Das Rathaus freut sich über den Wettbewerber Car2go. Die Konkurrenz ist aber skeptisch. Dissonanzen gibt es vor allem in der Stellplatzfrage.

Stuttgart - Mit der Inbetriebnahme von Car2go buhlen nun vier Carsharingmodelle um Kunden in Stuttgart. Platzhirsch und ältester Anbieter ist Stadtmobil mit einer Flotte von 380 Fahrzeugen in der Region. Als zweites Unternehmen ging 2009 Flinkster in Stuttgart an den Start. Während man bei Stadtmobil als Kunde auf eine Produktpalette von Kleinwagen bis Transporter zurückgreifen kann, hat die Bahn-Tochter Flinkster mit ihrem Schwerpunkt auf City-Flitzern der Marke Alfa Romeo eine jüngere Zielgruppe im Auge. Das Stuttgarter Start-up Autonetzer verfolgt wiederum ein ganz anderes Konzept: Bei Autonetzer haben Mitglieder die Möglichkeit, auf den privaten Pkw anderer Mitglieder zurückzugreifen. Wer seinen Porsche nur am Wochenende ausfährt, kann unter der Woche andere Autonetzer-Mitglieder den Sportwagen nutzen lassen.

 

Rechnerische Verluste von 380 000 Euro für die Stadt

Während sich die Stadt über die Daimler-Tochter Car2go lobend äußert und in einer Mitteilungsvorlage für den Ausschuss für Umwelt und Technik ausdrücklich lobt, dass die Firma 300 Smart mit Elektroantrieb ohne städtische Subvention zur Verfügung stellt, sind die anderen Car-sharinganbieter nicht ganz so glücklich. Grund: Die E-Smart kann man am Ende einer Ausleihe im ganzen Stadtgebiet kostenlos auf öffentlichen Plätzen parken, während man zum Beispiel ein Stadtmobil am Ende der Fahrt ausschließlich auf dem für das Fahrzeug festgelegten Parkplatz zurückgeben darf. „Die entscheidende Währung im Carsharing-Geschäft sind Parkplätze“, sagte unlängst der Stadtmobil-Vorstand Ulrich Stähle. Stadtmobil habe 20 Jahre gebraucht, um sich 380 kostenpflichtige Stellflächen zu erkämpfen, während Car2go sofort mit 300 Fahrzeugen startet und nächstes Jahr auf 500 in der Region erhöhen will – die in einer Versuchslaufzeit bis Ende 2014 sogar kostenlos auf städtischen Parkflächen stehen dürfen. Die Stadt nimmt dafür rechnerische Verluste von 380 000 Euro in Kauf. Außerdem finanziert sie den Aufbau der Ladestationen mit 500 000 Euro aus der Infrastrukturpauschale. Zum Vergleich: Das Leihfahrradsystem in Stuttgart mit mehr als 400 Rädern und 80 000 Ausleihen pro Jahr steht vor dem Aus, falls dem Betreiber DB Rent keine Zuschusserhöhung um 120 000 Euro pro Jahr zugestanden wird.

Stadt tut sich schwer mit der Stellplatzsuche

Die Firma Stadtmobil überweist nach eigenen Angaben im Jahr 130 000 Euro Miete für Parkplätze, 90 Prozent der Stellflächen sind in Privatbesitz. Das sind Kosten, die die Daimler-Tochter nicht haben wird. Stähle würde gerne von der Stadt Parkflächen anmieten. Die Stadt verweist in dieser Sache aber auf die Straßenverkehrsordnung (StVO), die eine „Reservierung von Flächen für Carsharing-Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nicht erlaubt“. Aber nicht einmal in ihren Tiefgaragen finden sich bisher freie Plätze zum Vermieten.

