Ortswechsel - von Ehingen nach Freiburg, von Schwarz zu Grün. Nach der Wahl ist das Fernsehen gekommen. Im Fahrradladen Radieschen mit der Stromtankstelle sind sie genervt von der Aufmerksamkeit, die dem Freiburger Stadtteil Vauban zuteilwird. "Ich habe Grün gewählt, na und?", sagt der Mann an der Kasse. Na und? Normal war die Wahl hier nicht. Nirgends im Land waren die Grünen stärker. Von den 3100 Wählern haben hier 72,7 Prozent Grün gewählt, 12,6 Prozent noch die SPD. Die CDU ist auf dem Niveau einer kleinen Splittergruppe - mit 3,8 Prozent.

 

"Nordkoreanische Verhältnisse", sagt Daniel Haas grinsend. Der 46-Jährige wartet im ersten Stock von Haus 037. Das Gebäude ist zu 100 Prozent aus Altbaustoffen hergerichtet worden, und in diesem "Direkt-Recycling-Haus" sitzt der Geist vom Vauban. Hier haben die Vereine ihre Büros; der für autofreies Wohnen, der für das Wasser, jener für die Jugendarbeit und all die anderen, die sich für das große Ganze und das Gute im Quartier engagieren. Haas ist 46 Jahre und ist bei der "Quartiersarbeit" angestellt. Er organisiert Feste und Diskussionsrunden, ist Ansprechpartner für alle Anliegen im Stadtteil. "Es ist Zeit für Veränderungen", sagt er und hofft, dass der Erfolg dazu beiträgt, die Energiepolitik neu auszurichten. "Vauban ist die Zukunft."

Im Wahlkampf hat die CDU die Grünen mit dem Stigma "Dagegen" versehen. Am südlichen Stadtrand von Freiburg ist etwas real, für das die Grünen sind. Vauban, das ist der Prototyp grünen Denkens und grünen Lebens. Eine grüne Blaupause für die Stadt der Zukunft. Als die Franzosen das Kasernengelände verließen, wurde das Areal 1998 zu einem ein Freiluftlabor für den ökologischen Lebensentwurf. Autofrei, Passivhäuser, Solarzellen auf den Dächern, grüne Lungen zwischen den Häusern mit Spielplätzen, hochwertige Architektur und Bürgerbeteiligung bei allen Fragen des Stadtteils. Aktuell geht es um die Gestaltung des Eingangsbereichs ins Viertel. Eine Mikro-Öko-Bürgergesellschaft.

Grünes Leben hat durchaus seinen Preis

In Grundsheim zum Beispiel hat Karl Traub 81,9 Prozent der Stimmen geholt. Ein Feldkreuz am Ortseingang mahnt: "Rette deine Seele". Dabei hilft der erhobene Bau der Martinuskirche, unter dem das Rathaus steht, das nur an zwei Tagen pro Woche geöffnet ist. In einem gläsernen Zettelkasten hängt noch die "Schnellmeldung" zur Wahl vom Sonntag. Von 116 gültigen Stimmen entfielen auf die CDU 95. Viele ältere Bewohner spüren da schon zitternd eine Zeitenwende. "Früher haben wir hier hundert Prozent gehabt", grummelt ein Mann, der seinen Hof pflastert.

Viele glauben, wenn die CDU ihre Geschicke nicht mehr lenkte, bedeute das die Abkehr vom rechten Weg, von einer wohlbestellten Zukunft, den Abschied von liebgewonnenen Gewohnheiten. In Grundsheim findet sich aber niemand, der darüber klagt, dass es im Dorf seit den 70er Jahren keine Einkaufsgelegenheit mehr gibt und nach wie vor keinen Internetanschluss. Ein Bewohner, der in seinem Garten Holz stapelt, empört sich lieber, er halte nichts von den Leuten, die in Stuttgart gegen den Bahnhof demonstrierten.

"Ich kann's mit den jungen Leut"

Die Landespolitik und ihre großen Themen sind an diesem Ort beachtlicher Bedürfnislosigkeit weit weg, aber "den Karl, den kennt hier jeder", wie ein anderer Einheimischer versichert. Einmal, führt er aus, gab es eine Sache mit dem 16-jährigen Neffen, der sollte dem Vater mehr auf dem Hof helfen, aber er durfte damals noch keinen Traktorführerschein machen. Karl Traub machte seinen Einfluss im Landratsamt geltend, der Junge durfte die Fahrprüfung ablegen und mit einer Ausnahmegenehmigung auf den Äckern des Vaters die Zugmaschine bewegen.

