Er ist nicht nur der „King of Raop“, sondern momentan auch der jüngste und erfolgreichste Musiker aus Deutschland: Rapper Cro markiert mit seinem Musikstil, einer Mixtur aus Rap und Pop, eine Wende in der deutschen Rapkultur.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Das Volk hat gewählt: Die Nation hat einen neuen Präsidenten. Mit überwältigender Mehrheit wurde der bis vor einem Jahr noch weitgehend unbekannte Herausforderer zum neuen Oberhaupt gewählt. Der 22-jährige Carlo Waibel, Künstlername Cro, ist damit der jüngste Vorsitzende, den die deutsche Rapgemeinde je hatte. Die Inthronisierung fand gestern vor 13 000 Anhängern in der Schleyerhalle statt.

 

Ein Geräusch begleitete das Cro-Konzert von der ersten bis zur letzten Minute: Kreischen. Ein infernalisches Teenager-Kreischen, das in Dezibel nicht mehr gemessen werden kann. Das sich kurz vor dem erwachsenen Ohr mittels eines unsichtbaren Trichters in einen Orkan verwandelt und im Gehörgang schließlich in einem gepflegten Tinnitus endet. Seit New Kids on the Block in den 90ern, seit Robbie Williams hatte man ein solches Kreischen in Bad Cannstatt nicht mehr vernommen.

Das Konzert plätschert routiniert vor sich hin

Das Begleitgeräusch kaschierte dabei auch, dass Cro meilenweit von einer Neuerfindung des Genres entfernt ist. Sein gefälliger Hip-Hop, den er selbst als Raop, Rap plus Pop bezeichnet, plätscherte mitunter dahin. Immerhin war eine deutliche Entwicklung zu spüren gegenüber seinem letzten Auftritt in Stuttgart, als er Anfang des Jahres im Club Universum ein eher bescheidenes Konzert spielte.

Das war gestern Abend anders. Begleitet von einem hübschen, tiefen Bass fiel der Vorhang um kurz vor 20.30 Uhr. Verstärkt durch eine Live-Band, führte der Rapper mit der Panda-Maske routiniert durch eine eineinhalbstündige Show. Links und rechts von der Bühne waren die Musiker auf Videoleinwänden zu sehen, im Hintergrund blinkten die Buchstaben C, R und O fröhlich im gesamten Farbspektrum vor sich hin. Stark ging es los mit Stücken wie „Hi Kids“ und „Kein Benz“, der Mittelteil plätscherte auch deshalb vor sich hin, weil die Lieder des in Deutschland und der Schweiz auf Platz eins gelandeten Debütalbums „Raop“ nicht ganz so eingängig sind wie die Songs der beiden Mixtapes „Meine Musik“ und „Easy“ aus dem Jahr 2011.

Cro hat den Rap feminisiert und verjüngt

Die eigentlichen Highlights erfolgten dann in der Zugabe. Erst durfte der Musiker Max Herre, der vom Altersunterschied her beinahe Cros Vater sein könnte, dem jungen Rapper andeutungsweise die Maske entreißen und sein Stück „Fliegen“ vorstellen. Dann präsentierte Cro seinen Hit „Easy“ zum Abschluss des Abends gleich zweimal: Einmal selbst vorgetragen, ein zweites Mal durften dann 13 000 Fans den Track rappen. An dieser Stelle fragte sich der Beobachter dann schon, ob so viel Swag, Genresprech für Coolness, eigentlich weh tut. Die Fans quittierten den Auftritt jedenfalls mit, Überraschung, ohrenbetäubendem Gekreische.

Der Soundtrack hysterischer, vor allem weiblicher Teenager dokumentiert den krassen Wandel, den Cro in der deutschen Rap-Landschaft herbeigeführt hat. Zum einen hat er einen Musikstil feminisiert, der bisher fest in Männerhand war. Cro ist eigentlich eine Boygroup auf zwei Beinen. Der Frauen-, Pardon, Mädchenüberschuss in der Schleyerhalle war eklatant und überraschend. Zum anderen hat er einen Musikstil so extrem verjüngt, dass alte Hip-Hop Hasen wie DJ Emilio, bei den Hip-Hop Open im Juli noch Teil der zum 20. Bühnenjubiläum gefeierten Kolchose, vor dem Cro-Konzert ob ihres im Vergleich zum Restpublikum fortgeschrittenen Alters beim Veranstalter scherzhaft einen Rollator bestellt hatten.

