder umgebaut werden soll. Der Wunsch wird ihm wohl erfüllt, allerdings müssten sich die Bürger dann selbst darum kümmern – auch finanziell.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Matthias Bertram wollte den Plieninger Bezirksbeiräten „ein bisschen ins Gewissen reden“, wie er sagte. Deshalb hat er am vergangenen Montag die Sitzung des Gremiums besucht. Und er wollte guten Willen zeigen. „Wenn wir nicht zur Diskussion bereit wären, hätte ich nicht angeboten, zu kommen“, sagte der Mann von Stuttgarter Stadtplanungsamt. Thema: das kleine Waaghäusle an der Plieninger Zehntscheuer, das nach der Sanierung dem Vernehmen nach einzig dem Architekten und der Stadt gefällt.

 

Nun wandte sich das Blatt komplett

Bereits im vergangenen Herbst debattierten die Fraktionen im Bezirksbeirat über den Anbau, in dem einst die Ernte gewogen worden ist. Das neue Aussehen missfiel ihnen. Vor der Sanierung hatte es eine Fachwerkoptik, nun ist es mit Brettern verschalt. Der Grund: Das Waaghäusle sollte der frisch hergerichteten Zehntscheuer nicht die Schau stehlen. Mit dem Effekt, dass es nun offensichtlich von den Leuten als Makel wahrgenommen wird. Als im Oktober erstmals Kritik aufkam, klang die Stellungnahme der Stadtverwaltung eher so, als ob sich die Plieninger wohl oder übel mit dem Ist-Zustand anfreunden müssten, dass höchstens eine andere Farblasur für die Bretter in Frage käme.

Am vergangenen Montag wandte sich das Blatt dann komplett.

Die CDU hatte beantragt, dass das Waaghäusle wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden soll. Zuvor hatte der Stadtplaner Bertram dargestellt, welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde und welche Alternativen es gibt. Ein neuer Anstrich würde etwa 1500 Euro kosten, und die Stadt würde das übernehmen. Möglich wäre zudem, die beiden von den Brettern verborgenen Fenster wieder freizulegen, die Bretter indes würden bleiben. Kostenpunkt: 5200 Euro. Auch diesen Betrag würde die Stadt übernehmen. Das, was die CDU forderte, hätte hingegen einen Preis in Höhe von 6700 Euro.

Früher hatte das Waaghäusle (links) Fachwerkoptik. Foto: Archiv Sägesser

Die Bretterverschalung des Waaghäusle hat die Stadt 6900 Euro gekostet. 3500 Euro würde sie über Fördermittel wieder bekommen – wenn alles bleibt, wie es ist. Würde dem Antrag der CDU also stattgegeben, „wären es diese 3500 Euro, die man vernichten würde“, sagte Bertram.

Während der ein oder andere Bezirksbeirat ins Grübeln kam, die Entscheidung über die Varianten vielleicht doch besser zu vertagen und sich zunächst Farbproben für Holzlasuren zeigen zu lassen, blieben die Christdemokraten eisern. „Wir stellen den Antrag. Heute“, sagte ihr Sprecher Michael Wörner. Die Plieninger Landfrauen und andere Bürger hätten innerhalb kürzester Zeit gut 100 Unterschriften gesammelt. „Wenn Sie wollen, können wir das schnell verzehnfachen“, sagte Wörner. „Die Plieninger Bevölkerung hat gesagt: Weg mit dem Zeug.“ Und das sei noch die harmloseste Beschreibung für das neue Waaghäusle.

Bertram zeigte sich sichtlich überrascht vom Sturm der Entrüstung. Schließlich hätten die Pläne samt Beispielbildern wochenlang an der Zehntscheuer gehangen. „Da konnten Sie alle dran vorbeigehen.“ Dass man hinterher doch eine andere Meinung habe, „kommt immer mal vor, aber eigentlich ist es zu spät für so eine Aktion“.

„Sie können es der Dummheit des Bezirksbeirats zuschreiben“, konterte der SPD-Sprecher Ulrich Berger. „Aber die Bilder, die vorab zu sehen waren, haben nicht nach Modell Hasenstall ausgesehen.“ Dass die Stadt für den Bretterverschlag 6900 Euro ausgegeben hatte, konnte er kaum fassen. „Ich wusste auch nicht, dass das so eine Farbe haben würde“, sagte der FDP-Sprecher Thilo Reith.

Die Bürger können schon mal Spenden sammeln

Mit zehn Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen stimmten die Fraktionen dem CDU-Antrag zu. Bevor Bertram wieder ging, ließ er sich noch von Michael Wörner eine Unterschrift geben. Der CDU-Sprecher bürgt dafür, dass die Arbeiten fachgerecht ausgeführt werden. Denn es ist nun Sache der Bürger, das Waaghäusle umzubauen. Auch finanziell.

„Uns ist es wichtig, dass die Bürger vor Ort mit dem Ergebnis leben können“, sagte Bertram am Tag nach der Sitzung. Er hat nach dem Plieninger Votum gleich per Mail bei der Denkmalpflege angefragt, ob etwas gegen den Wunsch der Bürger spreche. Ohne die Antwort zu kennen, schätzt er: „Ich gehe mal davon aus, dass es keine Bedenken gibt.“ Was sollten Denkmalschützer schon dagegen haben, wenn etwas so werden soll, wie es mal war? Die Plieninger Bürger können also schon mal Spenden sammeln und einen Dienstplan aufstellen.