Die alten Herren der Christdemokratie beklagen das aktuelle Bild ihrer Partei. Heiner Geißler hält dagegen. Nur einer fehlt noch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Jetzt fehlt nur noch der verhinderte Ehrenvorsitzende. Helmut Kohl hat sich bisher nicht zu Wort gemeldet. Aber es würde ins Bild passen, wenn er es noch täte. Bei anderer Gelegenheit hatte er schon ähnliche Töne angestimmt, wie sie jetzt von einem Chor der alten Herren aus vermeintlich glorioseren Zeiten der Christdemokratie zu vernehmen sind.

 

Den Tenor gab Erwin Teufel vor, ehedem Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Er hatte sein Klagelied über die Misere der eigenen Partei bei einer Zusammenkunft der Seniorenunion angestimmt und jüngst noch einmal öffentlich wiederholt, was ihm Unbehagen bereitet. "Die Stammwähler der CDU können nicht mehr sagen, worin die Alleinstellungsmerkmale der CDU liegen, wo ihre Kernkompetenzen sind, wo ihr Profil ist", kritisierte er.

Die Pensionisten melden sich zu Wort

Angela Merkel, die Kanzlerin und Parteichefin, hat im fernen Südtirol, wo sie in Urlaub weilt, den Jammer wohl vernommen. Aber sie entschied sich, ihn fürs erste unkommentiert zu lassen, auf dass er im Sommerloch verhallen möge. Diese Art der politischen Nichtkommunikation ist typisch für Merkel. Doch es fanden sich Gleichgesinnte, die in Teufels Wehklagen über den Verlust der christdemokratischen Identität einstimmten. So wurde ein Kanon daraus: Kurt Biedenkopf, der frühere CDU-Generalsekretär und spätere Ministerpräsident von Sachsen, mokierte sich über Merkels "unverständliche" Atompolitik. Der Altkonservative Jörg Schönbohm schimpfte über eine "Wende zur Verschwommenheit", die er der Kanzlerin anlastete. Und der Jungkonservative Philipp Mißfelder, immerhin Mitglied des Parteipräsidiums und als solches für deren Erscheinungsbild mitverantwortlich, klatschte prompt Beifall.

Es meldeten sich weitere Pensionisten zu Wort: Auch Wolfgang Böhmer, bis Anfang des Jahres noch Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, vermisst nach eigenem Bekunden christliche Werte in der CDU. Sein Ex-Kollege aus Thüringen, Dieter Althaus, der in dieser Angelegenheit nicht gerade zum Vorbild taugt, konnte es sich nicht verkneifen anzumerken, dass er die innerparteiliche Nabelschau für wichtig halte. Fraktionschef Volker Kauder, auch er ein bekennender Konservativer, ist des öffentlichen Lamentos überdrüssig. Solche Debatten würden besser in den zuständigen Gremien diskutiert, mahnt er, übersieht aber, dass die Beschwerdeführer längst aus den Gremien ausgeschieden sind. "Deutschland geht es gut", fügt Kauder noch hinzu, "das hätte man auch mal sagen können."

Geißler qualifiziert sich nicht zum Schlichter

Heiner Geißler, Kohls einstiger Generalsekretär, der seine Zitate angeblich sorgfältigst wählt, aber keinen Kriegsschauplatz meidet, mischt sich auch in dieses Getümmel. Was er zu sagen hat, qualifiziert ihn jedoch nicht zum Schlichter. Es sei "ein großer Irrtum anzunehmen, die CDU sei eine konservative Partei", erklärt er im Interview mit der "Welt". Sie sei "keine Tory-Partei, keine aufgeblasene FDP, keine Volksausgabe bibeltreuer Christen", sondern vereine konservative, liberale und christlich-soziale Strömungen. In Wahrheit habe die CDU nur ein Problem. Und dieses Problem sei mit den Buchstaben FDP abzukürzen. Sie habe "den falschen Koalitionspartner".

Geißler wirbt für ein Bündnis mit den Grünen, was die Kanzlerin hartnäckig als "Hirngespinst" bezeichnet hat. "Manche Gespenster verwandeln sich bei Sonnenaufgang in freundliche Wesen", sagt er und rät Merkel: "Die Koalitionsmöglichkeiten der CDU einzuengen auf eine Partei, von der man gar nicht weiß, wie lange sie noch existiert, wäre nicht sehr intelligent."

Die "Debatte um die angebliche Profillosigkeit der CDU" auf konservative Defizite zu verengen erscheint dem Guru der Wutbürger offenbar genau dies. Er wertet das als "Ergebnis von Gedankenfaulheit".