Zur Windkraftdebatte in der Region haben sich 6000 Bürger zu Wort gemeldet. Alle Einsprüche wurden abgewiesen. Die meisten Kritikpunkte würden sowieso geprüft, argumentiert der Regionalverband.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die unbeugsamen gallischen Dörfer der Region Stuttgart liegen auf dem Schurwald und an der Buocher Höhe – nirgendwo ist der Widerstand gegen die geplanten 77 Windkraftstandorte größer als dort. Das lässt sich jetzt aus den 1100 Seiten starken Unterlagen des Verbandes Region Stuttgart (VRS) herauslesen, die am Mittwoch verteilt worden sind: Jeweils 2000 von insgesamt 6000 Einsprüchen kamen aus diesen betroffenen Gemeinden.

 

Weitere Zentren des Protestes sind Wernau (581 Einsprüche), Bönnigheim (365) und Murrhardt (280). Gegen die Stuttgarter Windräder im Tauschwald gingen 80 Einsprüche beim VRS ein. Umgekehrt gab es aber bei 55 der 77 Standorte keine oder weniger als zehn Einsprüche.

Region hält den Standort Tauschwald für vertretbar

Das Bittere für die Bürger aber ist: alle Kritikpunkte hat der Regionalverband zurückgewiesen, weil diese entweder rechtlich nicht relevant seien oder weil sie sowieso in die Abwägung einflössen. Beispielhaft kann das am Tauschwald gezeigt werden. 41 teils sich wiederholende Argumente haben die Bürger dort vorgebracht. Es lebten in der Nähe sehr viele Menschen, die durch Lärm und Abgase sowieso schon belastet seien, sagen die Bürger – erhebliche Belastungen gebe es vielerorts in der Region, so dass rund um den Tauschwald „keine außergewöhnliche Überlastung“ bestehe, argumentiert der VRS. Die zwei riesigen Windräder hätten eine inakzeptable Höhe, meinen die Bürger – trotz der Beeinträchtigungen seien Anlagen im Tauschwald „grundsätzlich vertretbar“, so der VRS.

Was Einsprüche wegen der Stärke des Lärms, der Gefährdung seltener Tierarten oder der „Zerstörung des Landschaftsbildes“ anbetrifft, so verweist der VRS stets darauf, dass alle diese Punkte im Verfahren geprüft und abgewogen würden. Unterm Strich bleibt im Tauschwald tatsächlich kein Argument übrig, das der VRS zusätzlich in seine Betrachtung aufnimmt.

Regionalräte müssen am Schluss entscheiden

Nun ist es für die Bürger frustrierend, dass alle ihre Argumente abgeschmettert werden. Aber tatsächlich hat sich der VRS immens viel Mühe gemacht, alle Beeinträchtigungen zu erfassen, zu prüfen und zu gewichten – in der Folge hat der VRS nun weitere neun Standorte gestrichen; sieben weitere sollen folgen. Es blieben dann vorerst noch 70 von anfänglich 96 Standorten übrig. Und das dürfte noch lange nicht die letzte Korrektur nach unten sein.

Thomas Kiwitt, der Planungsdirektor des Regionalverbandes, hat am Mittwoch ein neu entwickeltes Modell vorgestellt, um den Regionalräten – die am Schluss entscheiden – neben der Einzelfallprüfung ein allgemeines Instrument an die Hand zu geben. Dabei werden vier Kriterien betrachtet: Fläche (je größer, desto besser), Windstärke (je stärker, desto besser), Erholungsqualität (je höher, desto schlechter der Standort) und Landschaftsbild (je hochwertiger, umso kritischer ist ein Standort). Klar ist aber, dass Kompromisse notwendig sind. Denn als Standorte, die viel Wind haben und groß sind, aber Erholung und Landschaft wenig beeinträchtigen, gelten laut VRS nur vier von 77.

Vorerst keine klare Mehrheit für oder gegen Windkraft

Auch in der politischen Abwägung dürften manche Standorte noch kippen. Grüne, SPD und Linke haben sich am Mittwoch dazu bekannt, so viele Standorte wie möglich auszuweisen – sie haben aber nur 36 von 87 Sitzen in der Regionalversammlung. CDU (30 Sitze) und FDP (4) wollen tendenziell eine deutliche Verringerung. Die Gruppen AfD und „Innovative Politik“ (zusammen vier Sitze) haben sich in der Vergangenheit ähnlich geäußert. Insofern hängt es an den Freien Wählern (13 Sitze), wohin sich der Beschluss dreht. Deren Vorsitzender ist der OB von Waiblingen, Andreas Hesky; er ist bekannt als Befürworter der Windkraft. Hesky betont aber: „Wir gehen ohne jegliche Vorfestlegung an die Prüfung – wir wollen nicht so viele Flächen wie möglich, sondern so viele geeignete und realistische Standorte wie möglich.“