Desinformation im Netz und Manipulationsversuche bei der Wahl: Bundeswahlleiter Dieter Sarreither verweist auf Risiken durch Hacker-Angriffe und Propaganda-Bots in sozialen Netzwerken.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Der bevorstehende Bundestagswahlkampf ist durch gezielte Manipulationsversuche bedroht. Darauf verweist Bundeswahlleiter Dieter Sarreither gegenüber dieser Zeitung. „Im Wahlkampf müssen sich die Parteien und die Medien um Fake News kümmern“, warnt er, „Social Bots könnten Wähler in die eine oder andere Richtung beeinflussen.“ Unter Social Bots versteht man Computerprogramme, die in sozialen Netzwerken automatisiert Werbung oder Desinformation verbreiten. Sarreither, seit 2015 Chef des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, zeichnet für die korrekte Auszählung der Stimmen am 24. September verantwortlich, wenn ein neuer Bundestag gewählt wird. Für den Schutz gegen Fake News ist er allerdings nicht zuständig.

 

„Social Bots könnten Wähler beeinflussen“

Wiederholt hatten Politiker vor Cyberattacken und manipulativer Propaganda im Wahlkampf gewarnt. „Was technisch möglich ist, findet auch statt“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) unlängst. „Wir müssen uns auf die Verbreitung und gezielte Nutzung von erfundenen Meldungen für politische Zwecke einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen“, sagte er in einem Interview. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, erklärte auf einer Konferenz zur Cybersicherheit: „Propaganda, die wir in sozialen Netzwerken in Teilen feststellen, ist teilweise falsch, ist überzogen und ist oftmals emotional und verleitet dazu, dass die Menschen sich eine andere Meinung, eine fehlerhafte Meinung von der Realität machen.“

„Wir haben mehrere Schutzschilder, bevor es kritisch werden könnte“

Am Wahltag selbst könnten Computersysteme des Statistischen Bundesamtes oder der Landeswahlleiter durch Hackerattacken gefährdet sein. „Es gibt da eine abstrakte Gefährdungslage, aber keine konkreten Hinweise, dass Angriffe stattfinden sollen“, sagt der Bundeswahlleiter. „Wir werden bei falschen Informationen zum konkreten Wahlablauf oder Missbrauch sehr schnell reagieren – wir sind wachsam.“ Die zur Organisation der Wahl benötigte technische Infrastruktur sei aber nicht ohne weiteres lahmzulegen. Sarreither erklärt: „Es ist nicht so, dass, wenn es an einer Stelle eine Störung gibt, gleich das ganze System gestört wird. Wenn eine Säule wackelt, wackelt das Gesamtsystem noch nicht. Wir haben mehrere Schutzschilder, bevor es kritisch werden könnte.“

Von Überlegungen, die Wahlen elektronisch abzuwickeln, hält der Bundeswahlleiter wenig. Er sehe bisher kein System, das allen Anforderungen genügen würde. Skeptisch äußert sich Sarreither auch zur Debatte über eine Reform des Wahlrechts. In der aktuellen Fassung birgt es die Möglichkeit, dass der Bundestag wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten stark aufgebläht werden könnte. Der Mathematiker Sarreither sagt: „Man kann nicht beide Aspekte der Persönlichkeits- und Verhältniswahl optimal erfüllen. Es bleibt bei einem Näherungsprozess.“