Der so gelobte Abgeordnete erinnert sich gut an den Fall. "Ich helfe in kleinen Dingen. Das bin ich gewohnt." Dutzende Aktenordner hat er zu Hause, in denen er Durchschläge seiner Briefe und Eingaben sammelt. Das Vertrauen, das ihm entgegenschlage, gehe exakt auf diesen Einsatz zurück, sagt er. 400 Wahlkampftermine hat er in den vergangenen Wochen in seinem Wahlkreis abgerissen, bis zu sieben an einem Wochenende, und wenn er die Budenwagen der Landjugend besuchte, dann hat er den Anzug und die Krawatte beiseitegelegt. "Ich kann's mit den jungen Leut", sagt Karl Traub. "Ich mag die Menschen."

Das gilt wohl nicht mehr für alle Parteifreunde, auch wenn Karl Traubs Enttäuschung sich tief in seinen Sätzen verbirgt. Über Stefan Mappus sagt er: "Ich hab ihn lange verteidigt." Und ja: die CDU stünde besser da, wenn "mehr Abgeordnete im Land geschafft hätten wie ich".

Vielleicht kommt die CDU des Landes ja noch auf die Idee, bei einem Parteimitglied, das von gestern zu sein scheint, nach Rat für die anstehende Erneuerung zu fragen. Gelegenheit wäre genug, denn Karl Traub nimmt, solange die Gesundheit mitmacht, auch Platz auf der Oppositionsbank. Er müsse das machen, sagt er, wegen der Leute, die ihn gewählt und ihre Hoffnung auf ihn gesetzt haben.

Grüne Macht in Freiburg

Ortswechsel - von Ehingen nach Freiburg, von Schwarz zu Grün. Nach der Wahl ist das Fernsehen gekommen. Im Fahrradladen Radieschen mit der Stromtankstelle sind sie genervt von der Aufmerksamkeit, die dem Freiburger Stadtteil Vauban zuteilwird. "Ich habe Grün gewählt, na und?", sagt der Mann an der Kasse. Na und? Normal war die Wahl hier nicht. Nirgends im Land waren die Grünen stärker. Von den 3100 Wählern haben hier 72,7 Prozent Grün gewählt, 12,6 Prozent noch die SPD. Die CDU ist auf dem Niveau einer kleinen Splittergruppe - mit 3,8 Prozent.

"Nordkoreanische Verhältnisse", sagt Daniel Haas grinsend. Der 46-Jährige wartet im ersten Stock von Haus 037. Das Gebäude ist zu 100 Prozent aus Altbaustoffen hergerichtet worden, und in diesem "Direkt-Recycling-Haus" sitzt der Geist vom Vauban. Hier haben die Vereine ihre Büros; der für autofreies Wohnen, der für das Wasser, jener für die Jugendarbeit und all die anderen, die sich für das große Ganze und das Gute im Quartier engagieren. Haas ist 46 Jahre und ist bei der "Quartiersarbeit" angestellt. Er organisiert Feste und Diskussionsrunden, ist Ansprechpartner für alle Anliegen im Stadtteil. "Es ist Zeit für Veränderungen", sagt er und hofft, dass der Erfolg dazu beiträgt, die Energiepolitik neu auszurichten. "Vauban ist die Zukunft."

Im Wahlkampf hat die CDU die Grünen mit dem Stigma "Dagegen" versehen. Am südlichen Stadtrand von Freiburg ist etwas real, für das die Grünen sind. Vauban, das ist der Prototyp grünen Denkens und grünen Lebens. Eine grüne Blaupause für die Stadt der Zukunft. Als die Franzosen das Kasernengelände verließen, wurde das Areal 1998 zu einem ein Freiluftlabor für den ökologischen Lebensentwurf. Autofrei, Passivhäuser, Solarzellen auf den Dächern, grüne Lungen zwischen den Häusern mit Spielplätzen, hochwertige Architektur und Bürgerbeteiligung bei allen Fragen des Stadtteils. Aktuell geht es um die Gestaltung des Eingangsbereichs ins Viertel. Eine Mikro-Öko-Bürgergesellschaft.

