Verschwindet Karstadt aus der Stuttgarter Innenstadt? Das 1905 eröffnete Warenhaus kämpft gegen den regionalen Platzhirsch Breuninger, die Alternative Kaufhof, das boomende Onlinegeschäft – und zwei neue Malls in der Innenstadt.

Stuttgart - Beschäftigte von Karstadt in ganz Deutschland sorgen sich um die Zukunft der Warenhauskette und damit auch um ihre eigene berufliche Zukunft. Das gilt insbesondere für die etwa 300 Mitarbeiter des Kaufhauses in der Königstraße in Stuttgart: Das Branchen-Magazin „Textilwirtschaft“ hatte am Dienstag berichtet, das Karstadt-Flaggschiff in Stuttgart solle komplett geschlossen werden. Diese Gerüchte überraschten die Belegschaft, hatte doch bisher einiges darauf hingedeutet, dass der Konzern in Stuttgart sogar investieren könnte. Solange sich die beiden Karstadt-Investoren Nicolas Berggruen und René Benko nicht über ihre konkreten Pläne äußern, grassieren Spekulationen aller Art.

 

Für den Standort Stuttgart und speziell das Gebäude an der Königstraße 27 bis 29, das seit 1905 unter verschiedenen Besitzern und Namen als Warenhaus besteht, heißt das konkret: Es ist vieles möglich; vom Auszug Karstadts und von der Vermietung der Räumlichkeiten an eine oder mehrere andere Einzelhandelsketten bis zur Weiterentwicklung des Hauses zu einem Premium-Kaufhaus, vergleichbar mit dem KaDeWe in Berlin oder dem Alsterhaus in Hamburg. OB Fritz Kuhn richtete am Mittwoch einen öffentlichen Appell an die Karstadt-Eigentümer. Sie sollten ihre „Verantwortung für den Standort Stuttgart Königstraße wahrnehmen und das Kaufhaus nicht schließen, sondern vielmehr so betreiben, dass es schwarze Zahlen schreibt“.

Premium-Strategie in Stuttgart nicht ohne weiteres möglich

Doch eine Premium-Strategie, wie sie der Österreicher Benko schon einmal als Vision formuliert hat – jedoch ohne ins Detail zu gehen – lässt sich gerade in der Landeshauptstadt nicht ohne weiteres umsetzen. Der Grund ist die harte Konkurrenzsituation unter den Kaufhäusern: Mit der Metro-Tochter Kaufhof, die gerade erst eines ihrer beiden Häuser an der Königstraße renoviert hat, und dem Stammhaus von Breuninger sind bereits zwei starke Bewerber vor Ort.

Das schwäbische Traditionswarenhaus verfolgt zudem eine ähnliche Strategie, wie sie auch Benko im Auge hat: Klasse statt Masse. „Breuninger ist die regionale Identifikationsmarke hier, es ist für Stuttgart das, was das KaDeWe für Berlin ist“, sagt der Handelsexperte Roland Alter im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Der Leiter des Studiengangs Betriebswirtschaft und Unternehmensführung an der Hochschule Heilbronn glaubt, dass es Karstadt deshalb besonders schwer haben würde, den gleichen Weg wie Breuninger einzuschlagen.

Sind Warenhäuser am Ende?

Alter sieht für die Traditionsmarke Karstadt keine rechte Zukunft: „Die Warenhäuser sind im Kern am Ende ihres Lebenszyklus angelangt.“ Sie würden zunehmend durch neue Einkaufszentren abgelöst: „Die jüngere Generation kauft nicht ausschließlich im Internet ein, sie geht immer noch shoppen, aber sie tut es lieber in einer schicken Mall als bei Karstadt“, so Alter.

Eben jene neue Konkurrenz für die in die Jahre gekommen Warenhäuser entsteht in Stuttgart in Gestalt von zwei Malls in unmittelbarer Nachbarschaft zur Einkaufsmeile: Sowohl das Milaneo oberhalb des Hauptbahnhofs als auch das Gerber im Viertel zwischen Paulinenbrücke und Tübinger Straße eröffnen in weniger als einem Jahr. Die Folgen für den Handel in der Stadt lassen sich nur erahnen.

Stuttgarter Mitarbeiter müssen weiter bangen

Trotz vieler Fragezeichen wäre eine Premium-Strategie für Stuttgart noch die beste aller Alternativen, sagt Alter. Das positive wirtschaftliche Umfeld und das hohe Pro-Kopf-Einkommen würden dafür sprechen – allerdings hätten das die Mitbewerber längst entdeckt, somit könnte diese Einsicht für Karstadt zu spät kommen. Die Schließung schwächerer Standorte sei deshalb wohl kaum vermeidbar, so Alter. Es spricht einiges dafür, dass es bereits eine inoffizielle „Hitliste der Häuser“ gibt und die Suche nach anderen, attraktiven Nutzungen für die ehemaligen Warenhäuser wie im Fall Stuttgart längst begonnen hat.

„Es ist das Drama von Karstadt“, so der Handelsfachmann, „dass in der Vergangenheit an der Spitze zu viele Menschen beschäftigt waren, die sich nicht für den Handel interessiert haben.“ Beim aktuellen Investorenduo Berggruen/Benko – zwei schillernde Society-Figuren – bestehe der gleiche Verdacht. Die 300 Mitarbeiter in Stuttgart müssen also weiter bangen.