Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Mit diesem Paukenschlag ist der 13. Verhandlungstag zu Ende. Nachfragen der Nebenkläger wird Hanning, so sagt sein Anwalt Andreas Scharmer, vielleicht beantworten. Nicht aber im direkten Gespräch. Er werde die Fragen, die die Nebenkläger ihm per E-Mail zusenden sollen, mit seinem Mandaten besprechen und dann gegebenenfalls beantworten. Aber schon der Inhalt der langen Erklärung, die Salmen zuvor verlesen hat, sei das Resultat länger Gespräche, die er mit seinem Mandant seit Zustellung der Anklageschrift im Februar 2015 geführt habe.

 

Der Auschwitzüberlebende Leon Schwarzbaum ist von Berlin nach Detmold gekommen. Foto: dpa
An diesem denkwürdigen Tag sitzt auch Leon Schwarzbaum in der ersten Reihe im Zuschauersaal. Er ist klein und zierlich und trägt einen feinen blauen Anzug. Obwohl er seine Aussage im Prozess gegen Reinhold Hanning schon gemacht hat, ist er noch einmal von Berlin nach Detmold gekommen. Er ist da, um zu erfahren, ob heute endlich geschieht, was er sich so sehr wünscht. Dass nämlich Reinhold Hanning etwas zu seinem Tun oder zumindest zum Geschehen dort im Vernichtungslager Auschwitz sagt. Leon Schwarzbaum war Häftling in Auschwitz. Er ist ein Jahr älter als Hanning. 35 seiner Angehörigen sind im Holocaust ermordet worden. Ebenso viele seiner Freunde. „Mein Leben ist zerstört“, sagt er. Keiner der Auschwitzüberlebenden, die in Detmold als Nebenkläger auftreten, hat Hanning wohl persönlich in dem Vernichtungslager gesehen. Darum geht es in diesem Prozess aber nicht. Es geht vielmehr darum, wann und dass Hanning in Auschwitz eingesetzt war. Für die Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 belegen das die Personalakten Hannings.

Als SS-Mann hat Hanning Häftlinge bewacht

In der Erklärung über sein Leben beschreibt der alte Mann in eigenen oder von seinen Anwälten wohlformulierten Worten seinen Weg in die SS-Wachmannschaft. Zur SS meldet er sich, nachdem der Vater nach dem Tod der Mutter wieder heiratet, seine Stiefmutter aber nur in ein Haus ohne Kinder einziehen will. Hannings drei Jahre alte kleine Schwester wird auf Dauer bei den Großeltern untergebracht, die andere Schwester muss eine Ausbildung zur Krankenschwester beginnen und zieht in eine Krankenschwesterschule. Hanning selbst meldet sich auf Drängen der Stiefmutter 1940 als 19-Jähriger zur SS. Er ist in den Niederlanden, Nordfrankreich, Serbien und in Kiew im Einsatz. Dort wird er im September 1941 verwundet.

Nach seiner Genesung von einer Verletzung durch einen Granatsplitter in der Schläfe und einem Oberschenkeldurchschuss hat er immer wieder Malariaanfälle und hohes Fieber und wird zum Innendienst, wie man ihm sagt, nach Auschwitz abkommandiert. Nach wenigen Wochen sei ihm, so sagt er in seiner Erklärung, klar gewesen: „Es wurden Menschen erschossen, vergast und verbrannt. Ich konnte sehen, wie Leichen hin und hergefahren oder abtransportiert wurden. Ich wusste, dass man Leichen verbrannte“. Seine Aufgabe: er bewachte die Gefangenen, die zum Arbeitseinsatz ausrückten. Es habe aber keine Fluchtversuche gegeben. Zweimal habe er sich aus Auschwitz wegbeworben – vergeblich. Noch einmal versucht er sein Schweigen zu erklären: „Ich konnte einfach nicht darüber reden. Ich habe mich geschämt.“

Mit diesem Paukenschlag ist der 13. Verhandlungstag zu Ende. Nachfragen der Nebenkläger wird Hanning, so sagt sein Anwalt Andreas Scharmer, vielleicht beantworten. Nicht aber im direkten Gespräch. Er werde die Fragen, die die Nebenkläger ihm per E-Mail zusenden sollen, mit seinem Mandaten besprechen und dann gegebenenfalls beantworten. Aber schon der Inhalt der langen Erklärung, die Salmen zuvor verlesen hat, sei das Resultat länger Gespräche, die er mit seinem Mandant seit Zustellung der Anklageschrift im Februar 2015 geführt habe.

