Das Interesse unter ausländischen Mitbürgern am deutschen Pass steigt – dennoch ist im vergangenen Jahr 2013 die Zahl der Einbürgerungen gesunken. Es stellt sich die Frage: Warum eigentlich?

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) will offenbar eine neue Einbürgerungskampagne starten und in Briefen ausländische Stuttgarter dazu aufrufen, den deutschen Pass zu beantragen. „Wir werden die Einbürgerungskampagne wieder aufleben lassen“, kündigt der Leiter der städtischen Einbürgerungsbehörde, Andreas Deuschle, an. „70 Prozent der hier lebenden ausländischen Mitbürger erfüllen die Einbürgerungsvoraussetzungen“, erklärt der Behördenleiter – in absoluten Zahlen seien es 90 000 Stuttgarter.

 

Schon einmal hatte seine Behörde ausländische Stuttgarter angeschrieben und Werbung für den deutschen Pass gemacht – im Herbst 2009 war das, damals im Namen von OB Wolfgang Schuster. 10 000 Briefe waren sukzessive verschickt worden. In der Stadtverwaltung gilt die Aktion als Erfolg mit nachhaltigem Effekt.

Wartezeit dauert mindestens ein Jahr

Weil eine Stelle in der Behörde im Zuge der Haushaltsberatungen 2012/13 gestrichen worden war, war die Kampagne jedoch Anfang 2012 ausgelaufen. In den Haushaltsberatungen für 2014/2015 hat der Gemeinderat die Stelle genehmigt, dadurch könne man wieder aktiv werden, so Deuschle. Allerdings müsse die Stelle erst noch ausgeschrieben, besetzt und der neue Mitarbeiter beziehungsweise die neue Mitarbeiterin eingearbeitet werden.

Die Bewilligung der Stelle hat auch einen anderen Hintergrund: bei der Bearbeitung der Einbürgerungsanträge gibt es einen Stau. Im Durchschnitt beträgt die Wartezeit Deuschle zufolge „mindestens ein Jahr“ – bei komplexen Fällen könne es sich wesentlich länger hinziehen. Im vergangenen Jahr führte der Personalmangel sogar so weit, dass wieder weniger Menschen in Stuttgart eingebürgert wurden – und das, obwohl die Zahl der Einbürgerungsanträge deutlich gestiegen ist – von 2016 im Jahr 2012 auf 2123 im Jahr 2013. Das heißt: mehr Leute wollten den deutschen Pass, aber weniger bekamen ihn.

Studienzeiten sind nun anrechenbar

So erhielten 2013 nur 1611 Bürger ihre Einbürgerungsurkunde, gegenüber 1747 in 2012 und 1748 im Jahr 2011. Im Jahr 2010 lag die Zahl allerdings noch deutlich niedriger: damals waren es 1388 Einbürgerungen. Sie hätten 2013 viele Krankheitsausfälle gehabt – und die eine Stelle habe gefehlt, erklärt Deuschle den starken Rückgang.

Wie kommt es, dass das Interesse am deutschen Pass so stark gewachsen ist? Im Vergleich zu 2010 ist die Zahl der Anträge auf Einbürgerung sogar um 25 Prozent gestiegen. In Stuttgart merkt man laut Deuschle, dass die grün-rote Landesregierung eine Verwaltungsvorschrift geändert hat. Das hat zur Folge, dass seit August 2013 mehr Menschen die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen. Wer Deutscher werden will, muss nachweisen, acht Jahre hier ohne Unterbrechung gelebt zu haben. Die Neuerung: Studienzeiten können nun angerechnet werden, das war vorher nicht möglich. In Bayern und Sachsen sei dies zum Beispiel auch weiterhin ausgeschlossen, so Deuschle. Im Wettbewerb um Fachkräfte sei die Änderung natürlich von Vorteil – besonders, da Stuttgart Universitätsstadt ist.

Großes Interesse bei Kroaten aus Stuttgart

Auch der EU-Beitritt von Kroatien am 1. Juli 2013 hat sich in Stuttgart statistisch bemerkbar gemacht. Weil EU-Bürger auch ihren alten Pass behalten dürfen, wenn sie sich einbürgern lassen, ist es für Kroaten seither deutlich attraktiver, auch den deutschen Pass zu beantragen. Zuvor mussten sie ihre kroatische Staatsangehörigkeit aufgeben. 200 Anträge von Stuttgarter Kroaten auf Einbürgerung sind im Jahr 2013 gestellt worden – 2012 waren es dagegen nur zehn Anträge. Das Potenzial ist enorm: für 11 000 kroatische Bürger, die seit mindestens acht Jahren hier leben, komme der deutsche Pass laut Statistik infrage.

Für viele Menschen sei die Einbürgerung ein sehr emotionales Erlebnis, berichtet Deuschle. Einige würden bei der Übergabe der Urkunde sogar weinen. Auch der Zuspruch zur Einbürgerungsfeier sei groß. Zur letzten im vergangenen Juni seien 700 Menschen gekommen.