Die grün-rote Landesregierung hat nicht gewusst, dass der EnBW-Kontrolleur Claus Dieter Hoffmann auch den Großaktionär OEW berät.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nach dem Ärger über EnBW-Chef Hans-Peter Villis gibt es beim Land nun auch Irritationen über den Aufsichtsratsvorsitzenden Claus Dieter Hoffmann. Der Grund: Hoffmann arbeitet zugleich als Berater für die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), die ebenso wie das Land 46,5 Prozent der EnBW-Anteile halten. Er hat die neue Regierung nach deren Angaben aber nicht darüber informiert. Der 69-Jährige sagt dagegen, seine Doppelrolle sei "den Beteiligten bekannt" gewesen. Auch die Rolle der von den Grünen nominierten Aufsichtsrätin Gunda Röstel löst beim Land Verwunderung aus. Sie agiere eher als Verbündete denn als Kontrolleurin von Villis, heißt es. Der vermutete Grund: bei dem Wechsel der einstigen Grünen-Parteichefin in die Wirtschaft sei Villis vor elf Jahren einer ihrer Förderer gewesen.

 

In den vergangenen Wochen hatten sich in Regierungskreisen Gerüchte verdichtet, dass der EnBW-Aufsichtsratsvorsitzende Hoffmann angeblich die OEW berate. Damit sei er dem zweiten Großaktionär einseitig besonders verpflichtet. Wenn das stimme, sagte ein hochrangiger Koalitionsvertreter, "wäre es ein Hammer".

Beteiligte sollen von Zusammenhängen gewusst haben

Gegenüber der Stuttgarter Zeitung bestätigte Hoffmann, einst Finanzchef bei Bosch und seit Jahren Unternehmensberater, das Mandat für die OEW GmbH. Er berate die Gesellschaft des Zweckverbandes von neun oberschwäbischen Landkreisen "hinsichtlich der Verwaltung und Finanzierung ihres Vermögens in wirtschaftlichen Fragestellungen". Dazu gehöre "auch und insbesondere die Beratung hinsichtlich der Aktionärsrechte und -pflichten aus deren EnBW-Beteiligung".

Teil des Mandats sei zudem die Pflege der Beziehungen zum anderen Großaktionär - früher die Electricité de France, heute das Land. In der Folge der Zusammenarbeit habe ihn die OEW einst als Aufsichtsrat nominiert und ihn später als Vorsitzenden des Kontrollgremiums vorgeschlagen. Seine Rolle habe sich "als konstruktiv erwiesen und ist rechtlich unbedenklich", teilte Hoffmann mit. Die Zusammenhänge seien im Übrigen "nicht neu und den Beteiligten bekannt".

Röstel wird mit Argwohn beobachtet

"Die Landesregierung ist von Herrn Dr. Hoffmann nicht über das Beratungsmandat informiert worden", betonte dagegen das Wirtschafts- und Finanzministerium von SPD-Chef Nils Schmid, der auch dem EnBW-Aufsichtsrat angehört. Ob das Mandat der Hauptversammlung bekannt gewesen sei, die Hoffmann im April noch mit den Stimmen der alten Regierung gewählt habe, wisse man nicht. Generell seien solche Mandate weder nach dem Aktienrecht noch nach der EnBW-Satzung meldepflichtig, sagte ein Ministeriumssprecher. "In einem Beratungsmandat allein" könne noch kein Verstoß gegen die Pflichten als Aufsichtsratschef gesehen werden. Gleichwohl gibt es in der Regierung Überlegungen, den Chefaufseher in Abstimmung mit der OEW auszuwechseln. Nach Kandidaten, die beiden Seiten vermittelbar sind, wird derzeit Ausschau gehalten. Hoffmann selbst hatte einmal gesagt, er wolle bis 70 arbeiten - dieses Alter erreicht er im Mai nächsten Jahres.

Mit zunehmendem Argwohn wird in der Koalition auch die Rolle der EnBW-Aufsichtsrätin Gunda Röstel beobachtet. Während das Land den Konzernchef Villis eher kritisch sieht, pflege die frühere Grünen-Chefin ein auffallend gutes Einvernehmen mit ihm. Zuletzt unterstützte sie ihn bei der Berufung eines neuen Vertriebsvorstandes, die die Landesvertreter für verfrüht hielten, solange keine Klarheit über die künftige Strategie besteht.

Gunda Röstel weist Vorwürfe zurück

Die Ursache dafür wird in der gemeinsamen beruflichen Vergangenheit der beiden vermutet: Villis war im Jahr 2000 Vorstandsmitglied bei der Eon-Tochter Gelsenwasser AG, als Röstel dort nach dem Rückzug von der Parteispitze ihre Wirtschaftskarriere startete; heute ist sie kaufmännische Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden. Villis hatte die damals 38-Jährige gegen Kritik in Schutz genommen und sie ausdrücklich gelobt: "Wer bei Bündnis 90/Die Grünen verantwortlich Politik macht, muss Kreativität, Hartnäckigkeit, Durchsetzungsvermögen und Frustrationstoleranz besitzen - alles Tugenden, die man in unserem Job gebrauchen kann."

Gegenüber der StZ wies Röstel Berichte zurück, Villis habe sie seinerzeit zu Gelsenwasser geholt; dies sei nach Vermittlung durch den damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller der Vorstandschef von Gelsenwasser gewesen. Es stimme auch nicht, dass Villis sie dem Land direkt oder indirekt als EnBW-Aufsichtsrätin empfohlen habe. Die Anfrage sei vielmehr direkt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gekommen; sie habe "nach reichlicher Überlegung bejaht".

Röstel widersprach zudem dem Vorwurf, sie habe den Aktionären die zweijährige Zusammenarbeit mit Villis verschwiegen: Ihre früheren Positionen seien "anhand einer Vita auf der Hauptversammlung 2011 offengelegt" worden. Auf die Frage nach einer möglichen Befangenheit sagte Röstel, sie sehe sich "sehr gut in der Lage", die Arbeit des Vorstandes "zu begleiten, zu bewerten und zu kontrollieren".