Trotz guter Prognosen klagt der Handelsverband Baden-Württemberg über ein schwaches Weihnachtsgeschäft. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen versuchen speziell Modelabels auf sich aufmerksam zu machen.

Stuttgart - Wenn es zu mild ist, kauft keiner einen warmen Wintermantel. Mit dieser simplen Weisheit lässt sich erklären, wie Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin Handelsverbands Baden-Württemberg, zu folgender Einschätzung kommt: „Das Weihnachtsgeschäft ist in diesem Jahr hinter den Erwartungen zurückgeblieben.“ Besonders die aktuelle Wintermode ist in den Regalen geblieben. Im kommenden Jahr wird der Kampf um die Kunden noch härter. Die großen Einkaufs-Center Gerber und Milaneo wollen rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft eröffnen.

 

Um Kunden zu gewinnen, versuchen besonders Modelabels, auf sich aufmerksam zu machen. Am ersten Tag nach den Feiertagen zeigt das Thermometer vor Handelsbeginn an der Königstraße ein Grad über Null. Doch kurz vor 9 Uhr beginnen rund 90 Menschen, sich mitten auf der Stuttgarter Einkaufsmeile auszuziehen. Nur in Unterwäsche warten sie vor dem Geschäft des spanischen Modelabels Desigual. Der Lohn für die Frostbeulen: zwei Teile aus der alten Kollektion.

Die ersten Kunden kamen und 2 Uhr in der Nacht

Angélique (32) und ihre Freundin Natalie (36) sind aus Straßburg angereist, um sich in Stuttgart in aller Öffentlichkeit die Wäsche vom Leib zu reißen. „Wir stehen seit zwei Uhr heute Nacht vor dem Geschäft“, sagt die 36-jährige Französin. Im Netzwerk Facebook haben die beiden von der Aktion erfahren. Bis 5.30 Uhr seien sie allein mit dem Sicherheitspersonal gewesen. „Danach ist die Schlange immer länger geworden“, sagt Angélique.

Da die Tage vor dem Fest aus Sicht der Händler eher schlecht gelaufen sind, hoffen viele noch auf Umsatz zwischen den Jahren. „Viele Menschen haben vor dem Jahreswechsel noch ein paar Tage frei und gehen in der Stadt einkaufen“, sagt Hagmann. Gutscheine und Bargeschenke zum Fest werden in aller Regel rasch eingelöst, so die Geschäftsführerin. Doch an eine echte Trendwende glaubt selbst die Chefin des Handelsverbands nicht mehr. „Die Erwartungen für dieses Jahr waren groß“, sagt sie. 1,5 Prozent Plus wurde dem Handel im Vergleich zum Vorjahr von Experten vorhergesagt, berichtet Hagmann. „Dahinter sind wird deutlich zurückgeblieben. Die überschwänglichen Prognosen haben sich nicht erfüllt.“ Spielwaren, Schmuck, Uhren und Unterhaltungselektronik hätten das schwache Modegeschäft jedoch ein wenig aufgefangen.

Die Handelslandschaft verändert sich

Um Punkt neun stürmen die 90 Nackten gemeinsam in den gut geheizten Desigual-Shop. „Das ist eine tolle Chance“, schwärmt Natalie, „die Klamotten sind eigentlich zu teuer für mich und jetzt sind zwei Teile umsonst.“ TV-Berichte von der selben Aktion in Barcelona und Paris habe sie gesehen und wollte selbst mitmachen. „Auch wenn ich lange mit dem Auto fahren und die ganze Nacht anstehen muss.“

In Stuttgart wird sich die Handelslandschaft bis zum nächsten Weihnachtsgeschäft drastisch verändern. Im Herbst 2014 wollen die beiden Einkaufszentren Milaneo und Gerber eröffnen – rund 70 000 Quadratmeter Handelsfläche kommen auf einen Schlag zum Bestand hinzu. „In Hinblick auf die wachsende Konkurrenz haben die Händler in der Innenstadt ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Sabine Hagmann. Dabei gibt es zwei Trümpfe, mit denen die City als Ganzes gegen die Shopping-Center ins Feld ziehen will. „Das eine sind Neueröffnungen, das andere Modernisierungen“, sagt die Geschäftsführerin.

Die Händler haben ihre Hausaufgaben gemacht

Der jüngste und prominenteste Neuzugang an der Königstraße heißt Hugo Boss. Am 7. Dezember hat das Metzinger Unternehmen einen sogenannten Flagship-Store, also ein Vorzeigegeschäft, in Haus Nummer 19 b eröffnet. Boss verbindet mit dem neuen Standort große Hoffnungen. „Das Ladenkonzept wurde im Juni vergangenen Jahres mit der Wiedereröffnung des Boss-Flagship-Stores auf den Champs Elysées in Paris eingeführt“, heißt es in der Presseerklärung. Schwarze Flächen und gezielte Beleuchtung stehen im Mittelpunkt. Eine Lichtinstallation ist das optische Herzstück des knapp 850 Quadratmeter großen Ladens. Auch das dänische Modeunternehmen Vero Moda hat Ende November einen neuen Markenladen an der Königstraße eröffnet.

Den größten Teil der Hausaufgaben, wie Handelsverbands-Chefin Hagmann die Vorbereitung auf den Wettbewerb mit Gerber und Milaneo nennt, findet jedoch im Bestand statt. Das bedeutet, Geschäfte werden saniert und modernisiert. „Nehmen Sie den Bereich rund um die Stiftskirche“, sagt sie. „Mit Louis Vuitton und Montblanc haben sich hier Luxusmarken angesiedelt. Das hat die Gegend für die Kunden aufgewertet“, sagt Hagmann. Traditionsadressen wie Kaufhof haben in den vergangenen Monaten viel in den Umbau ihrer Häuser investiert, so Hagmann und verweist auf die Ansiedlung des Juweliers Tiffanys bei Breuninger. Jetzt müsse der Handel in Stuttgart schlicht die Entwicklung abwarten. „Was nun folgt ist ganz normaler Wettbewerb“, sagt die Verbands-Chefin.