Das „sensationelle“ Abschneiden der Südwest-CDU bei der Bundestagswahl am Sonntag stärkt den Landesparteichef Thomas Strobl: Bekommt er einen Posten in Berlin, oder tritt er 2016 im Land an?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Thomas Strobl hielt es ganz wie seine Kanzlerin. Freude zeigen, aber bloß keinen Übermut – das schien die Devise des CDU-Landeschefs für den Umgang mit dem Wahlergebnis zu sein. Natürlich habe die Union im Südwesten „sensationell“ abgeschnitten, bilanzierte Strobl. Beide Wahlziele seien klar erreicht worden: ein „dickes Stimmenpaket“ für Angel Merkels Sieg beizusteuern und alle Wahlkreise direkt zu gewinnen. So könne man die Interessen Baden-Württembergs im Bund gut vertreten, was die Regierung Kretschmann ja bekanntlich nicht tue.

 

Über eigene Ambitionen aber wollte der Heilbronner Bundestagsabgeordnete nach dem Triumph partout nicht reden. Im SWR-Fernsehen ließ er alle Fragen einer Reporterin ins Leere laufen. Ob er jetzt auf ein Ministeramt in Berlin spekuliere? Das beschäftige ihn nun wirklich nicht. Ob er vielleicht den Posten des Ministerpräsidenten anstrebe? Nein, „darum geht’s nicht“. Wichtig sei, dass die CDU auch im Südwesten kräftig „Rückenwind“ erhalten habe. Das helfe in der Konkurrenz gegen die grün-rote Landesregierung, die jeden Tag Zukunftschancen verspiele.

Wird der Landeschef 2016 selbst Spitzenkandidat?

Mochte die eine Wahl auch haushoch gewonnen sein, Strobl blieb im Wahlkampfmodus. Schließlich war der 22. September für ihn nur der erste Schritt auf dem Weg zur Rückeroberung der Macht in Baden-Württemberg. Der zweite soll bei der Europa- und Kommunalwahl 2014 erfolgen, der dritte schließlich im Frühjahr 2016. Ob es womöglich der Landeschef selbst ist, der dann gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) antritt, darüber ließen sich führende Christdemokraten weiterhin nichts entlocken. Klar aber ist, was sein Vorvorgänger und langjähriger Vertrauter Günther Oettinger festhielt: Durch das Wahlergebnis sei Strobl „gestärkt“, lobte der EU-Kommissar, seine Integrationsleistung nach der Abwahl 2011 habe sich ausgezahlt.

Eigentlich hätte sich der 53-Jährige mit dem Landeswert von 45,7 Prozent der Zweitstimmen – dem besten im Südwesten seit 1990 – klar für einen Posten in der Bundesregierung empfohlen. Doch dem, meinen CDU-Strategen, stehe wohl weiterhin sein Schwiegervater entgegen: Solange Wolfgang Schäuble (71) Minister sei – und das werde er gewiss noch eine Weile bleiben –, könne der Schwiegersohn schlecht gleichzeitig am Kabinettstisch Platz nehmen. Das sei vielleicht etwas ungerecht, aber eine Frage des politischen Stils. Schäuble selbst zeigte sich am Wahlabend in Günther Jauchs Talkrunde in bester Form; ziemlich entspant plauderte er auch über die Phase, in der ihm seine Gesundheit zu schaffen machte.

So viele CDU-Abgeordnete aus dem Land wie nie

Bisher hatte es stets geheißen, Strobl sei und bleibe ein Bundespolitiker. Deswegen funktioniere auch die Zusammenarbeit mit dem Landtags-Fraktionschef Peter Hauk so gut: die beiden hätten eine klare Arbeitsteilung und kämen sich nicht ins Gehege. Doch nach der Wiederwahl als Parteichef am Wochenende zuvor und dem „riesigen Erfolg“ bei der Bundestagswahl wird auch Strobl vermehrt als potenzieller Spitzenkandidat für 2016 gehandelt. Wenn er das werden wolle, werde er es auch, sagen CDU-Insider. Am Landesvorsitzenden führe dann kein Weg vorbei. Aufmerksam wird registriert, wie der Jurist an seinem Auftritt gearbeitet hat: War er früher eher ein mittelmäßiger Redner, überrascht er die Partei heute mit emotionalen, ja zuweilen mitreißenden Reden.

Mit der CDU-Landesgruppe im Bundestag verfügt Strobl in Berlin künftig über eine Hausmacht, die so groß ist wie nie zuvor: 43 Abgeordnete aus dem Südwesten ziehen in das nächste Parlament ein. Es wurden nämlich nicht nur alle 38 Wahlkreise direkt gewonnen – mit den Spitzenergebnissen von 56,3 Prozent der Zweitstimmen im Wahlkreis Biberach und 60,7 Prozent der Erststimmen für Thomas Bareiß im Wahlkreis Zollern-alb-Sigmaringen. Über die sonst wenig relevante Landesliste kommen zudem unverhofft fünf weitere Kandidaten zum Zuge. Darunter sind, was den Frauenförderer Strobl besonders erfreuen dürfte, drei Kandidatinnen. Die Zahl der weiblichen Abgeordneten verdoppelt sich dadurch auf immerhin sechs – immer noch kein berauschender Anteil für eine Partei, die ihre Beliebtheit bei den Frauen steigern will. Im Bundestagswahlkampf hätten die Frauen immerhin keinen Bogen mehr um die CDU-Stände gemacht wie noch 2011, hatte Strobl zufrieden berichtet.

Die von ihm betriebene Modernisierung der Partei hat die Wähler offenbar nicht erschreckt: In dem als konservativer geltenden ländlichen Raum kam die CDU laut Statistischem Landesamt im Schnitt auf 50,9 Prozent, in Städten und Ballungsräumen immerhin 39,4 Prozent.