Grünes Leben hat durchaus seinen Preis

Uta Grunert hat den Sieg der Grünen bei Freunden gefeiert. Super, sei der Abend gewesen. Nun hat die Forstwissenschaftlerin an ihrem Küchentisch Platz genommen. Es gibt Leitungswasser und einen Grundkurs Vauban. Uta Grunert wohnt in einem Passivhaus. Die Fenster sind dreifach isoliert, im Keller steht ein kleines Blockheizkraftwerk. "Die Nebenkosten sind gleich null." Sie schwärmt von den Lebensbedingungen, von der Gemeinschaft. Draußen vor dem Garten toben Kinder. Laut ist es im Vauban. Es ist nicht das gewohnte Hintergrundrauschen der Großstadt mit Verkehr. Es ist der Soundtrack des Familienidylls, spielende Kinder. "Sie sind die Könige der Straße, nicht die Autos." Das Viertel ist nicht wirklich autofrei, zum Verdruss von Alteingesessenen gibt es auch Häuser mit Tiefgaragen. Stark autoreduziert, trifft es besser. Parkplätze direkt vor der Haustüre sind aber weiter verboten.

Mit dem Regierungswechsel werde längst nicht alles anders, glaubt Grunert, zu groß seien die politischen Zwänge. Aber sie hofft, dass Themen wie Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Wie hier in ihrem Viertel. Vauban ist nicht repräsentativ für das Land, aber es ist ein - zugespitzter - Querschnitt durch die grüne Wählerschicht. Vauban ist ein bisschen autonom mit der Wagenburg am Eingang, ein bisschen esoterisch mit vielen spirituellen Läden, ein bisschen studentisch mit dem Wohnheim, vor allem aber durchaus bürgerlich. Ein modernes, ökologisches, städtisches Bürgertum lebt hier, das für die CDU unerreichbar scheint.

Die Partei ist längst in der Mitte und der Halbhöhenlage angekommen. Der Freiburger Stadtteil ist reich. Viele Akademiker, Lehrer, Architekten haben ihren Archipel gefunden, ein grünes Ghetto mit einer geringen sozialen Durchmischung, die nur sehr langsam aufbricht. Grünes Leben dieser Art hat durchaus seinen Preis. Den Vorwurf einer grün lackierten FDP der Besserverdienenden hört man bisweilen. Die Zukunft könne nicht nur mit Bionade und Latte macchiato gestaltet werden, ätzte SPD-Chef Sigmar Gabriel noch 2010.

Die Toleranz hat Grenzen

Wenn man das Haus 037 verlässt, möge man dies möglichst ruhig tun, weist der Zettel an der Tür an: "Wir bitten Sie, das Haus nach 22 Uhr leise zu verlassen, insbesondere auf lange Unterhaltungen vor der Tür zu verzichten, da dies durch die enge Bebauung stört." An anderer Stelle steht: "Liebe Unbewusste und Hundefreunde, bitte nehmt Eure Hundescheiße vor unserem Hausblock mit." Man kennt das, im grünen Reservat hat die Toleranz Grenzen, wie überall sonst auch. Der "Spiegel" hat dieser Tage einen Bericht über das Pendant von Vauban in Tübingen, das Französische Viertel, mit "Grüne Hölle" betitelt und Inbegriff des Ökospießertums genannt.

Grüne Wähler sind keine Rebellen. Daniel Haas vom Stadtteilverein sagt, dass viele durchaus konservativ seien. Aber nicht in einem politischen Sinne, sondern sie wollen etwas bewahren, die Umwelt.

Monika Hönig hat schon einmal die CDU gewählt. Fast entschuldigend sagt sie, dass sie eben Unternehmerin sei: "Aber das ist auch schon lange her." Ihr gehört ein Buchladen in der Vaubanallee. Radikal ist sie nicht, doch auch sie wünscht sich einen ökologischen Wechsel. Im Laden gibt es Plastiktaschen aus China, nicht bio, aber sie sind billig und verkaufen sich gut bei Touristen. "Ich muss ja auch überleben."