Die Lotto-Gesellschaft habe mit einer Anzeige einen freundlichen Magazin-Bericht über Fritz Kuhn finanziert, behauptet der CDU-Medienexperte Pauli – und erntet Empörung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Mit der Arbeit der Medien müsste sich Günther-Martin Pauli (47) eigentlich auskennen. Nach dem Jurastadium absolvierte der Balinger Landrat und CDU-Abgeordnete erst einmal ein Zeitungsvolontariat beim „Zollern-Alb-Kurier“. Seit Jahren sitzt er für die Christdemokraten im SWR-Rundfunkrat, ähnlich lange dient er der Landtagsfraktion als medienpolitischer Sprecher.

 

Nun aber hat Pauli mit einer bizarren Medienschelte reihum Kopfschütteln provoziert – sogar bei seinen eigenen Parteifreunden. Aufgestoßen war ihm eine der jüngsten Ausgaben des Münchner Nachrichtenmagazins „Focus“. In Baden-Württemberg umfasste das Heft einige Zusatzseiten, die nicht mit Ziffern, sondern mit Buchstaben nummeriert waren. Auf einer Seite stand eine ganzseitige Anzeige der landeseigenen Lotto-Gesellschaft, die für ihr neues Online-Angebot warb. Beim Umblättern folgte auf der Rückseite ein redaktioneller Bericht über den grünen OB-Kandidaten Fritz Kuhn; relativ nüchtern wurden darin Stärken und Schwächen sowie seine Wahlchancen in Stuttgart analysiert.

Wahlwerbung für Fritz Kuhn finanziert?

Pauli aber las den Bericht anders. Für ihn handelte es sich um „Wahlkampfhilfe“, zumal Kuhn groß und sein Konkurrent Sebastian Turner nur klein abgebildet war. Finanziert werde die „Wahlwerbung“ durch die Anzeige von Toto-Lotto, folgerte er weiter; mit dem Geld eines staatlichen Unternehmens solle also die Wahl zu Gunsten des Grünen-Kandidaten beeinflusst werden. Als das Staatsministerium seine Beschwerde nicht ernst genug nahm, wandte sich der Abgeordnete per Brief direkt an den Ministerpräsidenten.

Auch wenn Winfried Kretschmann mit dem Vorgang sicher „persönlich nichts zu tun“ habe, müsse er eindringlich nachforschen, wer dafür die Verantwortung trage. Zudem sei eine Wiederholungsgefahr zu bannen: „Ist etwa für Karlsruhe für Herrn Staatssekretär Frank Mentrup (den SPD-Kandidaten, die Red.) Ähnliches vorgesehen?“, erkundigte sich Pauli. Geboten sei eine „unverzügliche Aufklärung dieses fragwürdigen Sachverhalts“.

„Focus“ und Lotto-Gesellschaft wehren sich

Fragwürdig erscheint indes vor allem der Verdacht, den der Abgeordnete konstruierte. Dass man redaktionelle Texte kaufen könne, ist für ein seriöses Medium einer der denkbar schlimmsten Vorwürfe. Entsprechend empört fiel die Reaktion der Magazinmacher aus: „Redaktion und Anzeige sind bei Focus strikt getrennt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, erklärte ein Verlagssprecher auf Anfrage. Nach StZ-Informationen wissen die Anzeigenkunden bei den länderbezogenen Extraseiten gar nicht, welche Themen redaktionell aufgegriffen werden. Das dürfte Pauli auch in der Antwort auf seinen Brief an „Focus“ erläutert werden.

Noch größer als bei der Zeitschrift, die in CDU-Kreisen als der Partei eher wohlgesinnt gilt, war die Empörung bei der Lotto-Gesellschaft in Stuttgart. Ausgerechnet das vom früheren CDU-Minister Friedhelm Repnik geführte Unternehmen solle verdeckte Werbung für einen Grünen finanzieren? „Völlig absurd und an den Haaren herbeigezogen“ sei das, ließ Repnik einen Sprecher erklären. „Auf Inhalte von redaktionellen Beiträgen, die beispielsweise auf der Rückseite unserer Anzeigen erscheinen, haben wir in keiner Weise Einfluss.“ Die auch in anderen Landesausgaben von Zeitschriften wie „Spiegel“ oder „Stern“ erschienene Anzeige sei zudem schon Wochen vorher in Auftrag gegeben worden.

Kritiker tritt den Rückzug an

Ob und wie Kretschmann angesichts des einhelligen Echos noch auf das Abgeordneten-Schreiben reagiert, war zunächst nicht zu erfahren. Günther-Martin Pauli, der eigentlich nicht zu den besonderen Turner-Fans in der Südwest-CDU gezählt wird, scheint derweil etwas nachdenklich geworden zu sein. Die Verbindung von Anzeige und Bericht finde er nach wie vor „sehr unglücklich“, sagte er gegenüber der Stuttgarter Zeitung, aber vielleicht löse sich sein Verdacht ja „in Wohlgefallen auf“.