Die deutschen Platzhirsche sind müde geworden

Wie konnte es also passieren, dass ein Schlaks mit der Pandamaske aus dem Stand zum erfolgreichsten Rapper Deutschlands wurde, zum erfolgreichsten Musiker, den Stuttgart seit Jahren hervorgebracht hat? Zum einen waren die Platzhirsche müde geworden. Gangster-Rap aus Deutschland hatte in den vergangenen Jahren den Markt dominiert. Scheinbar waren die Geschichten aus dem Plattenbau im Märkischen Viertel aber auserzählt, die bisherigen Rap-Könige konnten abgesetzt werden. Auch, weil Bushido mehr damit beschäftigt war, sich vom Stuttgarter Künstler Cosimo die Haare richten zu lassen und weil Sido damit Zeit verbrachte, österreichische Journalisten vor laufender Kamera zu ohrfeigen.

Virales Marketing als Erfolgsstrategie

Zum anderen steckt hinter dem Erfolg von Cro eine Menge Strategie. Die Geschichte des Hypes um die Single „Easy“, die den Grundstein von Cros Erfolg vor einem starken Jahr gelegt hat, wurde bisher genau so oft erzählt, wie das Video im Internet angeklickt wurde: Millionen Mal. Interessanter ist es, einen Blick auf die handelnden Strategen hinter Cro zu werfen, die im Stile von Spin Doctors in der Politik die Strippen hinter Carlo Waibel ziehen.

Da wäre zum einen Steffen Posner. Der Booker bastelte kontinuierlich an Cros Live-Qualitäten, indem er ihn erst im Vorprogramm anderer Rapper trainieren ließ, um ihn so Stück für Stück für höhere Aufgaben wie die Schleyerhalle fit zu machen. Sebastian Schweizer koordinierte als Spiritus Rector der Plattenfirma Chimperator Records die Werbemaßnahmen und stellte das mit den Mitteln des viralen Marketings so geschickt an, dass der Hype um Cro sich schließlich verselbstständigte. Der studierte Anglist und Linguist Kodimey Awokou nimmt ebenfalls eine Schlüsselrolle ein. Selbst ein Rapper, konnte er Cro von Anfang an coachen und ihm wertvolle Tipps geben. Zudem hat er als Produzent von „Raop“ ein gewichtiges Wörtchen bei der musikalischen Massenkompatibilität von Cro mitgeredet. Und dann wäre da noch Niko Papadopoulos, der immer die Finanzen im Auge hatte und dafür gesorgt hat, dass sich der Cro-Hype mittlerweile auch finanziell auszahlt.

Kommt als nächstes die Cro Partei?

So wurde aus dem vor einem guten Jahr noch weithin unbekannten Carlo Weibel alias Cro der derzeit erfolgreichste 22-Jährige Deutschlands. Vor Kurzem hat er noch bei Markus „Wow“ Lanz und „Wetten dass…?!“ die Unterhaltungsstunde Null nach Thomas Gottschalk überlebt. Bei Rock am Ring spielte er kürzlich vor 20 000 Fans. Am Dienstag Abend gelang ihm das seltene Kunststück, als Musiker aus Stuttgart die größte Arena seiner Heimatstadt auszuverkaufen. Was soll da noch kommen?

Vielleicht ist es für die Strippenzieher hinter Cro ja tatsächlich an der Zeit, als nächsten Schritt eine eigene politische Organisation, die Cro Partei Deutschland zu gründen. Das Symbol der CPD könnte das so genannte Hippster-Dreieck sein. Wenn bis zur nächsten Kommunalwahl das Wahlalter tatsächlich auf 16 herabgesetzt wird, prognostizieren wir schon jetzt einen Erdrutschsieg für den Rapper mit der Pandamaske.