Thomas Strobl wirbt in der CDU um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl im Jahr 2016. Die Basis soll ihn im Dezember wählen. Für ihn steht viel auf dem Spiel.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Kirchzarten - Es ist ein freundlicher, aber nicht überschwänglicher Empfang, den die CDU-Senioren des Kreisverbands Breisgau-Hochschwarzwald ihrem Landesvorsitzenden bereiten. Im Nebenzimmer des Gasthauses „Sonne“ in Kirchzarten wird schon seit einer halben Stunde diskutiert, als Thomas Strobl – dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte – mit einem zackigen “Grüß Gott” eintritt. Nun heißt es erst einmal wieder zuhören für die überwiegend älteren Christdemokraten, die sich an diesem Nachmittag bei Kaffee und Kuchen ein Bild von einem der Bewerber für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2016 machen wollen; der andere, Landtagspräsident Guido Wolf, ist zwei Wochen später dran.

 

Strobl kommt mit etwas Verspätung aus dem Hochschwarzwald, wo er gerade das „Sägewerk des Jahres 2014” besichtigt hat. Das gibt ihm nicht nur Gelegenheit für ein Lob des Landes („So tolle Sachen haben wir in Baden-Württemberg”), sondern auch für eine schöne Überleitung zur Landespolitik. „Wir wollen nicht, dass im Schwarzwald die Täler zuwachsen”, stichelt er, einen missglückten Satz des SPD-Chefs Nils Schmid aufgreifend. Wie in der Forstwirtschaft gelte es auch beim Regieren etwas aufzubauen, von dem künftige Generationen zehren könnten. Doch unter Grün-Rot sei es genau umgekehrt: da werde „die Substanz aufgebraucht”, bis eines Tages nichts mehr davon übrig sei.

Damit ist der CDU-Chef bei jenen Themen, die er derzeit landauf, landab anspricht: dass es Kretschmann und seinen Leuten beim Sparen am Ehrgeiz fehle, dass der Ministerpräsident in Berlin zu wenig für Baden-Württemberg erreiche, dass die Polizei mit einer großen Behördenreform beschäftigt werde, während die Zahl der Einbrüche in die Höhe schnelle. Auch die Digital-Offensive der Regierung dient Strobl als Beispiel für den Mangel an Ambition: Läppische 30 Millionen stünden dafür bereit, Bayern gebe dagegen 500 Millionen. „Da muss doch ein Land wie Baden-Württemberg an der Spitze sein, ganz an der Spitze sein”, ruft Strobl – das Jacket hat er inzwischen abgelegt – empört in den Saal. Ab und an erntet er zustimmendes Nicken, der Beifall bleibt zunächst spärlich.

Strobl will die CDU zurück an die Regierung führen

Dreißig Minuten redet der 54-Jährige, dreimal so lange lässt er sich danach befragen. Es sind zwei Stunden, in denen seine Stärken, aber auch seine Schwächen sichtbar werden. Eine „sehr gute Sache” sei es, dass die Basis diesmal über den Spitzenkandidaten abstimmen dürfe, lobt ein CDU-Senior. Bisher wurde der Parteivorsitzende gleichsam automatisch dazu gekürt, aber bisher war er immer auch Ministerpräsident. Strobl hingegen will die CDU aus der Opposition zurück an die Regierung führen. Das war sein erklärtes Ziel, als er 2011 den Vorsitz übernahm, dafür kämpft er jetzt auch persönlich.

Klappt es mit dem doppelten Sieg – erst parteiintern und dann noch im Frühjahr 2016 – , könnte er seine Karriere mit einem Amt krönen, das lange nicht als sein eigentliches Ziel galt. Seit 1998 Mitglied des Bundestages, inzwischen Vizefraktionschef, Vorsitzender der Landesgruppe und in der CDU einer der Stellvertreter von Angela Merkel, schien er einen Ministerposten in Berlin im Blick zu haben. Irgendwann würde sein Schwiegervater Wolfgang Schäuble (72) nicht mehr dem Kabinett angehören und ihm damit nicht mehr den Aufstieg verbauen. Staatssekretär hätte er nach Merkels Sieg 2013 wohl werden können, doch das wollte er nicht. Also orientierte sich der Heilbronner gen Baden-Württemberg, um sich den Lohn der Aufbauarbeit nach dem Debakel von 2011 selbst zu sichern. Scheiterte er hingegen schon an der ersten Hürde, wäre das ein schwerer Schlag für ihn; umgehend dürfte dann die Debatte einsetzen, ob er den Parteivorsitz behalten könne. Es steht viel auf dem Spiel für ihn.

Entsprechend bemüht ist Thomas Strobl auch in Kirchzarten, die Mitglieder von seinen Qualitäten zu überzeugen. In die Waagschale wirft er einerseits seine Erfahrungen und sein Netzwerk in der Hauptstadt: Ein Ministerpräsident müsse für sein Land „in Berlin auch mal richtig Beute machen” können. Aber nur als Bundespolitiker will er nicht wahrgenommen werden. „Ich bin durch und durch ein Kommunaler”, betont der Kandidat. Ein Vierteljahrhundert sitze er schon im Gemeinderat seiner Heimatstadt Heilbronn, „das ist mir ganz wichtig”. Die Landespolitik kenne er aus seinen Jahren als CDU-Generalsekretär, 2005 hatte ihn sein Weggefährte Günther Oettinger in das Amt berufen.

