Die Streiks im Nahverkehr haben am Montagmorgen für chaotische Verhältnisse auf den Straßen gesorgt. Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt.  

Stuttgart - Wer am Montag Busse oder Stadtbahnen benutzen will, dürfte Pech haben. Wegen des Streiks bei den Verkehrsbetrieben Stuttgart bleiben nämlich alle Busse und Bahnen im Depot. "Es ist wirklich so, dass im Moment keine Bahn fährt", sagte eine SSB-Sprecherin am Montagmorgen. Ausnahmen sind S-Bahnen sowie vereinzelte Buslinien, die von privaten Anbietern gefahren werden. Der VVS listet diese Linien auf seiner Facebook-Seite auf: "Die SSB-Buslinien 36, 38, 66, 67 und 98, sowie die Buslinie 94 nur tagsüber, sind vom Warnstreik nicht betroffen." "Man kommt also wenigstens etwa von Gerlingen nach Ditzingen mit der Linie 98", hieß es von Seiten der SSB.

 

Mit diesen Bussen könne man an folgenden Haltestellen auf die S-Bahn umsteigen:

Linie 36: An den Haltestellen Bernhausen, Echterdingen und Leinfelden

Linie 38: An den Haltestellen Echterdingen, Leinfelden und Oberaichen

Linie 66: Hier besteht keine Umsteigemöglichkeit auf die S-Bahn

Linie 67: Haltestelle Fellbach Bahnhof

Linie 94: Haltestelle Leonberg

Linie 98: Haltestelle Ditzingen

Die Konzernsprecherin rief auch dazu auf, sich auf der Internetseite des VVS über die eigene Strecke zu informieren. Dort sei genau angegeben, welche Busse fahren und welche nicht. Doch sowohl die Webseite des VVS als auch der SSB waren morgens zeitweise nicht erreichbar. "Sie sind wahrscheinlich überlastet", sagte die Sprecherin.

Pech haben alle Fahrgäste mit Wochen-, Monats- oder Semesterticket: Sie können von der SSB kein Geld zurückverlangen, auch wenn sie an den beiden Streiktagen ihr Ticket nicht benutzen können und vielleicht auf ein Taxi umsteigen müssen. "Streik gehört zur höheren Gewalt. Dabei gibt es keine Erstattung." Immerhin habe Verdi und nicht die SSB zu diesem Streik aufgerufen.

Online-Reaktionen

Viele Fahrgäste ließen ihrem Ärger im Internet freien Lauf. Auf der Facebook-Seite der SSB zum Beispiel beschwerte sich ein User: "Ständiger Streik und dann aber eine Preiserhöhung um zwei Euro. Mein Verständnis dafür ist schon lang geschwunden." Und auch der Hinweis der SSB, dass man auf das Fahrrad umsteigen solle, wurde nicht unbedingt gut aufgenommen. "Und wie kommt man zur Arbeit, wenn man kein Auto hat? Von wegen auf's Fahrrad umsteigen! Hohn ohne Ende." Auch auf Twitter kam der Streik nicht gut an. Viele ärgerten sich über die zum Teil langen Fußwege, die sie bis  zur nächsten S-Bahn-Haltestelle zurücklegen mussten. Nur Wenige konnten das Ganze mit Humor nehmen: "Auf zum fröhlichem Fußmarsch".

Auch im Facebook-Profil des VVS hagelte es Kommentare von genervten Fahrgästen: "Herrlich, wir laufen von Luginsland nach Untertürkheim, weil wir das laut Fahrplanauskunft machen sollen. Was fährt dabei an uns vorbei? Richtig: ein Bus. VVS ist genauso ein Saftladen wie die SSB."

Verkehrskollaps

Bereits Ende der vorigen Woche hatten die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe in Stuttgart und Esslingen angekündigt, dass sie am Montag und Dienstag die Arbeit niederlegen wollen. Im Vorfeld war deshalb vor einem drohenden Verkehrskollaps in der Stuttgarter Innenstadt gewarnt worden - und genau das kündigte sich am frühen Montagmorgen an. "Alle großen Zufahrtsstraßen nach Stuttgart sind voll", teilte die Polizei mit. Sowohl auf der Weinsteige in Richtung Innenstadt als auch aus Richtung Esslingen und Bad Cannstatt auf der B10 und B27 staute sich der Verkehr zum Teil sehr weit zurück. "Es ist schon erheblich mehr Verkehr als normal." Sogar die kleinen Ausweichstrecken, die normalerweise nur Ortskundige kennen, waren überfüllt. Die Polizei riet deshalb dazu, bei einer Fahrt nach Stuttgart viel Zeit einzuplanen.