Der Auschwitzüberlebende Leon Schwarzbaum ist von Berlin nach Detmold gekommen. Foto: dpa
An diesem denkwürdigen Tag sitzt auch Leon Schwarzbaum in der ersten Reihe im Zuschauersaal. Er ist klein und zierlich und trägt einen feinen blauen Anzug. Obwohl er seine Aussage im Prozess gegen Reinhold Hanning schon gemacht hat, ist er noch einmal von Berlin nach Detmold gekommen. Er ist da, um zu erfahren, ob heute endlich geschieht, was er sich so sehr wünscht. Dass nämlich Reinhold Hanning etwas zu seinem Tun oder zumindest zum Geschehen dort im Vernichtungslager Auschwitz sagt. Leon Schwarzbaum war Häftling in Auschwitz. Er ist ein Jahr älter als Hanning. 35 seiner Angehörigen sind im Holocaust ermordet worden. Ebenso viele seiner Freunde. „Mein Leben ist zerstört“, sagt er. Keiner der Auschwitzüberlebenden, die in Detmold als Nebenkläger auftreten, hat Hanning wohl persönlich in dem Vernichtungslager gesehen. Darum geht es in diesem Prozess aber nicht. Es geht vielmehr darum, wann und dass Hanning in Auschwitz eingesetzt war. Für die Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 belegen das die Personalakten Hannings.

Als SS-Mann hat Hanning Häftlinge bewacht

In der Erklärung über sein Leben beschreibt der alte Mann in eigenen oder von seinen Anwälten wohlformulierten Worten seinen Weg in die SS-Wachmannschaft. Zur SS meldet er sich, nachdem der Vater nach dem Tod der Mutter wieder heiratet, seine Stiefmutter aber nur in ein Haus ohne Kinder einziehen will. Hannings drei Jahre alte kleine Schwester wird auf Dauer bei den Großeltern untergebracht, die andere Schwester muss eine Ausbildung zur Krankenschwester beginnen und zieht in eine Krankenschwesterschule. Hanning selbst meldet sich auf Drängen der Stiefmutter 1940 als 19-Jähriger zur SS. Er ist in den Niederlanden, Nordfrankreich, Serbien und in Kiew im Einsatz. Dort wird er im September 1941 verwundet.

Nach seiner Genesung von einer Verletzung durch einen Granatsplitter in der Schläfe und einem Oberschenkeldurchschuss hat er immer wieder Malariaanfälle und hohes Fieber und wird zum Innendienst, wie man ihm sagt, nach Auschwitz abkommandiert. Nach wenigen Wochen sei ihm, so sagt er in seiner Erklärung, klar gewesen: „Es wurden Menschen erschossen, vergast und verbrannt. Ich konnte sehen, wie Leichen hin und hergefahren oder abtransportiert wurden. Ich wusste, dass man Leichen verbrannte“. Seine Aufgabe: er bewachte die Gefangenen, die zum Arbeitseinsatz ausrückten. Es habe aber keine Fluchtversuche gegeben. Zweimal habe er sich aus Auschwitz wegbeworben – vergeblich. Noch einmal versucht er sein Schweigen zu erklären: „Ich konnte einfach nicht darüber reden. Ich habe mich geschämt.“

„Hanning müsste viel mehr erzählen“

„Er hätte mehr sagen können“, sagt Leon Schwarzbaum und fragt sich wieder, warum Hanning so lange geschwiegen hat. Die Chance sei vertan. Gleichzeitig aber hat Schwarzbaum Mitleid mit dem alten Mann. „Er ist nicht mehr der gleiche Mann, der er früher war“. Ihm liege nicht an einer Verurteilung. Hanning sei doch ein kranker Mann und sei nur ein kleines Rädchen gewesen. Hanning solle stattdessen reden und mehr erzählen über Auschwitz – etwa in den Schulen.

„Vielleicht ist das ja der Anfang für weitere Erklärungen“, sagt der Opferanwalt Thomas Walther, der als Staatsanwalt der Ludwigsburger Zentralen Stelle zur Aufklärung von Nazi-Verbrechen maßgeblich den Weg bereitet hat, nun auch die Beihilfe zum Massenmord in Auschwitz vor Gericht zu bringen. „Es ist nicht an uns, die Erklärung zu werten, das muss jetzt in erster Linie das Gericht tun“, sagt der Dortmunder Staatsanwalt Andreas Brendel, der die Anklage vertritt. „Mein Mandant ist mit der Gerichtsverhandlung gereift“, sagt Hannings Anwalt Scharmer auf die Frage, warum es so lange gebraucht habe bis zu Hannings Erklärung.

Es könnte der letzte Prozess gegen einen SS-Wachmann sein

Bis zur Anklageerhebung war Henning ein Rentner unter vielen, der 35 Jahre lang einen Milchladen in seinem Heimatdorf Lage betrieben hat. Hanning ist nach dem inzwischen verstorbenen John Demjanjuk und Oskar Gröning, der im letzten Jahr in Lüneburg vor Gericht stand, einer der wenigen aus der Riege der NS-Helfer, denen in hohem Lebensalter nun noch der Prozess gemacht wird. Ähnliche Prozesse in Kiel und Neu-Brandenburg stehen auf der Kippe. Ein schon terminierte Prozess in Hanau findet nicht mehr statt, da der Angeklagte verstorben ist.