Mal mitreißend, mal gewollt

Der Parteichef ist ein Politprofi – eher als sein Rivale Wolf, bekannter ist er Umfragen zufolge auch – aber reicht das, um gegen den reimenden Landtagspräsidenten zu gewinnen? Es gilt, auch die Herzen zu erobern. An seiner Rhetorik hat Strobl hörbar gearbeitet, manche Rede gelingt ihm fast schon mitreißend, manches wirkt andererseits zu gewollt. Leutselig soll es klingen, wenn er in den Dialekt verfällt: „Die CDU het au net jede Straß baue kenne”, schwäbelt er da etwa. Dann drückt er sich wieder eher gespreizt aus: „Sie sehen in mir niemanden, der sagt, wir werden alles wieder zurückdrehen.” Noch immer erinnern Betonung, Sprechpausen und Gesten zuweilen frappierend an seinen Schwiegervater Wolfgang Schäuble – was Strobl einmal den Spott einbrachte, er sei „der zweitbeste Schäuble-Imitator nach Matthias Richling“.

Schließlich fällt der Name Mappus

In der „Sonne“ erntet der Bewerber inzwischen öfter Beifall, aber auch Widerspruch. Zu schlicht ist einem kundigen Zuhörer der Zusammenhang zwischen der Polizeireform und der Zunahme der Einbrüche konstruiert. Auch die CDU hätte die Zahl der Polizeidirektionen verringern müssen, wendet er ein, und der Vormarsch der Einbrecher sei ein bundesweites Phänomen. Man werde „nicht die gesamte Reform rückgängig machen“, erwidert Strobl leicht defensiv. So platt, zuweilen auch plump er mitunter zur Attacke bläst, so differenziert äußert er sich zum Thema Sterbehilfe, das die Senioren mächtig umtreibt: Er sehe den Vorstoß seines Parteifreundes Peter Hintze ja auch skeptisch, aber das Thema („ein ganz schwieriges“) habe eine gründliche Debatte verdient. Klar sei für ihn, dass mit dem Tod keine Geschäfte gemacht werden dürften: „Das geht überhaupt nicht, überhaupt gar net.”

Nach einer Stunde fällt schließlich jener Name, von dem Strobl stets behauptet, er interessiere in der CDU niemanden mehr: Stefan Mappus. Ob es für ihn nicht ein Problem sei, dem Pforzheimer als Generalsekretär gedient und den „Schlamassel“ mit angerichtet zu haben, fragt ein älterer Herr. Eher einsilbig erläutert Strobl, dass er nach dem überraschenden Wechsel von Oettinger zu Mappus eben im Amt geblieben sei, um die nahende Landtagswahl mit vorzubereiten.

Die CDU gründlich durchgelüftet

„Ich werde nicht Dinge verteidigen, die nicht zu verteidigen sind“, lautet sein Standardsatz zu dem Ex-Premier. Umso ausführlicher widmet er sich dann der Neuaufstellung der CDU, die man doch „ganz gut hingekriegt“ habe: „Wir haben die Türen und Fenster ganz weit aufgemacht“, eine „richtige Katharsis“ habe die Landespartei hinter sich. Manche Parteifreunde hätten ihm sogar „sehr übel genommen“, wie gründlich er die CDU durchgelüftet habe.

Mit einem gewissen Grimm registrieren Strobls Unterstützer, dass sich sein Kontrahent Wolf – weil unbelastet – als Garant eines echten Neuanfangs präsentiert. Die ehedem größten Mappus-Fans in der Landtagsfraktion, konstatieren diese, seien heute die vehementesten Anhänger des Tuttlingers. Und sie tun alles, um Wolf im Duell mit Strobl ein Podium zu bieten – sei es mit Auftritten bei einer Fraktionsklausur in Baden-Baden, sei es kürzlich mit dem Coup im Plenum, als der Parlamentschef auf die Regierungserklärung von Winfried Kretschmann antwortete. Da schien es sich gut zu fügen, dass der Fraktionschef Peter Hauk wegen einer Herz-OP längere Zeit ausfiel. Nach dessen Rückkehr ließ Strobl ein Foto verbreiten, dass ihn zusammen mit Hauk beim Plausch in dessen heimatlichem Garten zeigt. Er freue sich, dass der Vormann nun „wieder voll an Bord” sei.

Die Präferenz vieler Parlamentarier für den in Weingarten geborenen Wolf hat auch damit zu tun, dass sie sich unter ihm eher einen Posten erhoffen als bei Strobl. Der werde für die Ministerposten Bundestagsabgeordnete aus Berlin „einfliegen“ lassen, hieß es warnend. Auch die Senioren in Kirchzarten interessiert das künftige Kabinett: ob es da einen eigenen Vertreter für die Älteren geben werde? Deren Interessen würden in jedem Fall berücksichtigt, versichert Strobl. Aber: „Ich verspreche gar niemandem einen Kabinettsposten, so bin ich halt.“ Das gebe ihm später die Freiheit, „ein guter Ministerpräsident zu sein“ – wenn er die Wahlen gewinnt.