Der US-Ökonom Richard Thaler wird für seine Arbeiten geehrt, mit denen er die Psychologie in die Wirtschaftswissenschaften eingeführt hat.

Stuttgart - Wer von Kollegen als einer der Favoriten auf den Nobelpreis genannt wird, der wird es dann meist nicht, sondern stattdessen ein veritabler Außenseiter – das ist in der Ökonomie nicht anders als in anderen Disziplinen. Kein Wunder, dass manchmal selbst Insider mit Nachfragen zu Preisträgern und deren Errungenschaften überfordert sind. Das ist in diesem Jahr ganz anders. Der Amerikaner Richard Thaler ist weithin bekannt und seine Arbeit gilt schon länger als preisverdächtig. So hat ihn erst Ende voriger Woche Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), in einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa zusammen mit dem Österreicher Ernst Fehr – der dann aber leer ausgegangen ist – favorisiert. Begründung: Sie hätten das Verständnis von Verhalten und Entscheidungen erweitert und damit die Wirtschaftswissenschaften zu anderen Disziplinen geöffnet.

 

So ähnlich klingt es auch in der Begründung der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften für die Auszeichnung von Thalers Arbeiten auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie. Der Preis ist mit neun Millionen Schwedischen Kronen (945 000 Euro) dotiert. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität von Chicago gehört zu den Pionieren einer Forschungsrichtung, die die Psychologie in die Wirtschaftswissenschaften eingeführt hat.

Thaler hat einst US-Präsident Obama beraten

Der 72-Jährige geht in seinen Arbeiten davon aus, dass das in den Wirtschaftswissenschaften dominierende Bild des „Homo oeconomicus“ nichts als Erklärungsmuster taugt. Aus Thalers Sicht handeln die Menschen nur begrenzt rational, sind leicht zu beeinflussen, lassen sich von dem lenken, was sie für fair halten, und nehmen Zuflucht zu simplen Faustregeln, um Entscheidungen zu treffen; entsprechend treffen sie auch falsche Entscheidungen. Hinzu kommen die sogenannten menschlichen Schwächen: Die guten Vorsätze aus der Silvesternacht scheitern in der Regel, weil es den Menschen an Selbstkontrolle mangelt. Zu den (falschen) Faustregeln zählt Thaler es, dass viele Menschen ihr Haushaltsbudget in Teilbudgets aufteilen und dafür feste Regeln aufstellen: ein Budget für den Urlaub, ein Budget für Einkäufe, ein Budget für Rechnungen und so weiter. Durch die Trennung gelingt es aus Thalers Sicht nicht, den Gesamthaushalt zu optimieren.

Thaler, der in der Vergangenheit auch den US-Präsidenten Barack Obama beraten hat, brachte in einer Videokonferenz seinen Beitrag zu den Wirtschaftswissenschaften auf diese kurze Formel: „Ökonomische Akteure sind Menschen, und die ökonomischen Modelle müssen das berücksichtigen.“ Eine kaum verhohlene Kritik an der Welt der mathematischen Wirtschaftsmodelle.

Mit sanftem Druck zum richtigen Handeln

Ein wichtiger Bestandteil der Vorstellungen von Thaler findet sich in dem Buch „Nudge“ (deutscher Titel: „Wie man kluge Entscheidungen anstößt“), das er zusammen mit dem Rechtswissenschaftler Cass Sunstein geschrieben hat. „Nudge“, übersetzt als „Anstupsen“ oder „Anstoßen“, soll die Menschen nach Thalers Verständnis mit sanftem Druck dazu bewegen, das vorgeblich Richtige zu tun (mit dem Rauchen aufhören, Sparen oder sich als Organspender zur Verfügung stellen).

Thaler witzelte bei der Videokonferenz, dass sein kurzer Auftritt in dem Spielfilm „The Big Short“ in der Begründung des Komitees für die Auszeichnung leider nicht erwähnt worden sei. „The Big Short“ basiert auf dem gleichnamigen Buch des amerikanischen Wirtschaftsjournalisten Michael Lewis. Es schildert in Episoden aus der Perspektive von Akteuren die abenteuerlichen Praktiken, durch die es vor zehn Jahren zunächst in den USA zu einer Immobilienkrise und in der Folge weltweit zu einer Finanzkrise gekommen ist, die das gesamte Finanzsystem an den Rand des Abgrunds gebracht hat.

Ein Gastauftritt mit der Sängerin und Schauspielerin Selena Gomez

Thaler erklärt in seinem Auftritt zusammen mit der amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Selena Gomez mit Hilfe einer Partie Black Jack, wie sich Menschen von Glückssträhnen beeinflussen lassen, obwohl sie objektiv keinen Einfluss darauf haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich ein eingetretenes Ereignis wiederholt. In der Verhaltensökonomie ist von „Hot Hand Fallacy“ die Rede: „Hot Hand“ steht für Glückssträhne und „Fallacy“ für Trugschluss.

Der Wirtschaftsnobelpreis geht nicht direkt auf das Testament von Alfred Nobel zurück. Der Preis wurde erst 1968 von der Schwedischen Reichsbank ins Leben gerufen. Seit 1969 wird er verliehen. Die ersten Preisträger waren Ragnar Frisch (Norwegen) und Jan Tinbergen (Niederlande).