Der Investmentbanker Notheis wehrt sich gegen den Vorwurf, das Land falsch beraten zu haben. Ansonsten beruft er sich auf Erinnerungslücken.

Stuttgart - Der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis, hat die Rolle seiner Bank beim EnBW-Deal von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nachdrücklich verteidigt. Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags wies Notheis alle Vorwürfe zurück, die im Zusammenhang mit dem Milliardengeschäft erhoben worden waren. Seine durchgehende Botschaft: Morgan Stanley habe in jeder Hinsicht höchst professionell und mit der größtmöglichen Sorgfalt gearbeitet.

 

Laut Notheis wurde die Bank nicht wegen seiner Freundschaft zu Mappus beauftragt, sondern wegen ihrer „führenden Expertise in der Energie- und Versorgungswirtschaft“. Man sei für die EnBW seit vielen Jahren tätig gewesen – etwa als Kreditgeber und bei der Begleitung von Anleihen – und habe das Unternehmen daher sehr gut gekannt. Der Vorstandschef rechtfertigte insbesondere den Preis von 40 Euro je Aktie, den das Land für das Paket von gut 45 Prozent bezahlt hatte. Es sei „falsch und unwahr“, dass dieser Betrag überhöht gewesen sei. Morgan Stanley habe den Preis vielmehr in einer umfassenden Prüfung bestätigt, einer sogenannten „fairness opinion“. Dieser sei selbstverständlich die sogenannte Due-Diligence-Prüfung auf der Basis der öffentlich zur EnBW verfügbaren Informationen vorausgegangen. Ein bankinternes Komitee habe dazu 10 000 Seiten Unterlagen ausgewertet.

Kaufpreis von 40 Euro nennt Notheis „fair und angemessen“

Notheis widersprach dem Eindruck, der Kaufpreis habe bereits einen Tag nach der Beauftragung von Morgan Stanley am 25. November 2010 festgestanden. Tatsächlich wurde schon am 26. November bei einer Telefonkonferenz eine Einigung bei 40 Euro angesprochen. Dieser Wert habe sich daraus ergeben, dass die Électricité de France (EdF) die Anteile keinesfalls unter dem Buchwert von 39,90 Euro habe verkaufen wollen, erläuterte der Investmentbanker. Es habe sich aber nur um eine Grundlage für weitere Gespräche gehandelt. In der Folge sei noch intensiv über den Preis verhandelt worden, der schließlich zuzüglich Dividende am 5. Dezember fixiert wurde. Auch heute halte er den Betrag für fair und angemessen, betonte Notheis.

Auf Vorhalt der CDU sicherte er zu, dem Gremium die Bewertungsmaterialien von Morgan Stanley zur Verfügung zu stellen. Dabei handele es sich eigentlich um eine interne Arbeitsgrundlage der Bank, die er Mappus auf dessen Wunsch ausgehändigt habe. Im Datenraum für den Ausschuss fehlen diese Papiere, was auch Vertreter von Grünen und SPD kritisierten.

Interessenkonflikte seien vorab ausgeschlossen worden

Notheis widersprach dem Verdacht, seine Bank habe gleichzeitig für das Land und die EdF gearbeitet: „Das ist schlicht falsch und unwahr.“ Etwaige Interessenkonflikte seien bei einer gründlichen Prüfung vorab ausgeschlossen worden. Zugleich präsentierte er eine eidesstattliche Versicherung der EdF, derzufolge Morgan Stanley nicht für den Konzern tätig gewesen sei. Ausführlich erläuterte er die Einschaltung des französischen Morgan-Stanley-Chefs René Proglio, eines Bruders des EdF-Chefs Henri Proglio: Es sei bei solchen Transaktionen üblich, jemanden ins Team zu nehmen, „der die andere Seite sehr gut kennt“; dies helfe etwa, „wenn es knirscht“. In diesem Sinne habe er René Proglio mehrfach eingesetzt. Dass Morgan Stanley auf seiner Internetseite selbst damit geworben hatte, im Zusammenhang mit der EnBW als „Berater der EdF“ tätig gewesen zu sein, bezeichnete Notheis als „Fehler“. Das dort irrtümlich angegebene Geschäft – der Verkauf eines 45-Prozent-Anteils der EdF an die EnBW – habe nichts mit der tatsächlichen Transaktion zu tun. Notheis widersprach dem Eindruck, das Milliardengeschäft sei „durchgepeitscht“ worden. Das Tempo der Transaktion sei „nicht völlig ungewöhnlich“ gewesen; auch in anderen Fällen sei man in wenigen Tagen zum Abschluss gekommen. Das Honorar für Morgan Stanley lag nach seinen Angaben mit 0,275 Prozent des Volumens am unteren Ende der üblichen Bandbreite; auch hier habe Mappus für das Land „gut verhandelt“. Folgeaufträge etwa bei der Finanzierung seien zwar geplant gewesen, das Land habe sich aber „nicht final verpflichtet, uns zu mandatieren“.

