Der Streit um den Rückkauf des Wassernetzes in Stuttgart geht in die nächste Runde. Denn zwischen den Preisvorstellungen der EnBW und der Stadt liegen offenbar Welten.

Stuttgart - Die Verhandlungen zwischen der Energie Baden Württemberg (EnBW) und der Stadt über den Rückkauf des Stuttgarter Wassernetzes stehen auf der Kippe. Falls bis Ende Juni keine Einigung mit dem Energiekonzern erzielt werden kann, bleibe der Stadt nur der Weg vor Gericht, hat Finanzbürgermeister Michael Föll schon vor den Pfingstferien im Gemeinderat angedeutet.

 

Föll hofft, dass die Verhandlungen bis Monatsende noch zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis führen. „Die EnBW will sich bald auf einen Preis für den Rückkauf festlegen.“ Der Finanzbürgermeister rechnet aber kaum noch damit, dass es zu einer Einigung kommt. „Dafür müsste sich unser Verhandlungspartner beim Kaufpreis erheblich bewegen. Falls das nicht geschieht, bleibt uns wohl nur der Gang vor Gericht.“

Für eine juristische Auseinandersetzung sieht Föll die Stadt gut gerüstet. „Vor Gericht haben wir gute Karten“, glaubt er. Der Bundesgerichtshof habe 2006 in einem Verfahren über den damaligen Einzelfall hinaus entschieden, dass beim Kauf eines Trinkwassernetzes der Ertragswert gelte, wenn der Sachzeitwert erheblich darüber liege.

Noch unter der Regie des Tiefbauamts

In Sachen Wasserversorgung hat der Gemeinderat bereits 2010 die Ziele des Bürgerbegehrens „Hundertwasser“ nach einem vollständigen Rückkauf des Wassernetzes und der Bezugsrechte übernommen. Für die Wasserversorgung soll bis Anfang 2014 ein rein kommunaler Eigenbetrieb entstehen. In diesen soll auch die Stadtentwässerung Stuttgart (SES) integriert werden, die noch unter der Regie des Tiefbauamts steht.

In den bisherigen Verhandlungsrunden über den Rückkauf haben die Stadt und die EnBW aber höchst unterschiedliche Vorstellungen über den Preis des insgesamt 2500 Kilometer langen Versorgungsnetzes gehabt. „Beim Kaufpreis gibt es große Differenzen“, bestätigt Föll. Die Stadt sei nur bereit, den Ertragswert zu bezahlen, der eher bei 120 als bei 200 Millionen Euro liege. „Die EnBW hat sehr deutlich darüber liegende finanzielle Vorstellungen“, so Föll. Die Preisvorstellungen der Stadt entsprächen hingegen der früher auch von der EnBW genannten Dimension. Bei der 2009 mit dem Energiekonzern geplanten, aber nicht gegründeten Stuttgarter Wasserversorgung (SWV) sollte die Stadt für ihren 50-Prozent-Anteil am Wassernetz rund 80 Millionen Euro bezahlen.

Bei der EnBW geht man nach wie vor davon aus, dass sich alle Sachfragen am Verhandlungstisch lösen lassen. „Wir setzen darauf, die Verhandlungen durch konstruktive Gespräche abzuschließen“, betont Steffen Ringwald, der Leiter des EnBW-Regionalzentrums Stuttgart. Man sei bereit, nicht nur das Wasserverteilnetz, sondern auch übergeordnete Teile wie Hochdruckbehälter und die beiden Anteile an den Wasserzweckverbänden zu veräußern. Sicher gebe es beim Preis unterschiedliche Sichtweisen. „Wir bieten aber freiwillig alles von der Quelle bis zum Hausanschluss beim Kunden an“, so Ringwald. Zur Höhe der eigenen Forderung äußert er sich nicht.

Zu den im Rathaus kursierenden Gerüchten über EnBW-Forderungen zwischen 400 und 600 Millionen Euro für den Rückkauf des gesamten Wassernetzes will auch der Erste Bürgermeister nichts sagen. „In der Sache sind wir uns weitgehend einig“, bestätigt er lieber.

Beim Preis gibt es wohl kaum Spielraum

Da gebe es einen Verhandlungsstand, der den Interessen der Stadt gerecht werde. Konsens sei weitgehend, dass das Paket neben dem 2500 Kilometer langen Leitungsnetz auch Wasserspeicher der Landes- und der Bodensee-Wasserversorgung umfasse. Die Stadt hatte 2002 bei Verkauf ihrer Energieaktien auch ihre Eigentumsrechte an den Wasserzweckverbänden an die EnBW veräußert. Damals übernahm der Energiekonzern auch das Strom- und Gasnetz. Die Konzessionen der EnBW für die Netze laufen aber alle Ende 2013 aus. Beim Preis für den Rückkauf des Wassernetzes sieht Föll keinen Spielraum. Nach dem Gemeinderecht dürfe die Stadt nur einen angemessenen Preis zahlen. „Wir können nicht einfach 50 Millionen Euro drauflegen.“ Die EnBW setze hingegen heutige Investitionskosten für das gesamte Wassernetz abzüglich einer Abnutzungsrate an. „Das führt zu einem signifikant höheren Kaufpreis, der auch einen höheren Wasserpreis ergibt. Letzteres wollen wir aber auf keinen Fall. “

Einen juristischen Streit über mehrere Instanzen dürfte aber bedeuten, dass Anfang 2014 nicht klar ist, wem das Netz gehört. Bis zu einem Urteil müsste der alte Betreiber die Versorgung sicherstellen. „Auch dann bleibt keine Badewanne trocken“, verspricht Föll.