Der neue Chef der EnBW Frank Mastiaux hat eine umfassende Bestandsaufnahme angekündigt. Den Ausbau regenerativer Energien will er weiter vorantreiben.

Karlsruhe - Ein halbes Jahr hat Frank Mastiaux stillhalten müssen. Sein bisheriger Arbeitgeber Eon verlangte vor seinem Wechsel zum Wettbewerber Energie Baden-Württemberg (EnBW) eine Karenzzeit. Doch nun will sich Mastiaux mit voller Energie in die Arbeit stürzen. Die nächsten 100 Tage seien eng getaktet, sagte der neue EnBW-Chef bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der Karlsruher Zentrale des Energiekonzerns. Schon vor der ersten Pressekonferenz traf er sich am Vormittag in der Konzernzentrale mit Führungskräften, am Nachmittag stand ein weiterer Termin mit Führungskräften in Stuttgart auf dem Programm.

 

So soll es nun weitergehen. „Ich werde im Detail jeden Bereich der EnBW ansehen“, kündigte der 48-jährige Manager aus dem Ruhrgebiet an. Er wolle eine detaillierte Bestandsaufnahme machen, viel zuhören, mit Mitarbeitern,◘Kunden,◘Geschäftspartnern◘◘reden,◘„eine◘saubere Nulllinie ziehen“ und dann zügige Entscheidungen treffen. Dann soll stets der Blick nach vorne gehen und nicht über Versäumnisse und Fehler in der Vergangenheit diskutiert werden. „Ich werde keinen Blick in den Rückspiegel zulassen“, sagte Mastiaux.

Stärker an Kunden orientieren

Vor der geplanten Bestandsaufnahme hielt sich der Manager bei seinem ersten Auftritt jedoch mit Äußerungen zum künftigen Kurs sehr zurück und beschränkte sich im wesentlichen auf generelle Aussagen zur Energiewende und zu den Herausforderungen , die dadurch auf die EnBW zukommen werden. Die EnBW sei durch den Atomausstieg und die geringere Wirtschaftlichkeit konventioneller Kraftwerke stark unter Druck geraten, meinte Mastiaux. Die Kostenstrukturen und die Prozesse passten nicht mehr in die Landschaft. Für seine Neuausrichtung wolle sich das Unternehmen stärker als bisher an den Kunden orientieren.

Einen klaren Schwerpunkt wird der neue EnBW-Chef auf den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen. „Dieses Thema werden wir noch einmal neu aufladen“, kündigte Mastiaux an. Er wollte allerdings keine Prognose wagen, welchen Anteil die Erneuerbaren am Ende seines Fünf-Jahres-Vertrags als Vorstandsvorsitzender am Energiemix des Unternehmens haben werde. Mastiaux hat von 2007 an bereits die Sparte erneuerbare Energien bei Eon aufgebaut. Zuletzt leitete der aus Essen stammende promovierte Chemiker die Eon International Energy, die vor allem in Wachstumsmärkte außerhalb Europas investiert.

Die EnBW gilt bei der Bewältigung der Energiewende als gehandicapt, weil sie sehr stark auf Atomstrom setzte. Zudem wird dem baden-württembergischen Unternehmen vorgeworfen, zu zögerlich in neue Energien investiert zu haben. Mastiaux indes lobte das bisher Erreichte. Man dürfe dabei nicht nur in Megawattzahlen denken, meinte der neue Vorstandsvorsitzende. „Ein Offshoreprojekt zu stemmen, ist eine schwierige Geschichte.“ Die EnBW habe damit eine „Kompetenzplattform“ geschaffen. „Das macht Appetit auf mehr“, so Mastiaux.

Mastiaux: „Wir werden Dinge stoppen“

Das Land und den kommunalen Zweckverband OEW als die beiden größten Anteilseigner sieht Mastiaux als wichtige Helfer bei der Energiewende. Das Land könne politisch und bei der Vernetzung helfen, die OEW habe eine starke regionale Verankerung. Beide Anteilseigner hätten eine Menge Erfahrung. Damit könnten sie dem Unternehmen weiterhelfen. Seine bisherigen Gespräche mit Vertretern der Anteilseigner stimmten ihn zuversichtlich, sagte der EnBW-Chef.

Wie genau die Kosten und Prozesse bei der EnBW schlanker und effizienter werden sollen, ließ der neue Vorstandschef offen. Dafür sei es noch zu früh, sagte Mastiaux. Auch zu einem möglichen Verkauf der Beteiligung am Oldenburger Versorger EWE, die bei Beobachtern als Fehlinvestition gilt, wollte sich der neue Vorstandschef noch nicht äußern. Generell kündigte er jedoch an, dass stärker als bisher Prioritäten gesetzt werden sollten. „Wir werden Dinge stoppen, die nicht zukunftsgerichtet sind“, sagte Mastiaux.

Zum Streit der EnBW mit dem russischen Lobbyisten Andrey Bykov wollte sich der neue Vorstandschef ebenfalls noch nicht äußern. Wegen der Karenzzeit sei er bisher mit den Details nicht vertraut, er werde sich den Vorgang allerdings ganz genau anschauen. Mastiaux räumte allerdings ein, dass der Ruf des Unternehmens durch die Diskussion über zwielichtige Geschäfte mit dem Russen gelitten habe.