Stuttgart will im Wettbewerb um ausländische Fachkräfte attraktiver werden – ein Welcome Center für Migranten soll dazu beitragen. Weil die Finanzierung auf wackeligen Beinen steht, will die Wirtschaftsförderung der Region der Stadt nun unter die Arme greifen. Doch OB Fritz Kuhn reagiert distanziert.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Landeshauptstadt will im Wettbewerb um ausländische Fachkräfte attraktiver werden und die Integration von Migranten weiter verbessern. Dazu beitragen soll ein sogenanntes Willkommenszentrum für Neubürger, insbesondere für solche aus dem Ausland. Der Zeitplan: im Juli 2014 soll die Einrichtung ihre Tore öffnen. Nur die Finanzierung steht auf wackeligen Beinen. Nun ist die Wirtschaftsförderung der Region auf die Stadt zugegangen mit dem Vorschlag, gemeinsam ein solches Welcome Center einzurichten. Doch der Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ist zurückhaltend.

 

Stuttgart wächst seit einigen Jahren wieder, nicht zuletzt durch eine verstärkte Zuwanderung aus dem Ausland. Fast 16 600 Personen sind im vergangenen Jahr aus anderen Ländern hierhergezogen. Rechnet man Zu- und Wegzüge gegeneinander, verbleibt ein Einwohnerplus von fast 5900 Menschen, 3900 davon sind Ausländer. Auch an Stuttgarts Hochschulen steigt die Zahl der ausländischen Studierenden. Im Sommersemester waren an der Universität Stuttgart rund 4500 Studenten mit ausländischem Pass eingeschrieben, an der Uni Hohenheim gut 1100. Etwa 80 Prozent dieser Hochschulabsolventen verlassen die Stadt allerdings wieder.

In Berlin und Hamburg gibt es schon solche Zentren

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels denkt die Politik nicht nur hierzulande über neue Wege in der Integration nach. In vielen Großstädten werden Welcome Center geplant, wie es sie in Hamburg und Berlin schon gibt. In Stuttgart hat der Gemeinderat kürzlich einen entsprechenden Beschluss gefasst. Das Grundkonzept: in zentraler Innenstadtlage soll dieses Willkommenszentrum mit einem umfassenden Beratungsangebot entstehen. Dort sollen die Ratsuchenden nicht nur an andere städtische Stellen verwiesen werden, sondern schon erste grundlegende Auskünfte erhalten, etwa zu   Deutschkursen, Arbeitsmöglichkeiten, zum Aufenthaltsrecht, zu Wohnungsangeboten sowie zu Schulen, Kindertagesstätten und ausländischen Vereinen. „Es wird nicht damit getan sein, den Leuten nur zu sagen, wo sie anrufen sollen“, sagt Gari Pavkovic, der Leiter der Abteilung Integration bei der Stadt. Viele Fragen sollen dann im nächsten Schritt von den Fachstellen der städtischen Ämter und der freien Träger direkt beantwortet werden. Diese werden tageweise Sprechstunden im Welcome Center anbieten. Geplant ist überdies ein mehrsprachiges Online-Angebot, überdies soll es Fachvorträge geben und ein Welcome Club gegründet werden.

Für all dies hat der Rat pro Jahr 50 000 Euro zur Verfügung gestellt, unter anderem für Mietkosten. Bis zu drei Personalstellen sind vorgesehen, finanziert durch Drittmittel. Allerdings stehen derzeit nur eineinhalb Stellen in Aussicht, gegebenenfalls finanziert durch das Integrationsministerium und eine Stiftung. Würde das für die vorliegenden Pläne reichen? „Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Wirtschaft stärker beteiligt“, sagt Gari Pavkovic. „Aber es gibt keine Zusagen.“ Und auch ein Standort ist noch nicht gefunden.


Vor diesem Hintergrund ist eine Offerte der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) von Bedeutung. Diese hat einen Antrag beim Land auf Unterstützung eines Welcome Centers gestellt. Die Chancen, dass die WRS den Zuschlag erhält, stehen gut. WRS-Chef Walter Rogg rechnet mit einem sechsstelligen Betrag, womit sich „mindestens zwei Stellen und Sachmittel“ finanzieren ließen.

Mit dieser Aussicht sind Walter Rogg und Petra Craavack, die Chefin der Stuttgarter Arbeitsagentur und Sprecherin des Fachkräfteallianz Region Stuttgart, zu der auch die WRS gehört, vor einigen Tagen bei OB Fritz Kuhn gewesen. „Man muss beide Initiativen zusammendenken“, sagt Walter Rogg. „Wenn die Einrichtung klein ist, haben wir schlechte Karten, deshalb müssen wir nach Möglichkeit zusammenkommen.“ Was die personelle Besetzung eines Welcome Centers angeht, nimmt Rogg die Touristeninformation i-Punkt als Maßstab. „Das muss ähnlich ausgestattet sein, sonst wird das nichts.“ Was die Finanzierung betrifft, ist Walter Rogg der Auffassung von Gari Pavkovic: dass die Wirtschaft beziehungsweise ihre Kammern und Verbände wie Südwestmetall, die der Fachkräfteallianz angehören, sich an dem Welcome Center beteiligen sollten.

OB Kuhn ließ über seinen Sprecher Andreas Scharf zu dem „Gedankenaustausch“ erklären, man sei „immer offen für Ideen, die Dinge kreativ verbinden können“. Es sei aber keine Entscheidung gefallen. Scharf stellt fest: „Die Stadt will ihr integrationspolitisch ausgerichtetes Welcome Center zügig verwirklichen.“