Seit 2009 heißt es beim VfB Stuttgart: Rückschritt statt Fortschritt. Der Club stellt nur noch Mittelmaß dar, auch weil er keine Spielidee hat. Ändert sich das bald? Dortmund hat vorgemacht, dass die Geschichte auch anders verlaufen kann.

Stuttgart - Die Geschichte ist in diesem Fall schnell erzählt und geht einfach so: Seit einiger Zeit versucht der VfB Stuttgart nun schon, wieder zur Spitze in der Fußball-Bundesliga aufzuschließen. Aber in Wahrheit entfernt er sich von diesem Ziel immer mehr. Inzwischen ist er davon vermutlich sogar so weit weg wie noch nie seit seinem Wiederaufstieg in die erste Liga 1977. Ende der Durchsage. Punkt. Diese Geschichte ist bereits zu Ende. Sie hat aber auch eine Vorgeschichte.

 

Das ist dann die richtige Geschichte. Sie ist nicht so schnell erzählt und beschäftigt sich mit den Gründen. Es beginnt mit dem letzten Spieltag der Saison 2008/09, als der VfB noch die Chance hatte, Meister zu werden. Das klappte zwar im Gegensatz zu 2007 nicht, aber er qualifizierte sich für die Champions League. Da war er noch spitze. Borussia Dortmund landete damals mit dem Trainer Jürgen Klopp übrigens nur auf dem sechsten Platz. Mittlerweile steht jedoch der BVB mit den Bayern klar an der Spitze. Der VfB nicht mehr. Er belegte in der vergangenen Runde nur Rang zwölf – und als Zehnter wird er aktuell von Bundesligisten wie Mainz, Augsburg und Hertha BSC umzingelt. Rückschritt statt Fortschritt: das ist die Geschichte seit 2009.

Der VfB hat sich überall mehrmals neu aufgestellt

Dabei hat der Verein für Bewegungsspiele in diesen vier Jahren vieles unternommen, damit sich seine Geschichte wieder in Richtung Spitze bewegt. Er hat sich überall teilweise mehrmals neu aufgestellt – im Aufsichtsrat, im Vorstand, im Management, beim Trainer, in den Jugendabteilungen und in der Profimannschaft, wo von 2009 nur Georg Niedermeier und Cacau übrig geblieben sind. Das Ergebnis? Siehe oben. Die richtige Geschichte. Mainz, Augsburg und wie die Teams aus dem Mittelmaß heißen haben den VfB eingeholt.

Er hatte jedoch andere Voraussetzungen. Diese wurden nicht genutzt. Das führt zu Fragen: Wurden die falschen Spieler gekauft, weil die Trainer die falschen waren? Waren die Trainer die falschen, weil die Manager die falschen waren? Waren die Manager die falschen, weil die Präsidenten die falschen waren? Waren die Präsidenten die falschen, weil der Aufsichtsratschef der falsche war? Oder warum ist der VfB nicht mehr spitze? Die eine Antwort gibt es nicht. Ohnehin zählt in dieser richtigen Geschichte nur das große Ganze, das Konzept.

Die richtige Geschichte geht so weiter, dass der VfB bei der 1:6-Niederlage am Freitag in Dortmund noch mal Anschauungsunterricht erhalten hat, wie dieses große Ganze funktionieren kann. Jürgen Klopp hat der Borussia seit seinem Amtsantritt 2008 eine Spielidee eingepflanzt. Er verfolgte von Anfang an ein Konzept. Nicht hineingepasst haben Mladen Petric und Alexander Frei, von denen sich der Trainer bald verabschiedete, obwohl sie die Publikumslieblinge gewesen sind.

BVB-Trainer Klopp hatte stets Rückendeckung

Auch wenn Klopp nicht sofort an die Spitze marschiert ist, spürte er stets die Rückendeckung seiner Vereinsführung. Er durfte die Spieler verpflichten, die seine Philosophie auf dem Platz mit Leben füllen konnten – Subotic, Hummels, Gündogan, Großkreutz, Bender, Lewandowski und andere. Dazu wurden Talente wie Götze und Schmelzer gefördert. Das alles ist beim VfB seit 2009 kaum passiert. Aber jetzt soll sich das ändern. Sagt Fredi Bobic. Das ist das nächste Kapitel der richtigen Geschichte – eventuell zumindest.

Der Manager hat erkannt, dass es nicht genügt, einfach so weiterzumachen wie bisher, wenn der Club wieder an die Spitze will. „Wir haben uns auch überlegt, wie unser Fußball aussehen soll“, sagt Bobic, „nun müssen wir unsere Grundidee verfeinern.“ Sie existiert, seitdem Thomas Schneider im August zum Nachfolger des Cheftrainers Bruno Labbadia bestimmt worden ist. Die VfB-Schneider-Idee beinhaltet, „in allen Situationen möglichst spielerische Lösungen zu finden“, sagt Bobic: „Das ist unser Stil. Wir wollen uns nicht am Gegner orientieren, sondern an uns selbst.“

Dieser Prozess hat jedoch erst angefangen. „Wir brauchen Geduld“, sagt der Manager – und verweist auf Dortmund. Vom Ansatz her soll die Geschichte auch beim VfB so laufen. „Die Spieler, die wir holen, müssen zu unserer Grundidee passen“, sagt Bobic. Zuletzt war das nicht so. Konnte es gar nicht sein, weil es eine solche Idee nicht gab. Jetzt offenbar schon. Zum Konzept gehört für Bobic auch, dass der Nachwuchs eine wichtigere Rolle besetzt – und „dass wir schwierige Entscheidungen treffen müssen.“ Wie Dortmund mit Petric und Frei.

Vielleicht ist der VfB ja an dem Punkt, an dem die Borussia vor vier Jahren war. Wenn es sich ähnlich entwickeln würde, wäre diese Geschichte für den Club spitze.

Wir haben die Bildergalerie des Artikels am 6. November um 12 Uhr verändert und das Bild vom bereits verstorbenen Günter Seibold entfernt. Wir entschuldigen den Fehler und bedanken uns für den Leserhinweis.