Notheis: Habe nicht mit Sarkozy telefoniert

Immer wieder betonte Notheis, Morgan Stanley sei Finanz-, aber nicht Rechtsberater des Landes gewesen. Der später als Verfassungsbruch verurteilte Weg über eine Notbewilligungsklausel sei alleine von der Kanzlei Gleiss Lutz geprüft worden. Deren Aktienrechtler hätten zunächst Bedenken gehabt, die hochrangigen Experten für das Verfassungsrecht hätten jedoch später grünes Licht gegeben. Das Veto der französischen Regierung stellte Notheis als wenig dramatisch dar. Auf den letzten Metern gebe es erfahrungsgemäß immer noch Probleme. Wie das Veto ausgeräumt worden sei, könne er nicht sagen. Er habe jedenfalls nicht mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy telefoniert.

Auch die Detailfragen sind interessant

Die Befragung von Notheis zog sich fast den ganzen Tag hin. Wann hatte der Investmentbanker welche Mails gelesen? An welchen Sitzungen hatte er in jenen späten Novembertagen des Jahres 2010, in denen der EnBW-Deal auf den Weg gebracht wurde, persönlich teilgenommen? Wer war über Telefon zugeschaltet – und von wo? Untersuchungsausschüsse interessieren sich auch für kleine Fragen; manchmal verirren sie sich auch darin. Recht häufig erinnerte sich Notheis nur mühsam, manchmal auch gar nicht. Notheis sprach druckreif, mitunter auch etwas geschraubt. Dann verbreitete er sich über „Interessenasymmetrien“ und andere geheimnisvolle Dinge. Häufig ließ er das Wort „professionell“ fallen, vor allem im Zusammenhang mit dem Bankhaus Morgan Stanley.

Nach dem Auftritt von Notheis kam am frühen ‚Abend Willi Stächele an die Reihe. Der damalige Finanzminister war die Conditio sine qua non, ohne die der EnBW-Deal gar nicht zustande gekommen wäre, weil allein er das Notbewilligungsrecht nach Artikel 81 der Landesverfassung in Gang setzen konnte. Stächele schilderte, wie er am Sonntagabend vor dem Geschäftsabschluss für 23 Uhr ins Staatsministerium bestellt wurde, um dort mündlich unterrichtet zu werden. Stächele sagte, die zentrale Frage habe darin gelegen, ob das Notbewilligungsrecht greife. Die Vertreter von Gleiss Lutz hätten dies bejaht: „Das war eine schlüssige, abschließende Darstellung ohne jeden Zweifel.“ Wäre Zweifel geblieben, hätte Stächele allerdings auch nicht unterschreiben dürfen. Stächele sagte: „Ich habe meine Unterschrift gegeben in der Überzeugung, dass ich verfassungsrechtlich korrekt handle.“ Sein Ministerium habe er nicht zwingend einbeziehen müssen. Nur dass oberschwäbische Landräte von Regierungschef Mappus früher unterrichtet worden waren als er, das sei dann doch eine „Sauerei“ gewesen.

Ex-Finanzminister Stächele spricht von „Schweinerei“