Mittlerweile hat sich die Situation auf den Straßen aber wieder entspannt. "In und um Stuttgart läuft es wieder", sagte ein Polizeisprecher. Durch das höhere Verkehrsaufkommen verzeichnete die Polizei am Montagmorgen mehr Unfälle als sonst. Allein zwischen halb sechs und zehn Uhr wurden 57 Vorfälle gemeldet, die meisten davon allerdings Kleinstunfälle. Für den Feierabendverkehr erwartet die Polizei wieder verstopfte Straßen. "Die Autos, die morgens in die Stadt rein gefahren sind, müssen ja abends auch wieder raus", sagte ein Sprecher. Zwar werde man die Verkehrsleitsysteme entsprechend schalten, trotzdem müssten Autofahrer mit Verzögerungen rechnen.

Wer sich am Montagmorgen mit einem Taxi auf den Weg machen wollte, musste sich ebenfalls auf eine längere Fahrt gefasst machen. "Wir haben unheimlich viele Aufträge", sagte Georgios Natsiopoulos von der Taxi-Auto-Zentrale. Pro Stunde gingen gut 1000 Anrufe ein, die auf die 780 Taxis der Taxi-Auto-Zentrale verteilt werden mussten. "90 Prozent unserer Autos sind besetzt und die anderen 10 Prozent stehen im Stau", beschrieb Natsiopoulos die angespannte Situation am Morgen. Fahrgäste mussten sich deshalb auf Wartezeiten von einer halben bis zu einer ganzen Stunde einstellen. Natsiopoulos riet dazu, ein freies Taxi heranzuwinken, sollte man eines sehen. "Doch wir tun auch bei Anrufen unser Möglichstes." Er rechnete damit, dass sich die Lage bis zum Mittag beruhigen wird. Erst abends zwischen 16 und 18 Uhr werde die Nachfrage seiner Meinung nach noch einmal relativ stark ansteigen.

Taxi vorbestellen

Wer am Dienstag auf Nummer sicher gehen will, kann schon jetzt ein Taxi vorbestellen. Doch die Zahl der Reservierungen ist begrenzt. "Wir müssen ja auch die Anrufe abarbeiten können", sagte Natsiopoulos. Seine Zentrale werde rund 1000 Vorbestellungen entgegennehmen.

Wer nicht mit dem Auto fahren kann oder will, dem bleibt an den beiden Streiktagen nur die S-Bahn. Da diese sieben Linien von der Deutschen Bahn betrieben werden, sind sie nicht vom Streik betroffen. "Heute hatten wir viel mehr Fahrgäste als sonst", sagte ein Bahnsprecher am Montagmittag. Deshalb seien die Züge voller als üblich gewesen. Trotzdem habe man keinen Fahrgast am Bahnhof stehenlassen. Gerade auf den stark frequentierten Linien S1 und S3 habe man nämlich schon vorsorglich die Züge verlängert. "Wir haben auf diesen S-Bahn-Linien einen Langzug mit drei Einheiten eingesetzt." Große Verspätungen der Bahnen waren ihm nicht bekannt. "Natürlich kann ein Zug sich mal geringfügig verspäten, wenn beispielsweise am Hauptbahnhof viel mehr Menschen ein- und aussteigen. Aber das sind dann meistens nur eine oder zwei Minuten."

Hintergrund der zweitägigen Warnstreiks ist die Tarifauseinandersetzung im kommunalen Nahverkehr. Verdi verlangt kürzere Schichten, volles Weihnachtsgeld, 30 Tage Urlaub für alle unabhängig vom Alter sowie Vorteile speziell für Verdi-Mitglieder. Der Vorsitzende des Kommunalen Arbeitgeberverbands (KAV), Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne), hatte bereits in der vergangenen Woche den Ausstand als „völlig überzogen“ kritisiert: Die Forderungen der Gewerkschaft Verdi bedeuteten für die Kommunen Mehrkosten von 7 bis 10 Prozent bei den Gehältern. Die Arbeitgeber hätten in den Tarifverhandlungen bereits weitgehende Zugeständnisse vor allem beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemacht, sagte Salomon. Ein Streik im öffentlichen Nahverkehr sei „Wasser auf die Mühlen derjenigen, die öffentlichen Personennahverkehr in kommunaler Regie als ein antiquiertes Museumsstück ansehen und einer Privatisierung das Wort reden“.Heute und morgen sind daher 7500 Beschäftigte im Land zur Urabstimmung aufgerufen.

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