Neues Angebot sorgt für Diskussionen im Gemeinderat

Seit 2011 bietet die StVO aber die Möglichkeit, Parkplätze für Elektrofahrzeuge auszuweisen. Weil Car2go ausschließlich auf Elektrofahrzeuge setzt, erscheint die Regelung wie eine „Lex Daimler“. Stähle wollte sich damit nicht zufriedengeben und forderte: „In der Stellplatzfrage muss es Gerechtigkeit geben.“ Tatsächlich hat der Technikausschuss jüngst die Verwaltung aufgefordert, in drei innerstädtischen Garagen je drei Parkplätze an Carsharing-Anbieter zu vermieten. Beauftragt war das Tiefbauamt allerdings, 50 Möglichkeiten nachzuweisen. Der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold sagt, das Engagement der Stadt beim klassischen Carsharing müsse sich noch verbessern. Sie verweist darauf, dass die kostenlose Überlassung der Stellplätze für alle Elektrofahrzeuge gelte – allerdings gibt es außer den Leih-Smarts kaum welche. Vor einem Jahr waren in Stuttgart 141 vollelektrische Fahrzeuge zugelassen, für das Jahr 2012 geht die Verwaltung von einem Zuwachs auf bis zu 600 Fahrzeuge aus – inklusive Car2go. Bei Firmen wie Stadtmobil liegt die geringe Zahl der E-Mobile daran, dass deren Geschäftsmodell eine hohe Einsatzzeit der Autos voraussieht. E-Mobile haben aber den Nachteil, zu lange an der Steckdose zu hängen.

Ziel der Aktion, so hieß es bei der Einführung, sei es, einen Anreiz zu schaffen, auf die Elektroautos umzusteigen. Doch der hohe Preis für die Batterien sei der größte Hinderungsgrund, sich ein solches Auto zuzulegen, sagen die Skeptiker. Der Fraktionschef Peter Pätzold sieht Car2go „als Ergänzung hauptsächlich zum ÖPNV“

Daimler-Chef Zetsche: Car2go kommt nach Hause

Für Daimler-Chef Dieter Zetsche ist der Start von Car2go in Stuttgart in gewisser Weise eine Heimkehr dieses Geschäftsmodells. „Car2go kommt nach Hause“, sagte Zetsche. Denn in Stuttgart, so Zetsche, sei nicht nur das Auto erfunden worden, sondern auch diese Idee des Carsharings. Gestartet ist Car2go allerdings nicht in der Heimatstadt von Daimler, sondern in Ulm. Dort hat der Autokonzern dieses Mietwagenkonzept 2008 zunächst einmal in kleinem Maßstab getestet, bevor er sich in große Städte wie Hamburg oder Amsterdam wagte.

Einschließlich Stuttgart ist Car2go heute in 16 Städten in Europa und Nordamerika vertreten. In den meisten Städten sind allerdings Smarts mit Verbrennungsmotor unterwegs. Reine Elektroflotten, jeweils 300 Wagen, laufen bereits in Amsterdam und in San Diego. Daimler betreibt Car2go zusammen mit Europcar. Der Partner steuert sein Knowhow aus dem Mietwagengeschäft bei, pflegt und wartet die Autos. Daimler stellt die Wagen und entwickelt die für dieses Mietmodell erforderliche Software.

Eine Mitgliedskarte öffnet die E-Smarts

Die Wagen stehen nicht wie bei anderen Anbietern an festen Stationen. Die Kunden müssen sich zunächst registrieren und erhalten eine Mitgliedskarte. Über das Internet erfahren sie, wo das nächste Auto steht. Wenn sie ihre Mitgliedskarte an die Windschutzscheibe halten, öffnet sich die Tür. Eine Minute Fahrt kostet 29 Cent. Wird ein Zwischenstopp eingelegt, so kostet dieser neun Cent je Minute. Für die stunden- und tageweise Nutzung gibt es besondere Tarife. Die Stuttgarter Kunden können ihre Mitgliedskarte auch in Berlin, Düsseldorf, Köln, Hamburg und Ulm nutzen. Dort ist Car2go bereits vertreten.

Wer eine Fahrt in Stuttgart beginnt, muss sie allerdings auch innerhalb des 75 Kilometer großen Geschäftsgebiets beenden. Im nächsten Jahr soll es „auf ausgewählte Teile der Region“ erweitert werden, wie es heißt. Um welche Teile es sich dabei handelt, ist noch offen. Wer die Grenze überfährt, wird von einer elektronischen Stimme darauf hingewiesen.

Bisher fahren die Kunden durchschnittlich 15 Kilometer weit

Die von Car2go eingesetzten Elektroautos haben nach Angaben des Unternehmens bis zu 140 Kilometer Reichweite. Die Kunden fahren bisher durchschnittlich fünf bis 15 Kilometer weit. Wenn die Batterieleistung auf einen bestimmten Schwellenwert absinkt, werden die Kunden gebeten, eine Ladesäule anzusteuern.

Genutzt wird Car2go bisher vorwiegend von jüngeren Menschen. Etwa 60 Prozent der Kunden sind nach Angaben des Unternehmens zwischen 18 und 35 Jahre alt.